Unseren CO2 Fußabdruck verstehen und ihn durch alltägliche Handlungen verringern: das veranschaulicht die Bildungsbroschüre des LIST

Forscher am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) haben eine Bildungsbroschüre herausgebracht, die den CO2-Fußabdruck eines durchschnittlichen Luxemburgers veranschaulicht und erklärt, wie wir unsere alltäglichen Handlungen klimafreundlicher gestalten können. Diese Broschüre richtet sich an jeden, aber vor allem an junge Leute und Schulen. Hier kann sie runtergeladen werden. Wir haben in diesem Zusammenhang mit Claudia Hitaj gesprochen, eine der Autoren der Broschüre und Leiterin des CarbonNerd-Projekts.

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Zur Person: Claudia Hitaj

Dr. Claudia Hitaj ist Research & Technology Associate in der Abteilung Environmental Sustainability and Circularity des Luxembourg Institute of Science & Technology (LIST). Sie kam 2019 zum LIST, nachdem sie sechs Jahre lang als Forschungsökonomin beim Economic Research Service des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten gearbeitet hat. Am LIST leitet sie die Forschung zu nachhaltigen Finanzen und hat mehr als 30 Publikationen zu verschiedenen Themen in den Bereichen Energie-, Umwelt- und Agrarökonomie veröffentlicht. Sie leitet das CarbonNerd-Projekt vom LIST, das die luxemburgische Jugend und die breite Öffentlichkeit über den Klimawandel, unseren CO2-Fußabdruck und Dekarbonisierungspfade aufklären soll. Sie ist auch Gastgeberin der Net Zero Future Serie auf dem Podcast Luxunplugged. Claudia hat einen BA in Wirtschaft und Mathematik und einen BA in Biologie, magna cum laude, von der Yale University, einen MA Phil in Umweltpolitik von der University of Cambridge und einen PhD in Agrar- und Ressourcenökonomie von der University of Maryland.

Wenn Sie, Ihre Schule oder Ihre Organisation an einer Präsentation oder einem Besuch der Forscher zur Erkundung der Broschüre interessiert sind, können Sie eine E-Mail an Claudia Hitaj senden: claudia.hitaj@list.lu.

Claudia Hitaj, wenn wir über Klimaschutz reden, was ist eigentlich unser Ziel?

Unser Ziel ist es, so schnell wie möglich unsere Treibhausgasemissionen auf null oder netto null zu reduzieren, damit wir auf der Erde weiterhin noch gut leben können.

Was heißt das konkret?

Konkret heißt das: die globale Erderwärmung auf weniger als 2 Grad, und am besten auf 1,5 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten zu limitieren. Das wurde so im Pariser Abkommen von 2015 festgelegt.  Leider lässt sich Klimawandel nicht mehr verhindern, da die Kohlendioxide, die wir jetzt schon in der Atmosphäre haben, hunderte von Jahren brauchen, bis sie sich wieder abbauen. Jede Verringerung von Treibhausgasen hilft aber die Konsequenzen des Klimawandels für uns und zukünftige Generationen zu minimieren.

Unterschied zwischen Wetter und Klima

Diesen Sommer war es heiß. Ist das nun der Beweis für den Klimawandel? Nein, ein einzelner Sommer allein reicht nicht als Beweis. Redet man vom Klima, so spricht man von Zeitintervallen von ca. 30 Jahren. Wenn es über die letzten 30 Jahre im Durchschnitt wärmer war als die 30 Jahre zuvor, dann kann man von Klimawandel sprechen. Es kann immer mal vorkommen, dass ein Jahr kälter oder wärmer ausfällt. Es gilt den gesamten Zeitraum zu erfassen und Durchschnittswerte miteinander zu vergleichen.

Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen: wie viel Kohlendioxid können wir dann noch ausstoßen?

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat hierzu Berechnungen erstellt, die sich auf das Jahr 2020 beziehen. Wenn wir das 1,5 Grad-Ziel schaffen wollen, mit einer Wahrscheinlichkeit von 83%, dann bleiben uns noch 300 Gigatonnen CO2, die wir Menschen global in die Atmosphäre abgeben können.  Wenn wir weiterhin so viele Treibhausgase ausstoßen wie bisher, dann wäre dieses Budget in 7,8 Jahren aufgebraucht. Also Ende 2027. 

Ab dann dürften wir nur noch so viel CO2 ausstoßen, wie wir auf anderer Seite kompensieren oder binden können.

Tabelle auf S.4 der Broschüre: Die verschiedenen weltweiten CO2-Budgets, die uns bleiben, wenn wir die Erderwärmung auf die Temperaturgrenzen (1,5, 1,7 oder 2,0) mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten (50%, 67%, 83%) begrenzen wollen.

Puh, das scheint ja quasi unmöglich. Können wir das 1,5 Grad-Ziel überhaupt noch schaffen? 

Ich bin weiterhin zuversichtlich, dass wir das schaffen, weil wir es einfach schaffen müssen. Aber da müssen wir natürlich sofort loslegen, CO2 einzusparen. Denn je weniger wir ausstoßen, desto länger bleibt uns noch CO2-Budget übrig.

Das CO2-Budget kann man sich wie ein Geldbeutel mit Geld vorstellen. Im Geldbeutel sind 300 EUR. Entweder man gibt stetig jeden Tag ca. 39 EUR aus, dann ist das Budget nach ca. 7,8 Tagen aufgebraucht und kein Geld mehr im Geldbeutel. Oder man spart von Tag zu Tag mehr, gibt z.B. an Tag 2 nur noch 30 EUR aus, an Tag 3 nur noch 25 EUR, an Tag 4 nur noch 20 EUR etc. Dann hat man noch länger Geld im Geldbeutel.

Natürlich können wir es auch darauf ankommen lassen und mehr CO2 ausstoßen. Da die Modelle mit Wahrscheinlichkeiten rechnen, könnte es auch sein, dass wir das 1,5 Grad Ziel mit etwas mehr CO2 Ausstoß noch einhalten. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das gelingt, ist geringer. Je mehr CO2 wir ausstoßen, desto mehr Risiko gehen wir ein.

Was passiert denn bei 1,5 Grad Erderwärmung?

1,5 Grad mag nicht nach viel klingen. Aber das ist auch nur der Durchschnittswert. In Wirklichkeit gibt es große Temperaturunterschiede auf unserem Planeten. So wird es an Land einen höheren Anstieg der Temperatur geben als über den Ozeanen. Die 1,5 Grad gelten auch als Durchschnittswert für ein ganzes Jahr. Das heißt nicht unbedingt, dass es das ganze Jahr über gleichmäßig 1,5 Grad wärmer sein wird, sondern es wird wahrscheinlicher, dass es zu Extremen kommt: extrem heiße und trockene Sommer und sehr lange Regenperioden in anderen Jahreszeiten, durch die das Hochwasserrisiko steigt. Diese Konsequenzen werden sowohl global als auch in Luxemburg zu spüren sein, auch wenn wir die 1,5 Grad einhalten. So wie wir sie teilweise auch schon in den letzten Jahren erlebt haben.

Was passiert, wenn wir unser Ziel nicht einhalten?

Überschreiten wir die 1,5 Grad, dann werden die Konsequenzen noch extremer und das Leben auf unserer Erde wird um einiges schwerer: Bei 2 Grad würden landwirtschaftliche Erträge stark zurückgehen und bei 3 Grad würde der Meeresspiegel einigen Berechnungen zufolge bis um 7m steigen und viele Menschen in Küstenregionen müssten flüchten.

Abbildung auf S. 5 der Broschüre: Vorhergesagte Auswirkungen der Erderwärmung auf verschiedene Bereiche.

Auf europäischem Niveau wurde das Ziel "Net Zero" bis 2050 festgelegt. Das bedeutet, dass bis 2050 die Treibhausgasemissionen so niedrig sein müssen, dass diese durch Gegenmaßnahmen kompensiert oder gebunden werden können. Ist 2050 als Ziel nicht zu spät? 

Es ist klar, dass wir nicht bis 2050 warten können, bis wir mit CO2-Einsparungen loslegen. Wir müssen ganz schnell handeln. Beim Net Zero Ziel wird angepeilt, dass die Treibhausgasemissionen in Europa auf durchschnittlich 1,5 t CO2 pro Person pro Jahr gedrosselt werden sollen. Aktuell verbraucht ein Luxemburger im Schnitt ca. 13t CO2 pro Person pro Jahr. Wir Luxemburger müssten also unseren CO2-Fußabdruck um 90% senken, und das in relativ kurzer Zeit: weniger als 30 Jahre. Aber selbst, wenn wir die 1,5 Grad nicht schaffen, dann sollten wir das Ziel nicht einfach auf 2 Grad hochsetzen. Es geht darum, jeden minimalen Anstieg zu vermeiden: 1,6 Grad sind viel besser als 1,7 oder 2 Grad.

Grafik vom LIST für Luxembourg in Transition. Sie veranschaulicht, wie der Weg zu Net Zero aussehen könnte.  Sie bezieht sich auf Luxemburg und die Grenzgebiete im Ausland. Dieses Gebiet verzeichnete im Jahr 2020 einen CO2-Fußabdruck von 15 t CO2eq pro Person pro- Jahr (im Gegensatz zu 13 t, wenn man nur Luxemburg ohne Grenzgänger und Tanktourismus betrachtet). Man kann erkennen, dass sich manche Maßnahmen schneller implementieren lassen als andere. 

Um den CO2-Fußabdruck des Durchschnittsluxemburgers von 13 tCO2 pro Jahr auf 1,5 tCO2 zu senken: was muss da passieren? 

Viel. Da müssen sowohl vom Staat Initiativen kommen, aber auch von den Bürgern. Wir haben uns mit unserer Broschüre dafür entschieden, den konsumorientierten CO2-Fußabdruck als Grundlage zu nehmen. Er zeigt die Summe aller Treibhausgase an, die durch den Konsum und die Aktivitäten einer Person ausgestoßen wird: dazu gehören auch die Treibhausgase, die bei der Herstellung und Transport eines Produktes oder den Services ausgestoßen wird, egal wo auf der Welt dieses Produkt hergestellt wurde. So sieht man also auch was die einzelne Person tun kann, um ihren Fußabdruck reduzieren.

Die Regierungen interessieren sich wegen der internationalen Klimaziele für das sogenannte produktionsbasierte nationale Inventar an Treibhausgasemissionen. Dieses bezieht sich auf die Treibhausgase, die innerhalb des Landes durch Produktion und Serviceleistungen emittiert wurden, unabhängig davon, ob die Waren und Services auch exportiert werden. Treibhausgase durch Energieverbrauch in Gebäuden oder Autos im Land gehören auch dazu. Das ist eine andere Art der Bilanzierung als der CO2-Fußabdruck, der sich nach dem Konsumverhalten von Individuen richtet. 

 

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Wie wird der CO2-Fußabdruck eines Menschen berechnet?

Der CO2-Fußabdruck eines Menschen ist die Summe aller Treibhausgas-Emissionen, die durch seine Aktivitäten und seinen Konsum entstehen. Dabei werden auch alle Treibhausgase addiert, die bei der Herstellung und dem Transport jedes Produktes, das er konsumiert, entstehen.

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Unterschied zwischen dem produktionsbasierten nationalen Inventar und dem konsumbasierten CO2- Fußabdruck

Der konsumbasierte CO2-Fußabdruck zeigt die Summe aller Treibhausgase an, die bei der Herstellung eines Produktes oder den Services ausgestoßen wird, die eine einzelne Person konsumiert. Der Nachteil dieser konsumbasierten Berechnung ist, dass sie durchaus kompliziert sind: man muss den Konsum der Bevölkerung genau kennen und dann alle Produktionsketten und -wege der konsumierten Produkte oder Services berücksichtigen. Das ist vor allem bei kleinen Ländern wie Luxemburg mit hohem Import und vielen Grenzgängern schwierig. Die Berechnung des produktionsbasierten nationalen Inventar ist einfacher und genauer: Für dessen Berechnung werden alle Treibhausgase addiert, die innerhalb eines Landes entstehen, unabhängig davon, ob ein Teil der Treibhausgase für die Produktion von Exportprodukten entstehen. Als Beispiel: Die Treibhausgase, die bei der Produktion eines Handys in China entstehen, werden zum nationalen Inventar Chinas gezählt, egal ob das Handy nachher von einem Chinesen oder von einem Luxemburger genutzt wird.

Wieso ist der konsumbasierte CO2-Fußabdruck eurer Meinung nach so wichtig? 

Durch unseren Konsum und die erzeugte Nachfrage sind wir mitverantwortlich dafür, was in anderen Ländern produziert wird. Letzten Endes sind es die Endverbraucher, die Treibhausgasemissionen anregen, egal, wo auf der Welt sie produziert werden. Mit dem konsumbasierten CO2-Fußabdruck machen wir also deutlich, dass wir auch unseren Konsum und unser Verhalten ändern müssen, wenn wir die Treibhausgasemissionen global reduzieren wollen. Die Berechnung war zwar etwas komplizierter als es beim produktbasierten Inventar gewesen wäre, jedoch haben wir haben unsere Zahlen durch verschiedene Quellen geprüft, sodass diese sehr zuverlässig sind.

Die produktionsbasierten Emissionen eines Landes berücksichtigen zwar zum Beispiel, wie viel im Land mit dem Auto gefahren wird, jedoch ist es hier nicht relevant, wie viele Handys oder Kleidung ein luxemburgischer Bürger kauft. Diese wurden ja irgendwo anders produziert. Für die produktionsbasierten Emissionen interessieren sich hauptsächlich die 154 Staaten, die das United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) unterzeichnet haben, und sich dadurch unter anderem für die Bereitschaft der Stabilisierung bereit erklärt haben. Diese, darunter auch Luxemburg, müssen ihr produktionsbasiertes nationales Inventar jedes Jahr an die UNFCCC weitergeben.

Rechnet man das luxemburgische produktionsbasierte Inventar pro Kopf, dann kommt man auf eine Summe von 11 t CO2eq/Person/Jahr (2019), ohne den Tanktourismus. Dass dieser Wert niedriger ist als der konsumbasierte CO2-Fußabdruck, ist typisch: Für reiche Länder, wie Luxemburg, sind die produktionsbasierten Emissionen oft kleiner als die konsumbasierten: wir importieren und konsumieren mehr als wir produzieren.

Wie stehen wir denn überhaupt im Vergleich zum Ausland da? 

Mit unseren 13 Tonnen CO2eq pro Jahr gehören wir zur Weltspitze. Zum Vergleich: in Deutschland sind es 11 t und in Frankreich und Belgien 8,6 t.

Ist es der Tanktourismus, weshalb wir so schlecht dastehen?

Nein. Im konsumbasierten CO2-Fußabdruck ist der gar nicht mit eingerechnet. Ausschlaggebend hier: unser hoher Konsum und hohen Lebensstandard! Wir reisen öfter und weiter, wohnen in größeren Häusern und sind das Land mit den meisten Autos pro Einwohnerzahl in Europa. Zudem benutzten wir weniger den öffentlichen Transport als andere Länder.

In unserer Broschüre haben wir aufgelistet, wie sich unser Fußabdruck zusammensetzt. Zum Beispiel produzieren wir im Bereich Mobilität 3,4 t CO2eq pro Kopf pro Jahr wohingegen es in Deutschland und Frankreich nur 1,9 t sind (Quelle: https://eplca.jrc.ec.europa.eu/ConsumptionFootprintPlatform.html unter Consumption Footprint). Bei Konsumgütern ist es ähnlich: 1,9 t CO2eq in Luxemburg im Vergleich zu 1,1 t in Deutschland und 0,9 t in Frankreich.

Auch im Bereich der Wohnungen ist Luxemburg im Vergleich zu unseren Nachbarländern nicht gut positioniert: Wir verbrauchen in Einfamilienhäusern doppelt so viel Energie, um einen Quadratmeter zu heizen als die Franzosen. Unsere Häuser und Wohnungen sind also nicht sehr energieeffizient. Zudem sind wir immer noch sehr abhängig von Gas und Öl. Hier muss sich unbedingt etwas ändern, gerade jetzt.

Wir müssen also etwas ändern: Kann ich als Einzelperson überhaupt etwas bewirken? 

Ja! Mit unserer Broschüre wollen wir zeigen, wie jeder Einzelne klimafreundlicher leben kann und wieso das Handeln jeder einzelnen Person zählt und hilfreich ist. Dabei ist es wichtig zu wissen, welche Veränderungen im Alltag einen großen Impakt haben, und welche eher weniger, damit wir unsere Energie in die richtigen Handlungen stecken. Die [hier folgende] Grafik veranschaulicht das sehr gut:

Wie können wir Luxemburger von 13t CO2eq pro Person auf 1,5 runterkommen?

Auch hierzu haben wir eine Graphik erstellt. Sie zeigt alle Schritte, um von 13 auf 1,5 t CO2eq pro Person pro Jahr zu kommen. In Gelb sieht man, was die Einzelperson tun muss, und in Blau was systemisch passieren muss, um das Net Zero Ziel zu erreichen. Wie man sieht, reichen weder die Lebensstil-Änderungen der Bürger allein, noch die systemischen Maßnahmen der Regierung. Nur beides zusammen kann funktionieren.

Als Beispiel: ich kann mir zwar vornehmen, nur noch mit dem Fahrrad zu fahren, das wäre aber sehr schwierig umzusetzen, wenn es keine guten Fahrradwege oder nur Autobahnen gibt. Umgekehrt bringt es auch nichts, wenn ganz viele Fahrradwege von der Regierung geplant und gebaut werden, dann aber niemand darauf fährt. Es müssen sich einfach jetzt beide Instanzen gleichzeitig anstrengen. Oft ist es so, dass eine systemische Änderung erst passiert, wenn die Nachfrage der Bevölkerung da ist.

 

In der Broschüre des LIST werden die unten stehenden 3 Personen aufgezeigt. Welche denkst du, spart am meisten Energie?

Choices

Wir reden hier über den luxemburgischen Bürger und die luxemburgische Regierung. Aber was ist, wenn andere, zum Beispiel ärmere Ländern, nicht mitmachen? Haben unsere Bemühungen dann noch einen Impakt? 

Ich denke, wenn andere Länder diesen Wandel nicht mitmachen, weil sie nicht können oder nicht bereit dazu sind, dann sollte das umso mehr ein Argument für uns sein, als wohlhabendes Land alles zu geben. Wenn wir verschiedene Verhaltensweisen ändern, zum Beispiel weniger Auto fahren und weniger Fleisch essen, dann geht es uns immer noch gut. In Entwicklungsländern ist das Problem eher: machen wir etwas fürs Klima oder versuchen wir erst einmal, den Menschen aus der Armut zu helfen? Unsere Schwierigkeiten stehen dazu in keinem Verhältnis. Ich bin aber auch optimistisch, dass alle Länder das irgendwann hinkriegen, es liegt ja in unser allem Interesse. Die reicheren Länder müssen sich auch bemühen, die neuen, klimafreundlichen Alternativen günstiger zu machen, sodass diese auch finanziell interessanter sind als Technologien mit nicht-erneuerbaren Ressourcen oder Energien.

Der größte Teil unserer Emissionen macht die Mobilität aus: Wie sieht es hier mit dem Vergleich Flugzeug versus Auto aus? 

Genau wie bei Autos werden bei Flugzeugen fossile Brennstoffe verbrannt, wodurch Treibhausgase entstehen. Sieht man sich den Ausstoß in Gramm Kohlendioxid pro Passagier und pro Kilometer in dieser Grafik an, dann hat das Flugzeug sogar einen kleineren Ausstoß pro Personenkilometer als das Auto, vor allem weil es viele Personen gleichzeitig transportiert. Sobald man aber zu zweit im Auto sitzt, ist Autofahren besser.

Hinzu kommt: Mit dem Flugzeug legt man in der Regel viel weitere Strecken zurück, die man mit dem Auto kaum machen würde. Nimmt man also das Flugzeug, produziert man also vor allem wegen der vielen Kilometer viele Treibhausgase. Bei einem 7-Stunden Flug liegt man schon bei 1,5 t CO2eq und mit Rückflug bei 3 t CO2eq. Ein Luxemburger versursacht über ein ganzes Jahr hinweg 2,9 t CO2eq beim Autofahren. Lange Strecken fliegen hat also durchaus einen grossen Impakt. Deshalb würde ich persönlich jeder Person raten, sich vor einer Reise zwei Dinge gut zu überlegen: Muss ich unbedingt irgendwo weit weg? und zweitens: Muss ich dafür wirklich das Flugzeug nehmen oder gibt es eine klimafreundlichere Alternative wie zum Beispiel dem Zug?

Die Produktion von Elektroautos ist nicht sehr klimafreundlich: Lohnen sich Elektroautos trotzdem? 

Ja, und das auch jetzt schon. Es stimmt, dass bei der Herstellung relativ viele Treibhausgase produziert werden. Jedoch gleicht ein Elektroauto diese in der Regel nach wenigen Jahren oder Kilometern aus. Das liegt unter anderem daran, dass Elektroautos mehr von der Primärenergie auch tatsächlich umsetzen: circa 80% der ganzen Energie des Stroms wird zur Fortbewegung genutzt. Bei Verbrennungsmotoren hingegen, geht sehr viel Energie als Wärme verloren und nur circa 25% der Energie, werden letztendlich zur Fortbewegung genutzt. Zum anderen liegt es natürlich auch daran, dass man Strom klimaneutral herstellen kann. Die Möglichkeit gibt es beim Benzin oder Diesel nicht. Klar kommt noch nicht der ganze Strom heute bereits aus erneuerbaren Quellen, jedoch wird sich das in Zukunft verbessern. Elektroautos werden immer klimafreundlicher werden - trotz der etwas klimaschädlicheren Herstellung. Das Gleiche gilt auch für Hybridautos, die Amortisationszeit ist hier nur etwas länger. 

Auf der Website Climobil kann man sich genau anschauen, ab wie vielen gefahrenen Kilometern oder Jahren ein Elektroauto sich lohnt. (Hier geht’s zur Climobil-Website vom LIST) Das hängt vom Modell, von der Batterielaufzeit und der Herkunft des Stroms ab. Vergleicht man zum Beispiel zwei kleine Skoda Citigo’s miteinander, das eine elektrisch und das andere benzingetrieben, dann ist ersteres schon nach rund 40.000 km oder 2 Jahren klimafreundlicher. Bei anderen Modellen lohnt es sich schon nach ein paar Monaten.

Die zweit-größte Komponente unseres Fußabdruckes ist das Wohnen: Was muss sich hier änderen? 

Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um von Öl und Gas wegzukommen, und auf Wärmepumpen oder Pellets umzusteigen: Nicht nur dem Klima zuliebe, sondern auch aus Solidarität den Ukrainern gegenüber. Zudem gibt es zurzeit für einen Umstieg auf Wood Pellets und Wärmepumpen gute Prämien bei der Klima-Agence. Der zweite große Hebel ist, die Energieeffizienz zu erhöhen, also die Wärmedämmung von vor allem alten Häusern zu verbessern. Für viele mag das nach einem sehr großen Aufwand klingen, für den Geldbeutel und fürs Klima lohnt sich das auf längere Sicht aber auf jeden Fall. Die Regierung hat letze Woche zudem die nationale Energiesparkampagne präsentiert, in der festgehalten wurde, wie und wieviel Energie der luxemburgische Staat und seine Bürger sparen sollen. Mehr Infos dazu gibt es hier und hier

Die Energiepreise werden diesen Herbst stark ansteigen: wird das dem Klima zugutekommen? 

Wenn Energie teurer wird, dann wird davon auch automatisch weniger benutzt. Und wenn wir Energie sparen, dann heißt das gleichzeitig weniger Treibhausgasemissionen. Man muss hier aber natürlich aufpassen, dass gehaltsärmere Haushalte unterstützt werden, um sich das noch leisten zu können. Meiner Meinung nach hat Luxemburg das Problem mit der Energie- Steuervergünstigung sehr gut gehandhabt: Es wird nämlich keine direkte Energiesubvention geben, die die Energiekosten insgesamt senken würde, sondern die staatliche Unterstützung kommt über den Lohn an die Leute. Menschen mit niedrigerem Einkommen bekommen also mehr Geld. Die höheren Energiepreise bleiben also und leiten alle dazu an, Energie zu sparen, jedoch werden Menschen mit niedrigerem Einkommen mit mehr Geld unterstützt.

 

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Energie sparen: Tipps der Klima-Agence

Die Klima-Agence hat einige praktische Tipps zusammengefasst, wie man zuhause Energie einsparen kann: Energie spueren - Ich optimiere mein Energieverhalten | Klima-Agence

Klima-Agence ist eine Beratungsstelle für private Haushalte, Unternehmen und Gemeinden und helfen unter anderem bei der Reduzierung des Energieverbrauchs und der Umstellung auf erneuerbare Energien. Und man kann sich über die verschiedenen Prämien informieren. Ein Blick auf die Webseite lohnt sich.

Was kann ich an meiner Ernährung ändern? Sollte ich eher auf Fleisch verzichten oder auf lokale Produkte achten? 

Hier gibt es eine ganz einfache Faustregel: wer sich klimafreundlicher ernähren will, sollte zuerst darauf achten, weniger Fleisch zu essen. Besonders Rindfleisch, denn das ist von allen Fleischsorten bei weitem das schlechteste fürs Klima. Ganz auf Fleisch zu verzichten und sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, reduziert den Fußabdruck um 47% bzw 51% im Vergleich zu einer omnivoren Diät. Wir haben mal ausgerechnet: Wenn wir das Net Zero Ziel bis 2050 erreichen wollen, dann könnte jeder im Schnitt nur noch einmal die Woche Fleisch essen. Die Essensgewohnheiten so umzustellen, ist natürlich nicht einfach. Es hilft auch schon, den Fleischkonsum etwas zu reduzieren und sich vor jeder Mahlzeit zu fragen, ginge es heute auch vegetarisch?

Lokal und Bio haben einen vergleichsweise weniger hohen Impakt, da sie nicht unbedingt besser fürs Klima sind, was viele überrascht, dafür aber anderen Nutzen haben. Wie Bioprodukte zum Beispiel für die Biodiversität. Hier sind die Berechnungen kompliziert: eine Tomate, die in Luxemburg unter dem beheizten Gewächshaus herangewachsen ist, ist nicht unbedingt besser als die, die aus Südspanien kommt. Eine vegetarische Lasagne, bei der die Tomaten zum Beispiel aus Spanien kommen, die Zucchini aus Portugal und die Nudeln aus Italien ist also immer noch besser als eine, die mit Rinderhack aus lokaler Bioproduktion gemacht wurde, weil der Transport im Durchschnitt nur 6% der Treibhausgase für Ernährung ausmachen und im Gegenzug Fleisch und Milchprodukte 75% ausmachen.

Betrachten wir den Konsum an Gütern, hat die Kleidung den weitaus größten Impakt. Wieso? 

Das liegt daran, dass die Herstellung relativ schlecht fürs Klima ist und wir in Luxemburg auch einfach eine Menge Kleidung einkaufen. Kleider bestehen zum Beispiel aus Baumwolle, für dessen Anbau sehr viel Wasser und Düngemittel gebraucht werden. Neben Baumwolle stecken in Kleidung auch oft viele ölbasierte Fasern, wie zum Beispiel Polyester, Elasthan oder Nylon, wo eine Menge fossile Energie drinsteckt. Da kommen dann noch die Verarbeitung und der Transport hinzu. Mein Ratschlag hier: gebrauchte und Kleidungsstücke mit höherer Qualität kaufen, die länger halten.

Danke, Claudia Hitaj, für das Gespräch. Wie können sich Interessierte an Sie wenden? 

Wenn Sie, Ihre Schule oder Ihre Organisation an einer Präsentation oder einem Besuch der Autoren der Broschüre interessiert sind, können Sie mir gerne eine E-mail senden: claudia.hitaj@list.lu. Ich hoffe, dass unsere Broschüre oder ein Besuch von uns einige Leute inspirieren kann, wie und welche alltägliche Handlungen sie in Zukunft vielleicht klimafreundlicher gestalten können.

 

Autoren: Lucie Zeches (FNR), Jean-Paul Bertemes (FNR)
Editorin: Michèle Weber (FNR)

 

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