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Sowohl der Mund als auch der Darm sind reichlich von Mikroben besiedelt. Und durch einen ständigen Fluss von Nahrung und Speichel sind sie auch miteinander verbunden. Trotzdem beherbergen sie deutlich unterschiedliche Mikrobiome. Der saure Magen und der antimikrobielle Dünndarm bilden eine orale Darmbarriere, von der man annimmt, dass sie die große Mehrheit der oralen Mikroben abtötet, bevor sie den Darm erreichen.
Die Übertragung von Mikroben vom Mund in den Darm wurde deshalb bislang als seltenes, vom Normalfall abweichende Ereignis und als Kennzeichen der Erkrankung betrachtet. Eine kürzlich durchgeführte Studie zeigt nun aber, dass viele Darmmikroben bereits im Mund entstehen können.
Selbst bei gesunden Menschen besiedeln viele orale Mikroben den Darm
In dieser Studie fanden Forscher der Gruppe Ökosystem-Biologie am Luxembourg Center for Systems Biomedicine (LCSB) und Mitarbeiter von zwei Forschungsgruppen des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg heraus, dass die Übertragung auf den Dickdarm und die anschließende Kolonisation durch orale Mikroben bei gesunden Menschen üblich ist. Die Ergebnisse, die auf eLIFE veröffentlicht wurden, begründen die Übertragung als einen wichtigen Prozess, der das gastrointestinale Mikrobiom bei Gesundheit und Krankheit prägt.
Eine sogenannte Oral-Darm-Übertragung tritt auf, wenn genügend Zellen einer oralen Spezies den Engpass ihrer Population Mund-Darm-Barriere überleben, um eine neue Kolonie im Darm aufzubauen. Dieses Versagen der Barriere wurde bisher als selten angesehen und - wenn es passiert - mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht.
„In dieser Studie haben wir jedoch viele gemeinsam genutzte mikrobielle Stämme in Speichel- und Stuhlproben von mehreren hundert Menschen auf drei Kontinenten identifiziert“, erklärt Ass. Prof. Dr. Paul Wilmes, Leiter der Gruppe Eco-Systems Biology und Mitautor der Studie. „Unsere Forschung zeigt, dass die Barriere zwischen Mund- und Darmmikrobiomen schwächer ist als erwartet und dass die Übertragung von Mund und Darm bei gesunden Menschen sehr häufig ist.“
Mögliche Rolle bei Darmkrebs
Ihre Ergebnisse unterstreichen auch, dass bei Patienten, die an Darmkrebs oder rheumatoider Arthritis leiden, ein erhöhtes Übertragungsniveau besteht, was darauf hindeutet, dass die Übertragung mehrerer Mikroben über den Mund und Darm eine Rolle beim Fortschreiten von Darmkrebs spielen könnte. Allgemeiner wurde festgestellt, dass Arten, die als opportunistische Pathogene beschrieben werden, übertragbarer sind.
Die Ergebnisse der Studie, die über das CORE-Programm des FNR finanziell unterstützt wurde, belegen den Mund als potentielle Quelle für mikrobielle Darmarten und zeigen, dass mit Darmkrebs verknüpfte Mikroben aus dem Körper und nicht aus der Umgebung stammen können. Wissenschaftler müssen nun abschätzen, ob Eingriffe in die orale mikrobielle Gemeinschaft das Darmmikrobiom und seine Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit beeinflussen können.
Autor: LCSB
Editor: Uwe Hentschel