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Demenzerkrankungen sind im Großherzogtum seltener als in anderen Ländern. Möglicherweise ist das auf die Mehrsprachigkeit der Bevölkerung zurückzuführen.
3,8 % der älteren Bevölkerung in Luxemburg leidet unter Demenz und 26,1 % beklagt sich über Kognitionsstörungen. Das ist das Ergebnis der Luxemburger MemoVie-Studie, die eine Stichprobe von 438 Personen im Alter von über 64 Jahren analysierte. „Der Anteil von Personen, die an Demenz leiden, ist erstaunlich niedrig im Vergleich zu Zahlen, die aus anderen Ländern hervorgehen“, betont Dr. Magali Perquin, die Projektleiterin am „Department of Population Health“ des Luxembourg Institute of Health (LIH). „Bei ähnlichen Studien mit größerer Teilnahme ergaben sich für Senioren, die an diesen Beschwerden leiden, Prozentzahlen von 6,4 % für Europa, 7,1 % für Lateinamerika und 8 % für Kanada.“
Für Kognitionsstörungen gibt es erstaunlicherweise bislang nur wenige Feldstudien. Bei einer repräsentativen Studie in Australien beklagten sich 33,5 % der Teilnehmer über Gedächtnisstörungen: ein Ergebnis, das ebenfalls höher ist als der für Luxemburg ermittelte Anteil.
Diese Erkenntnisse basieren auf Schätzungen über den Anteil der Bevölkerung, der in Luxemburg unter Demenz und Kognitionsstörungen leidet, und müssen noch durch weitere Studien bestätigt werden. Nichtsdestotrotz scheinen sie ein nationales Phänomen zu bekräftigen, und zwar dass sich Luxemburger einer langen Lebenserwartung bei guter Gesundheit und ohne größere Beeinträchtigung erfreuen können.
Eine Verbindung mit der Mehrsprachigkeit?
Frühere Untersuchungen von Dr. Perquin und ihren Kollegen ermöglichten ein Korrelieren der Ergebnisse mit einem anderen Phänomen in Luxemburg: die intensive Mehrsprachigkeit der Ansässigen und ihre mögliche Verbindung mit der kognitiven Reserve.
Hier sollte man frühere Ergebnisse, die jetzt in weiteren mehrsprachigen Gesellschaften in Kanada und Indien belegt wurden, in Erinnerung rufen: Menschen die mehr als zwei Sprachen intensiv in ihrem Leben benutzen sind drei- bis viermal weniger anfällig für den Abbau kognitiver Fähigkeiten als Zweisprachige. Und je früher und schneller man Sprachen erlernt, desto grösser ist die positive Wirkung.
Mehrsprachige Menschen entwickeln höhere kognitive Reserve
„Bei diesen Menschen gibt es wahrscheinlich eine Erweiterung der kognitiven Reserve, eine großartige, durch lebenslange kognitiv stimulierende Aktivitäten angeeignete Ressource des Hirns“, erläutert Dr. Perquin. „Menschen, die über eine gute Bildung verfügen oder mehrere Sprachen intensiv, dauerhaft und früh praktizieren, entwickeln diese höhere kognitive Reserve. Sie können den neurodegenerativen Erscheinungen der Demenz leichter standhalten. Um es klar auszudrücken: diese Menschen entwickeln erst später, weniger gravierende oder sogar gar keine Demenzsyndrome.“
Doch wie kann die Mehrsprachigkeit zu einer erhöhten kognitiven Reserve führen? Eine dritte ambitiöse Studie der Forschungsgruppe soll darauf nun eine Antwort geben. So haben vor kurzem Dr. Perquin vom LIH, Prof. Nico Diederich, Neurologe am „Centre Hospitalier de Luxembourg“ (CHL), und ihre Mitarbeiter ein neues Forschungsprojekt namens MemoLingua ins Leben gerufen. Ziel ist eine Untersuchung des Mechanismus’, mit dem die Mehrsprachigkeit den kognitiven Schutz beeinflusst.
Das Team arbeitet bei diesem Projekt mit den Professoren Juraj Kukolja et Gereon Fink der Universität zu Köln und dem deutschen Forschungszentrum Jülich, ein international anerkanntes Zentrum für Neuroimaging auf dem Gebiet der funktionalen Magnetresonanz, zusammen. Die Forscher erhoffen sich die funktionellen Bereiche des Gehirns zu ermitteln, die an der von der Mehrsprachigkeit erzeugten kognitiven Reserve beteiligt sind.
Autor: LIH
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