(C) Flickr - Alan Cleaver
Es besteht keinerlei Zweifel daran, dass unsere Sicht der Realität durch unsere Fernsehabende mit Navy CIS oder anderen Krimiserien etwas verzerrt ist. Wissen wir jedoch, worin diese Verzerrung besteht? Von der Chemie über die Biologie bis hin zur Physik – die Experten der Kriminaltechnik und -wissenschaft des Großherzogtums bedienen sich zur Erstellung ihrer Analysen zahlreicher Wissenschaftsgebiete. Um welche handelt es sich dabei?
In Luxemburg wird zwischen der Kriminaltechnik, die vor Ort im Einsatz ist, und der Kriminalwissenschaft, die für die Analyse der entnommenen Proben im Labor zuständig ist, unterschieden. Wie auch in der Welt der Forschung gibt es mehrere wichtige Kompetenzbereiche. Die Ermittler können sich beispielsweise auf Ballistik, die Identifizierung von Finger- oder Fußspuren und Tatwerkzeug spezialisiert haben. Die der breiten Öffentlichkeit weniger bekannte Begutachtung von Dokumenten, beispielsweise im Falle gefälschter Unterschriften, ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung, ebenso wie die Ablichtung von Gegenständen.
Anlässlich des Science Festivals (7. bis 10. November) benötigt die Kriminaltechnik und -wissenschaft des Großherzogtums junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, um einen Täter zu ermitteln. Finde die Fingerspuren, die der Täter hinterlassen hat, und vergleiche sie mit den Fingerabdrücken der Verdächtigen. Außerdem kannst du deinen eigenen Fingerabdruck nehmen und die verschiedenen Bereiche der Kriminalwissenschaft kennenlernen!
Vom Feld ins Labor – die wissenschaftliche Methode spielt eine zentrale Rolle!
Schwerkriminalität, Brand, verdächtiger Todesfall, Vergewaltigung, Einbruch oder auch Arbeitsunfall, ... Es gibt unterschiedlichste Gründe, weshalb die Justizbehörde die Anwesenheit der Kriminaltechnik vor Ort fordern kann.
Die Gegebenheiten vor Ort – jegliche Verzerrung vermeiden
Wie auch in der wissenschaftlichen Forschung ist Objektivität von entscheidender Bedeutung zur Erzielung verlässlicher Ergebnisse. Daher arbeiten die Ermittler stets be- und entlastend. Sie sammeln und analysieren also Beweise, die einen Verdächtigen sowohl belasten als auch entlasten können.
„Denkt man an amerikanische Serien, treffen die Ermittler stets gut gekleidet und geschminkt am Tatort ein. In Wirklichkeit sieht das ganz anders aus! Wir sind stets mit umfassender Schutzausrüstung ausgestattet, um selbst geringste Verunreinigungen zu vermeiden“, erklärt Chloé Lucius, Leiterin der Abteilung Kriminalwissenschaft der Kriminalpolizei in Luxemburg. In Wirklichkeit tragen die Experten Haube, Maske, Handschuhe und weißen Ganzkörperanzug, damit sie keinerlei Spuren am Tatort hinterlassen.
Während die Schauspieler einen mit Blut befleckten Gegenstand scheinbar so verpacken, als handle es sich um banale Einkäufe, sichern die Experten der Kriminaltechnik die Rückverfolgbarkeit jedes einzelnen Beweisstücks sorgfältig. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich sämtliche Beweisstücke zuverlässig verwenden lassen, und zwar von ihrer Sicherung bis hin zur Behandlung im Labor. Die am Tatort anwesenden Ermittler dokumentieren die örtlichen Gegebenheiten lückenlos mithilfe von Fotos und Skizzen. Anschließend nummerieren, beschreiben und sichern sie Finger- oder Handflächenspuren, genetische Spuren (DNA) oder biologische Spuren (Blut oder Sperma) sowie Gegenstände (Bekleidung, Waffe oder Papier). Zudem wird jedes registrierte Element mit Informationen zur Art der Sicherung und der exakten Platzierung am Tatort versehen. Im Labor werden die Elemente äußerst sorgfältig einzeln untersucht und fotografiert, bevor sie einer sie möglicherweise verändernden Laborbehandlung unterzogen werden.
Das Labor - von der Analyse bis zur Ergebnisinterpretation
„Die Schnelligkeit in den Serien entspricht nicht der Realität. Bei einem Mordfall beispielsweise dauert es mehrere Wochen oder sogar Monate, bis alle Auswertungen abgeschlossen sind“, so Chloé Lucius. Zusätzlich zu den Analysen ist die Kriminalwissenschaft auch für die Erstellung eines Berichts für Justizbehörde und Ermittler zuständig. Wie auch bei einer Forschungspublikation wird über die untersuchten Gegenstände sowie die angewandten Techniken und das eingesetzte Material zur Erstellung der Analyse informiert. Die erzielten Ergebnisse werden anschließend vorgestellt und interpretiert. „Wir lenken die Richter in eine bestimmte Richtung, bewegen uns dabei jedoch stets im Rahmen der erzielten Ergebnisse. Bei einem mit Fingerspuren versehenen Gegenstand können wir beispielsweise darauf hinweisen, dass der Täter laut unseren Analysen möglicherweise dieses oder jenes getan hat“, erläutert Chloé Lucius.
Fingerspuren mithilfe physikalisch-chemischer Verfahren erkennen
Um Fingerspuren auf einem Gegenstand erkennen zu können, ermittelt die Kriminalwissenschaft zunächst dessen Beschaffenheit: porös, nicht porös, fettig, haftend etc. Sobald diese ermittelt ist, kennen die Experten dessen physikalisch-chemischen Eigenschaften und wissen, welche Substanzen zu verwenden sind.
Auf porösen Trägern (Papier, Karton) lassen sich Aminosäuren finden. Diese organischen Verbindungen werden über die Poren unserer Hände abgesondert. In diesem Fall können die Wissenschaftler die Substanz Indandion auftragen, die mit den Aminosäuren reagiert und mithilfe von Fluoreszenz Fingerspuren erkennbar macht.
Eine weitere gängige Technik besteht darin, den Gegenstand in einer Bedampfungskammer mit der klebrigen Substanz Cyanacrylat zu bedampfen. Diese Technik kommt bei nicht porösen Trägern wie Plastiktüten oder Schusswaffen zum Einsatz. „Die Klebedämpfe reagieren mit den Fettabsonderungen, die unsere Hände auf dem Gegenstand hinterlassen haben. Die Fingerspuren werden durch eine Polymerisation des Klebstoffs auf diesen Absonderungen erkennbar gemacht“, schildert Chloé Lucius.
Zwischen Spur und Abdruck besteht folgender Unterschied: Eine Spur wird vor Ort gesucht und erkannt. Sie kann unvollständig sein, ihr Ursprung ist unbekannt. Ein Abdruck wird bewusst von einer Person genommen. Es kann sich dabei um einen Verdächtigen oder ein Opfer handeln.
Biomedizinische Tests im Dienste der Kriminalwissenschaft
Mehrere von der Kriminalwissenschaft eingesetzte Vortests, wie der Nachweis von menschlichem Blut, Sperma, Urin oder Speichel, stammen direkt aus dem Medizinbereich. Beim OBTI-Test handelt es sich beispielsweise um einen biologischen Test, durch den sich feststellen lässt, ob das Blut menschlichen Ursprungs ist. „Dieser sehr einfache und schnelle Test funktioniert wie ein Schwangerschaftstest. Bei einem positiven Ergebnis erscheinen zwei Striche, bei einem negativen nur einer“, erklärt Chloé Lucius.
Von der DNA-Spur zum genetischen Abdruck
Der genetische Abdruck bzw. das DNA-Profil ist ein Instrument, das die Ermittlungsmethoden der Polizei revolutioniert hat, indem es die Identifizierung eines Täters auf wissenschaftlicher Grundlage und mit sehr hoher Zuverlässigkeit ermöglicht. Bei der DNA handelt es sich um ein Makromolekül (bzw. eine Nukleinsäure), das sämtliche grundlegenden Informationen für die Funktion unseres Körpers enthält. Es handelt sich dabei um eine Art Buch, das aus verschiedenen Kombinationen folgender vier Buchstaben besteht: ACGT. Obgleich wir über viele ähnliche DNA-Kapitel verfügen, sind einige jedoch nur in unserem Buch vorhanden. Wird eine DNA-Spur an einem Tatort gefunden, interessieren sich die Experten für die einzigartigen Kapitel des Makromoleküls. Sie vergleichen sie mit der bestehenden Datenbank oder dem DNA-Profil eines Verdächtigen, dem sie zuvor DNA, z. B. perSpeichel- oder Haarprobe, entnommen haben.
Die Forschungstätigkeiten der Kriminalwissenschaft
Die Tätigkeit der Kriminalwissenschaft des Großherzogtums beschränkt sich nicht auf die Analyse von Gegenständen, sondern erstreckt sich auch auf Forschungstätigkeiten zur Verbesserung von Techniken oder zur Entwicklung neuer Methoden. So hat sie eine neue Methode eingeführt, die bisher weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene angewandt wurde. „Wir haben eine Methode zum Nachweis von Blutspuren durch Wasserstoffperoxid eingeführt. Es handelt sich dabei um eine sehr einfache, bisher nur selten in Betracht gezogene Methode“, erklärt Chloé Lucius.Mithilfe dieser Methode lassen sich Blutspuren erkennen, die aufgrund ihrer geringen Größe weder mit bloßem Auge noch per Infrarot sichtbar sind. Das Wasserstoffperoxid wird auf den Träger, z. B. dunkle Bekleidung, aufgesprüht und bildet rund um die Blutspuren einen leichten Schaum.
Diese vielversprechende Forschungsabteilung ist seit drei Jahren tätig und befindet sich noch in voller Aufbau- und Organisationsphase. „Der Bereich Forschung ist für unsere Tätigkeiten von großem Interesse. Wir möchten diesen Weg weitergehen und die Ergebnisse unserer Forschungen veröffentlichen“, so das Fazit von Chloé Lucius.
Foto: (C) Flickr - Alan Cleaver & Police scientifique Grand-Ducale
Autor: Constance Lausecker