Niklas Elmehed, Johan Jarnestad, FNR

Die drei Nobelpreisträger Alexei Ekimov, Louis Brus und Moungi Bawendi (v.l.n.r.); Prof. Thomas Schmidt der Universität Luxemburg (u. rechts); Quantenpunkte in unterschiedlichen Farben (o. rechts)

Jeder Chemiestudent lernt, dass die Eigenschaften eines Elements von der Anzahl der Elektronen abhängen, die es besitzt. Wenn Materie jedoch winzig klein ist – im Nanometerbereich – treten sogenannte Quantenphänomene auf (siehe Infobox). Dies sind besondere physikalische Phänomene und Eigenschaften, die in der Quantenphysik auftreten, also dem Zweig der Physik, der sich mit den Gesetzen und Eigenschaften von Atomen und ihren Bestandteilen wie Elektronen, Protonen und Neutronen beschäftigt.

Infobox

Beispiele von Quantenphänomenen

Quantenphänomene sind oft ungewöhnlich und unterscheiden sich stark von den Phänomenen in der klassischen Physik, die auf makroskopischer Ebene gelten, also auf der Ebene, die für uns mit bloßem Auge sichtbar ist.

Einige wichtige Quantenphänomene sind:

  • Quantisierung: In der Quantenphysik können bestimmte physikalische Größen, wie die Energie von Elektronen in einem Atom, nur in diskreten Werten existieren, die als Quanten bezeichnet werden. Dies steht im Gegensatz zur klassischen Physik, in der kontinuierliche Werte auftreten. Dieses Beispiel liegt den Entdeckungen der Nobelpreisträger zugrunde.
  • Welle-Teilchen-Dualismus: Teilchen wie Elektronen und Photonen können sich sowohl wie Wellen als auch wie Teilchen verhalten.
  • Verschränkung: Wenn zwei oder mehr Teilchen so miteinander verknüpft sind, dass der Zustand eines Teilchens sofort den Zustand des anderen beeinflusst, unabhängig von der Entfernung zwischen ihnen. Dies führte zu Albert Einsteins berühmter Bezeichnung als "spukhafte Fernwirkung".
  • Unschärferelation: Die Heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass es unmöglich ist, gleichzeitig die genaue Position und Impuls eines Teilchens mit unendlicher Genauigkeit zu messen. Je genauer man eine dieser Größen misst, desto unsicherer wird die Messung der anderen."Wenn ich einen Ball werfe, dann kann ich mit Hilfe der klassischen Physik beschreiben, wo sich der Ball befindet und welche Geschwindigkeit er zu einem bestimmten Zeitpunkt haben wird. In der Quantenphysik ist das nicht möglich. Ein Elektron verhält sich aufgrund der Unschärferelation nicht so - je genauer man zum Beispiel die Position eines Teilchens misst, desto unsicherer ist man über seine Geschwindigkeit“, erklärt Prof. Thomas Schmidt.
  • Quantentunneln: Quantenmechanische Teilchen können Barrieren durchdringen, die in der klassischen Physik als undurchdringlich betrachtet werden würden.
  • Quantenüberlagerung: Teilchen können sich in einem Zustand der Überlagerung befinden, bei dem sie mehrere mögliche Zustände gleichzeitig einnehmen. Dies ist das Konzept hinter dem berühmten Gedankenexperiment von Schrödingers Katze.

Diese Quantenphänomene haben unsere Vorstellung von der Natur der Realität revolutioniert und sind von grundlegender Bedeutung für viele moderne Technologien, einschließlich der Quanteninformatik und Quantenkommunikation. Sie sind jedoch oft schwer vorstellbar und führen zu einem völlig neuen Verständnis der Welt auf subatomarer Ebene.

Quantenphänomene in der Nanodimension werden durch die Größe der Systeme bestimmt. Physiker wussten schon lange, dass bei Nanopartikeln solche größenabhängigen Quantenphänomene theoretisch auftreten könnten. Aber lange Zeit war es fast unmöglich, etwas in Nanodimensionen zu formen. Daher glaubten nur wenige, dass dieses Wissen Anwendung in der Praxis finden würde.

Den Chemie-Nobelpreisträgern Alexei Ekimov, Louis Brus und Moungi Bawendi ist es gelungen, Teilchen herzustellen, die so klein sind, dass ihre Eigenschaften durch Quantenphänomene bestimmt werden. Diese winzigen Teilchen, sogenannte Quantenpunkte („quantum dots“), spielen in der Nanotechnologie eine zunehmend wichtige Rolle. Quantenpunkte beleuchten heute Computermonitore und Fernsehbildschirme, sie verleihen dem Licht einiger LED-Lampen Nuancen, und Biochemiker und Ärzte verwenden sie, um Bilder von Gewebe zu machen.

Abbildung: Ein Quantenpunkt ist ein Kristall, das oft nur aus wenigen Tausend Atomen besteht. Das Grössenverhältnis zwischen einem Quantenpunkt und einem Fussball ist genauso gross wie das Grössenverhältnis zwischen einem Fussball und der Erde.© Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences.

Der Professor für Physik Thomas Schmidt forscht an der Universität Luxemburg unter anderem auch an Quantenpunkten. Er gibt Details zu den Entdeckungen der Nobelpreisträger und spricht über verwandte Arbeit in seiner Forschungsgruppe.

Der Physiker Thomas Schmidt ist seit 2015 Professor für Physik an der Universität Luxemburg, um an theoretischen Fragen zu arbeiten, die bei der Entwicklung von Nanobauteilen mit spannenden potenziellen technologischen Anwendungen helfen. Sein Forschungsgebiet ist die mesoskopische Physik. „Mesoskopische Physik ist alles, was sich zwischen der kleinen Skala - die von der Quantenmechanik bestimmt wird - und den größeren Skalensystemen abspielt, die größtenteils von der klassischen Physik bestimmt werden und mit bloßem Auge zu erkennen sind. Die mesoskopische Physik liegt also zwischen der mikroskopischen und der makroskopischen Physik“, erklärt Thomas Schmidt in einem Interview mit dem FNR.

 Thomas Schmidt studierte Physik und promovierte an der Universität Freiburg, mit einem kurzen Aufenthalt am Imperial College London. Nach Post-Docs an den Universitäten von Basel in der Schweiz und Yale in den USA, leitete Thomas Schmidt seine erste eigene Forschungsgruppe an der Universität Basel, bevor er dank eines ATTRACT Fellowships des Fonds National de la Recherche (FNR) an die Uni Luxemburg kam. In der Abteilung für Physik und Materialwissenschaften kümmert Thomas Schmidt sich ebenfalls um das Doktorandenprogramm.

 

Prof. Thomas Schmidt, welche Bedeutung haben die Entdeckungen der Nobelpreisträger?

Anders als in der klassischen Physik, in der kontinuierliche Werte auftreten (wie z.B. die Geschwindigkeit eines Autos), führen die Regeln der Quantenmechanik dazu, dass Elektronen in Atomen nicht beliebige Energien haben können, sondern dass ihre Energien “quantisiert” sind, d.h., nur diskrete Werte annehmen können. Dies führt unter anderem dazu, dass verschiedene Atome unterschiedliche Farbspektra aufweisen, da die Wellenlänge des von ihnen emittieren Lichtes immer der Differenz zwischen zwei Energieniveaus entsprechen muss.

Der diesjährige Nobelpreis wurde an die Entdecker der Quantenpunkte verliehen. Letztere werden auch als “künstliche Atome” bezeichnet, weil Elektronen in ihnen, ähnlich wie in Atomen, räumlich eingeschlossen sind und daher auch hier ihre Energien quantisiert sind. Wie auch bei Atomen führt das zu interessanten optischen Eigenschaften: die Energieniveaus eines Quantenpunktes sind bestimmt durch dessen Größe. Das macht es möglich, sehr gezielt Quantenpunkte herzustellen, die bei Anregung in bestimmen Farben leuchten. Die Größe des Quantenpunkts bestimmt also seine Farbe. Dies führt auch zur aktuell wichtigsten Anwendung von Quantenpunkten, nämlich in Displays von Bildschirmen oder Fernsehern.

Was denken Sie, ist der Nobelpreis gerechtfertigt?

Die Arbeiten der diesjährigen Nobelpreisträger waren bereits in den späten 70er und frühen 80er Jahren entscheidend für die Entwicklung dieser Quantenpunkte. Während Ekimov sie durch Halbleiter-Nanopartikel in Gläsern produzierte, stellten Bawendi und Brus sogenannte kolloide Quantenpunkte als Nanokristalle in Lösungen her. Diese Entdeckungen führten zu wichtigen Anwendungen aber auch vielen weiteren Entwicklungen im Bereich der Grundlagenforschung.

Worum geht es bei Ihrer eigenen Forschung zu Quantenpunkten?

Meine eigene Forschung basiert weniger auf den oben erwähnten optischen Eigenschaften von Quantenpunkten als auf ihren elektronischen Eigenschaften. Aktuell werden Quantenpunkte z.B. im Hinblick auf Quantencomputing untersucht. Im Gegensatz zu den “Bits” in denen klassiche Computer Information speichern, benutzen Quantencomputer sogenannte Qubits. Quantenpunkte können als Qubits eingesetzt werden, indem z.B. der Drehimpuls von Elektronen, ihr sogenannter “Spin”, als Speicher für Quanteninformation benutzt wird. Darüber hinaus haben sie interessante Transporteigenschaften, die es z.B. erlauben, sogenannte Einzelelektronen-Transistoren herzustellen, die sie für die Nanoelektronik sehr interessant machen.

Mehr über den Nobelpreis auf der Internetseite des Nobelpreises.

Mehr über Thomas Schmidt in einem Interview auf der Webseite des FNR und in diesem Videoportrait

Antworten: Thomas Schmidt (Universität Luxemburg)
Fragen & Redaktion: Michèle Weber (FNR)
Illustrationen: Niklas Elmehed/Nobel Prize Outreach; Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences
Foto von Thomas Schmidt: FNR

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