shotshop.com
Wären die Umstände nicht so tragisch, könnte man es fast als einen Erfolg feiern: Im Jahr 2020 waren die für Luxemburg berechneten Treibhausgasemissionen ungefähr 15% niedriger als im Vorjahr. Eine dringend notwendige Reduktion, hat das Land doch hochgesteckte Klimaschutzziele – bis ins Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen um 55% gegenüber dem Jahr 2005 reduziert werden.
Eine Weile sah es für das 2030-Ziel gar nicht so schlecht aus: Die Zahlen sanken, mit leichten Schwankungen, zwischen den Jahren 2005 und 2016 von ungefähr 10,5 Mio. Tonnen CO2 auf 8,5 Mio. Tonnen CO2. Seither steigen die Zahlen aber wieder und im Jahr 2019 war das Land Schätzungen zufolge wohl bei deutlich über 9 Mio. Tonnen ankommen. Nun der Einbruch im Jahr 2020 auf weniger als 8 Mio. Tonnen. Mission possible also? Leider nein, denn der Effekt dürfte nur von kurzer Dauer sein.
Abb.: Treibhausgasemissionen (GES) für Luxemburg in Mio tCO2 zwischen 2005 und 2020. Die schwarze Linie zeigt tatsächliche ESD Emissionen, die braune Linie, das was tatsächlich erlaubt werde wenn wir die Klimaschutzziele von 2030 erreichen wollten. Was sind ESD-Emissionen? Die Berechnung dieses Indikators basiert auf den Emissionen, die unter die Effort-Sharing-Decision (ESD) fallen. In der Entscheidung über die Aufteilung der Anstrengungen werden nationale jährliche verbindliche Ziele für Emissionen festgelegt, die nicht unter das EU Emission Trading Scheme (EST) fallen. Die ESD-Emissionen werden berechnet, indem ETS-geprüfte Emissionen, CO2-Emissionen aus der heimischen Luftfahrt und NF3-Emissionen von den nationalen Gesamtemissionen abgezogen werden. Quellen: STATEC (Grafik), Eurostat (Definition ESD/EST).
Die Pandemie bremste die CO2-Emissionen aus
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie kam das gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Leben Anfang 2020 quasi vom einen auf den anderen Tag zum Erliegen und, damit verbunden, die Treibhausgasemissionen. Besonders ins Gewicht fallen hierbei die Emissionen aus Treibstoffverkäufen, wie Tom Haas vom nationalen Statistikamt STATEC berichtet: „Im April 2020 waren die Verkäufe um bis zu 60% reduziert. Inzwischen hat sich dies zwar wieder etwas normalisiert, die Verkäufe waren aber Ende 2020 immer noch 20% niedriger als Ende 2019“.
Die Einbrüche im Kraftstoffverkauf machen sich in der CO2-Statistik von Luxemburg besonders stark bemerkbar, denn zwei Drittel der Emissionen sind auf den Verkehr zurückzuführen – und zu einem großen Teil gar nicht den Luxemburgerinnen und Luxemburgern oder den ansässigen Firmen anzulasten. Drei Viertel des Treibstoffs wird von internationalen Spediteuren und Pendlern gekauft, die in Luxemburg günstiger tanken können, als in ihren Heimatländern. Für die internationalen Emissionsstatistiken allerdings zählt nicht, wer den Treibstoff kauft, oder in welchem Land das CO2 aus den Auspuffrohren strömt, sondern, wo der Treibstoff gekauft wird.
Ausgleichende Gerechtigkeit: Stromerzeugung geht in die CO2-Bilanz des Großherzogtums kaum ein; Elektrizität wird aus anderen Ländern bezogen und eventuell anfallende Emissionen schlagen in der dortigen Statistik zu Buche.
CO2-Steuer im Jahr 2021
Muss man den Versuch, die CO2-Emissionen zu reduzieren bei steigendem Verkehrsaufkommen und einer wachsenden Wirtschaft also schon jetzt als zum Scheitern verurteilt ansehen? Nicht unbedingt, wie Tom Haas betont: „Anfang Januar 2021 wurde eine CO2-Steuer eingeführt werden. Das wird zu einer Reduzierung des Verkaufs von Treibstoff führen und andere wichtige Maßnahmen flankieren, wie die Elektrifizierung im Transportsektor, Gebäudeisolierungen, neue Heizungstechniken und vieles mehr.“ Die Modellrechnungen der Wirtschaftswissenschaftler zeigen dabei, dass Luxemburg sich hier nicht zwingend einer wesentlichen Einnahmequelle beraubt, denn die Steuereinnahmen auf Treibstoffen würden den Effekt reduzierter Verkäufe sogar etwas mehr als kompensieren.
Ergebnisse seiner Analyse zum möglichen Impakt dieser CO2-Steuer veröffentlichte Tom Haas zusammen mit seinen Kolleginnen Jill Schaul und Cathy Schmit im November 2020. Zusätzliche Infos aus dieser Analyse gibt es auch am Ende des Artikels in mehreren aufklappbaren Infoboxen. Hier die wichtigsten Schlussfolgerungen:
- Treibhausgasemissionen könnten durch die CO2-Steuer bis 2023 um 11% gesenkt werden. Allerdings würde Luxemburg zu dem Zeitpunkt wegen zunehmendem Warentransport und Grenzgängern immer noch 17% über dem Wert liegen der nötig wäre, um die Klimaziele 2030 zu erreichen (siehe Grafik unten).
- Durch Anheben des Steuerkredits wäre der Impakt der CO2-Steuer für Haushalte mit niedrigerem Lebensstandard neutral.
- Die Steuereinnahmen würden nur 2021 den Effekt reduzierter Treibstoffverkäufe kompensieren. Ab 2022 würde der Staat insgesamt leichte Verluste machen, wegen zusätzlicher Verluste auf Tabakwarenverkauf und sozialen Ausgleichmaßnahmen.
Abbildung: Die Grafik zeigt verschiedene Szenarien, wie Treibhausgasemissionen in Luxemburg sich entwickeln könnten. Die dunkle blaue Linie zeigt die reellen Emissionen bis 2020. Die dunkelblaue gestrichelte Linie zeigt die Projektion der Emissionen bis 2023, wenn keine CO2-Steuer eingeführt wird; die hellblaue Linie zeigt die Projektion der Emissionen mit einer CO2-Steuer. Die orangenfarbene Linie zeigt den Weg, den wir einschlagen müßten, wenn wir unsere Klimaziele von 55% Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 erreichen wollten. Grafik: STATEC
Der Impakt der CO2-Steuer hängt auch nicht allein von Luxemburg ab, sondern auch davon, was in anderen Ländern geschieht. So haben die Forscher des STATEC in ihren Modellrechnungen zur wirtschaftlichen Situation in Luxemburg – aus denen inzwischen auch standardmäßig Emissionsprognosen kommen - auch die CO2-Besteuerung in anderen europäischen Ländern wie Deutschland, Belgien und Frankreich berücksichtigt. Ihr Fazit: ausländische CO2 Steuern erhöhen wiederrum die Attraktivität von luxemburgischen Kraftstoffpreisen, so dass der Rückgang von Verkäufen (und Emissionen) umso geringer ausfällt.
Diese Berechnungen der Wissenschaftler basieren auf der Annahme, dass das Wirtschaftswachstum 2021 wieder in die Gänge kommt. Und sie berechnen die Zahlen auch immer wieder neu, je nachdem wie die Situation sich entwickelt.
Insgesamt zeigt die Analyse des STATEC jedoch, dass die CO2-Steuer allein nicht reichen wird, um Luxemburgs Klimaschutzziele zu erreichen (siehe Infobox). Am Ende reicht auch nicht eine Pandemie, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, sondern es braucht zudem politischen Willen und umweltbewusstes Verhalten jedes Einzelnen.
Author: Tim Haarmann
Editor: Michèle Weber (FNR)
Infoboxen: STATEC