FNR Attract Fellow Emma Schymanski

Emma, ist die Umwelt heute chemikalienbelasteter als vor 30 Jahren?

Es stimmt, dass vor 30 Jahren noch weniger Chemikalien im Umlauf waren – dafür generell in höheren Konzentrationen. Da hat man dann, zumindest in den reichen Industrieländern gegengesteuert. Heute sind wir einer anderen Gefahr ausgesetzt: Mehr und mehr Chemikalien in geringen Konzentrationen, die uns aber ständig umgeben und denen wir permanent ausgesetzt sind. Wir beschreiben dies mit dem Begriff des „Exposoms“.

Was ist das, ein „Exposom“?

Wir meinen damit alle Umweltfaktoren, die unsere Gesundheit beeinflussen und haben den Begriff dem „Genom“ entlehnt, also der Gesamtheit aller vererbbaren Informationen. Das Exposom ist eine Kombination aus äußeren Faktoren wie Chemikalien in der Luft, im Wasser oder in der Nahrung und aus inneren Komponenten, die unser Organismus als Reaktion auf verschiedene Belastungen produziert.

Wie erforschst Du das Exposom?

Wir nutzen zum einen die sogenannte Massenspektrometrie , mit der wir zehntausende chemischer Verbindungen analysieren können. Diese gleichen wir dann mit Datenbanken, z.B. MassBank ab, um herauszufinden, um welche Substanzen es sich handelt, die wir im Labor gemessen haben. So erhalten wir heutzutage viel mehr Informationen als noch vor einigen Jahren, als die Umweltbehörden sich allein auf ungefähr vierzig schädliche Substanzen konzentriert haben.

Die Kombination der Substanzen ist also verantwortlich für deren Gefährlichkeit?

Genau. Aus dem Gesamtcocktail von Stoffen ergibt sich ein kombiniertes Risiko, was wir untersuchen. 

Wie genau lassen sich die Stoffquellen durch eine Analyse eingrenzen?

Sowohl zeitlich als auch räumlich heutzutage ausgesprochen genau: Wenn wir Klärwasser analysieren können wir etwa feststellen, dass im Frühjahr vermehrt Rückstände von Allergiemedikamenten vorkommen, im Sommer Pestizide aus der Landwirtschaft und im Winter Antidepressiva. Auch auf kleineren zeitlichen Skalen sehen wir Unterschiede: Am Wochenende finden sich mehr Rückstände von Partydrogen. Und sehr langfristig gesehen wird unser Wasser immer süßer: Rückstände von Süßstoffen aus Lebensmitteln reichern sich immer mehr an. 

Wie sieht Deine konkrete Arbeit aus?

Ehrlich gesagt sitze ich die meiste Zeit vorm Laptop. Meine Forschungsgruppe besteht aus Analytikern und Computerwissenschaftlern. Wir messen die Substanzen mittels Massenspektrometrie und erhalten so „Fingerabdrücke“ der Chemikalien“. Dann beginnt eine Datenbanksuche, die ich als Informatikerin optimiere. Wir legen große Wert auf Open Science, d.h., wir ergänzen auch Öffentliche Datenbanken wo möglich (z.B. MassBank), um alle Wissenschaftler zu unterstützen.

Du bist dafür extra aus Australien nach Luxemburg gekommen. Warum?

Das hat sich über lange Zeit ergeben. Ich habe meinen Mann während eines Austausches in Deutschland kennengelernt und meine Doktorarbeit dann in Deutschland geschrieben. Unser Sohn wurde in Deutschland geboren. Neben diesen persönlichen Gründen ist meine Forschung hier auch weit besser machbar, als in Australien. Mit der Attract-Förderung des FNR kann ich mich meiner Arbeit mit einer eigenen Forschungsgruppe von elf Personen hier ideal widmen und genieße den engen Kontakt zu vielen weiteren Forschenden, was in dieser Form nur in Europa möglich ist.

Text: Tim Haarmann
Photo: Emma Schymanski

Infobox

Kurzlebenslauf

Assoc. Prof. Emma Schymanski ist FNR-Attract-Fellow an der Universität Luxemburg. Die gebürtige Australierin ist Chemieinformatikerin und war vor Ihrer Arbeit in Luxemburg am UFZ in Leipzig und am Eawag in der Schweiz tätig.

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