Der Schwerpunkt Deiner Arbeit liegt auf der Lebenszyklusanalyse (LCA) von Produkten. Was ist das?
Es handelt sich um eine Methode zur Quantifizierung aller Umweltauswirkungen eines Produkts. Man kennt zum Beispiel den "Kohlenstoff-Fußabdruck", d.h. alle Emissionen die entlang des Lebenszyklus eines Produkts entstehen und die zum Klimawandel beitragen. Bei der Ökobilanz betrachten wir nicht nur die Treibhausgasemissionen, sondern auch andere Umweltauswirkungen, wie beispielswiese den Wasserverbrauch, den Verbrauch von Ressourcen, die Luftverschmutzung oder die Verschlechterung der Bodenqualität.
Kannst Du konkrete Beispiele nennen?
Zum Beispiel betrachten wir die Auswirkungen von Abwasser. Kläranlagen sind nicht dafür ausgelegt, Arzneimittel zu entfernen, und viele davon werden daher in die Umwelt freigesetzt. Die damit verbundenen Auswirkungen sind in den derzeitigen Ökobilanzmethoden nicht abgebildet. Wir haben an Forschungsprojekten gearbeitet, um dies zu tun und die Entwicklung effizienter Behandlungsprozesse weiter zu unterstützen. Im Bereich der Landwirtschaft habe ich die Vor- und Nachteile der Energieerzeugung mit landwirtschaftlichen Produkten untersucht: Wenn man Biogas produziert, kann die Ökobilanz Auskunft darüber geben, welche Umweltauswirkungen die Verwendung verschiedener Pflanzenarten hat. Die Ökobilanz kann auch in den Blick nehmen, wie es sich um die Konkurrenz zwischen solchen Nutzpflanzen und Pflanzen für die Produktion von Nahrungsmitteln verhält, wenn man sich die Landnutzung und den Verbrauch von Fläche anschaut.
Wie entscheidest Du, welche Produkte Du auf ihre Umweltauswirkungen hin untersuchst?
Wir arbeiten oft in Projekten mit der Industrie zusammen, die eine LCA-Studie durchführen muss, bevor ein Produkt auf den Markt kommt - um mögliche Nebeneffekte vorauszusehen und um zu verstehen, ob diese neue Technologie oder dieses neue Produkt für die Umwelt vorteilhaft oder schädlich sein wird.
Könnte es sich hierbei nicht um ein „Greenwashing“ der Industrie handeln?
Natürlich ist es schwierig zu wissen, was die wirklichen Absichten der Industrie sind. Wir als Wissenschaftler folgen jedoch klaren und transparenten Standards und veröffentlichen die Ergebnisse und Einschränkungen unserer Arbeit, so dass ich kein großes Risiko für Greenwashing sehe.
Vermutlich müssen für ein bestimmtes Produkt viele Aspekte berücksichtigt werden. Wie gehst Du mit methodischen Unsicherheiten um?
Das ist ein wichtiger Aspekt. Wir leben in einer globalisierten Welt, und die Produktionsketten sind sehr komplex. Für Europa haben wir recht gute Daten, aber für die Entwicklungsländer ist das sehr viel komplexer. Wenn Daten fehlen, müssen wir geschätzte Annahmen treffen – über diese berichten wir dann und diskutieren die Unsicherheiten transparent.
Hat Deine Arbeit Auswirkungen auf die Politik und die Hersteller?
Zumindest schafft sie ein größeres Bewusstsein. Manchmal, wenn man mit einem Verfahrenstechniker spricht, denkt dieser zuerst über technische und wirtschaftliche Kriterien nach, um die Produktion hinsichtlich geringerer Kosten zu optimieren. Unsere Aufgabe ist es, dem Techniker dann zu sagen, dass er auch die Umweltkriterien mit einbeziehen sollte. Manchmal kann eine teurere Lösung umweltfreundlicher sein, aber diese Investition mag gerechtfertigt sein, um die Gesamtnachhaltigkeit des Prozesses auf lange Sicht zu verbessern. Ich organisiere auch Veranstaltungen für die breitere Öffentlichkeit, um besser zu vermitteln, was die Umweltauswirkungen sind und was wir als Bürger in unserem täglichen Leben tun können.
Würdest Du empfehlen, bestimmte umweltschädliche Produkte zu vermeiden?
Nein, es gibt keine spezielle schwarze Liste, da alles, was wir konsumieren, eine Menge indirekter Auswirkungen hat. Um den persönlichen Kohlenstoff-Fußabdruck gering zu halten, würde ich empfehlen, sich auf Energie (z.B. weniger heizen), Verkehr und Lebensmittel (z.B. Verringerung des Fleischkonsums) zu konzentrieren. Im Sinne eines umweltverantwortlichen Verhaltens ist es vor allem wichtig, den Gesamtverbrauch zu begrenzen, Dinge zu reparieren oder gebrauchte Produkte zu verwenden.
Text: Tim Haarmann
Photo: Elorri Igos
Infobox
Dr. Elorri Igos ist Umweltforscherin am Luxemburger Institut für Wissenschaft und Technologie (LIST). Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Ökobilanzierung, die auch das Thema ihrer Doktorarbeit war, die sie im Jahr 2016 an der Universität Trier anfertigte.