Visuomotorische Reaktionen

Thorben Hülsdünker

Elektrische Ströme im Gehirn und in den Muskeln messen Reaktionszeit.

Aufgrund der hohen Ballgeschwindigkeiten und der kurzen Distanz zwischen den Spielern, liegen die Reaktionszeiten im Tischtennis bei nur wenigen hundert Millisekunden. Entsprechend müssen visuelle Signale innerhalb kürzester Zeit in motorische Aktionen umgesetzt werden. Dieser Prozess wird auch als Visuomotorik bezeichnet.

Das Gehirn verbindet Auge und Hand

Die Reaktionszeit beschreibt die Zeit zwischen der Wahrnehmung einer sensorischen Information und dem Beginn der motorischen Reaktion. Im Tischtennis wäre dies Beispielsweise das Erkennen der Ballflugbahn und das Einleiten einer Schlagbewegung. Je nach Aufgabe, können diese Prozesse innerhalb von ca. 200 ms ablaufen. Dabei werden die Informationen zunächst über das Auge aufgenommen und an das visuelle System im Gehirn weitergeleitet. Motorische Systeme übernehmen im Anschluss die Auswahl einer motorischen Antwort sowie deren Ausführung.

Das visuelle System im Gehirn von Sportlern bestimmt die Reaktionszeit

Insbesondere im Tischtennis sind schnelle visuomotorische Reaktionen eine entscheidende Voraussetzung für sportlichen Erfolg. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Tischtennisspieler deutlich schneller reagieren können als Nichtsportler. Trotzdem bestehen auch zwischen einzelnen Spielern sehr große Unterschiede in der Reaktionsgeschwindigkeit. Forscher der LUNEX International University of Health, Exercise and Sports in Differdingen haben jetzt herausgefunden, dass diese Unterschiede in der Reaktionszeit vor allem auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit visueller Information im Gehirn zurückzuführen sind. Bis zu 90% der Varianz in der Reaktionschnelligkeit zwischen den Athleten konnte über die visuellen Prozesse erklärt werden. Im Gegensatz dazu scheint die Geschwindigkeit des motorischen Systems eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.

Diese Erkenntnis unterstützt die Ergebnisse einer vorangegangenen Studie mit Badmintonspielern. In dieser ersten Studie konnten über 64% der Reaktionszeitunterschiede über Differenzen in der visuellen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit erklärt werden.

Was heißt das für das Training der Athleten?

Die Abhängigkeit visuomotorischer Reaktionen von der Geschwindigkeit neuronaler und vor allem visueller Prozesse  unterstreicht die Relevanz des Gehirns für die sportliche Leistung. Entsprechend bietet das Training spezifischer neurophysiologischer (z.B. visueller) Prozesse enormes Potential für Verbesserung der sportlichen Leistung. Erste Ansätze mit Shutterbrillen zeigen auf diesem Gebiet bereits vielversprechende Ergebnisse und werden aktuell in einer größer angelegten Studie mit Badmintonspielern weiter untersucht.

Ein zweiter entscheidender Punkt ist die Individualisierung des Trainings. Durch die Analyse der Prozesse im Gehirn ergibt sich für jeden Sportler ein sehr viel detaillierteres Bild der persönlichen Stärken und Schwächen als dies mit einfachen Reaktionstests möglich ist. Ausgehend von diesen Informationen, kann das Training daher sehr viel präziser auf die individuellen Bedürfnisse des Athleten zugeschnitten und dadurch optimiert werden.

Wie sind die Wissenschaftler vorgegangen?

37 Nachwuchsspieler im Tischtennis (Alter: 14 Jahre, Trainingserfahrung: 7 Jahre, Trainingsumfang: 19h/Woche) aus 25 Nationen wurden an 2 ein-wöchigen Lehrgängen am nationalen Sportinstitut (INS) untersucht. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Luxemburgischen Tischtennisverband (FLTT), dem China Table Tennis College Europe (CTTCE), der International Table Tennis Federation (ITTF) sowie der European Table Tennis Union (ETTU) durchgeführt. Auf einem Bildschirm wurden konzentrische Kreise präsentiert, die sich in zufälligen Abständen begannen zu bewegen. Sobald die Athleten die Bewegung der Kreise wahrnahmen, sollten sie schnellstmöglich eine Taste drücken. Die visuellen Stimuli sorgen für eine spezifische Aktivierung des sogenannten Areals MT, einer visuellen Region im Gehirn die insbesondere für die Wahrnehmung und Verarbeitung visueller Bewegungsinformationen verantwortlich ist. Gleichzeitig kommt es durch den Tastendruck zu einer Aktivierung motorischer Areale. Es zeigte sich, dass Athleten deren Areal MT schneller aktiviert wurde auch schneller die Taste drückten. Im Gegensatz dazu war die Geschwindigkeit der Aktivierung motorischer Regionen nicht für die Reaktionszeit entscheidend. Diese Ergebnisse wurden zuvor bereits bei Badmintonspielern beobachtet und unterstreichen die Bedeutung des visueller Prozesse im Gehirn.

Elektrische Ströme im Gehirn und in den Muskeln messen Reaktionszeit

Während die Athleten diese Aufgabe lösten, wurden ihre Gehirnströme über ein Elektroenzephalogramm (EEG) an 64 Positionen des Kopfes und mit 1000 Messungen pro Sekunde aufgezeichnet. Dies ermöglicht es, Aktivitätsänderungen in unterschiedlichen Arealen des Gehirns (z.B. visuellen und motorischen Systemen) innerhalb von Millisekunden zu untersuchen. Aus den Daten wurde anschließend ermittelt, wie lange die visuellen und motorischen Systeme für die Verarbeitung der Informationen benötigten.

Neben der Gehirnaktivität wurde die initiale Aktivierung der Muskulatur mittels Elektromyografie (EMG) bestimmt. Das EMG misst die elektrische Muskelaktivität und erlaubt es, die Zeitspanne zwischen Auftreten der Stimuli (Bewegung der Kreise) und Reaktion des Athleten (Aktivierung des Muskels) zu messen.

Transfer bisheriger Tests in realistische Spielsituationen

Anzumerken ist, dass für EEG-Messungen ruhige Umgebungsbedingungen und standardisierte Stimuli erforderlich sind. Diese lassen sich über das angewandte Versuchsdesign erreichen, spiegeln aber nur bedingt die tatsächlichen Gegebenheiten in einer tischtennisspezifischen Spielsituation wider. Daher wird es zukünftig ein Ziel sein, experimentelle Protokolle aus der Laborsituation auf sportartspezifische Settings zu übertragen und deren Validität in realitätsnahen Situationen zu ermitteln.

Autor: Thorben Hülsdünker (LUNEX University)
Editor: Michelle Schaltz (FNR)

Auch interessant

Olympesch Summerspiller zu Tokio Wéi vill Sport ass gutt fir eise Kierper?

Den 23. Juli fänken d'Olympesch Spiller a Japan un. Fir eng Medail ginn d'Athleten un hir Grenzen. Wat bedeit dat fir de...

FNR
Warscheinlechkeete fir e Gol Statistik Eelefmeterschéissen: besser uewen, ënnen, lénks oder an d'Mëtt?

Wéi grouss ass d'Warscheinlechkeet, datt de Ball erageet, je nodeems wéi een en Eelefmeter schéisst? Et gëtt och en Ënne...

FNR
Mr Science Wéi kann ee seng Reaktiounszäit verbesseren?

De Mr Science vergläicht seng Reaktiounszäit mat där vun der Spëtzen-Dëschtennisspillerin Sarah de Nutte a weist wéi een...

FNR

Auch in dieser Rubrik

Handy in Schule
Screentime Smartphone-Verbot in Schulen: Was ist der Stand der Wissenschaft?

Sollen Sekundarschulen Handys in Klassenraum und Pausenhof verbieten oder nicht? Das diskutieren Eltern, Lehrer, Schüler und Politik in Luxemburg und weltweit. Ein Blick auf den Stand der Forschung.

Demenzerkrankungen Alzheimer: Wo steht die Wissenschaft?

Sie beginnt schleichend und ist bisher nicht heilbar: die Alzheimer-Krankheit. Prof. Dr. Michael Heneka, Direktor des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine, über Forschungsstand und Therapien.

Nobel Prize in Medicine 2024 Research in Luxembourg on the topic of microRNAs

Dr. Yvan Devaux from LIH works on the theme of the Nobel Prize awarded today to two American researchers for their work on microRNAs. He explains the importance of the discovery and his own research....

LIH
Sportwissenschaft Wie können Spitzensportler ihre Leistung steigern?

Es geht auch ohne verbotene leistungssteigernde Medikamente – z. B. mit Hitze, Kälte und Höhe. Frédéric Margue erklärt, wie ein Team am LIHPS Spitzensportler aus Luxemburg unterstützt.