frail old man and young man

shotshop.com

Gebrechlichkeit („Frailty“) ist ein im Wesentlichen altersbedingter Zustand herabgesetzter Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit.

Keine schönen Aussichten fürs Alter: Eine neue Studie hat ergeben, dass Diabetiker, die älter als 60 Jahre sind, gebrechlicher sind als Nicht-Diabetiker. Außerdem: die Gebrechlichkeit bei Diabetikern nimmt schneller zu als bei Nicht- Diabetikern. Demnach würden an Diabetes leidende Patienten schneller altern.  

Gebrechlichkeit („Frailty“) ist ein im Wesentlichen altersbedingter Zustand herabgesetzter Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit. Sie wirkt sich unter anderem auf Haltung und Gleichgewicht älterer Menschen aus und erhöht das Sturzrisiko.

Die Studie wurde vom Luxembourg Institute of Health (LIH) in Zusammenarbeit mit internationalen Forschungsteams durchgeführt.

In Luxemburg sind etwa 5 % der Bevölkerung Diabetiker, und ein Viertel weist Anzeichen von Prädiabetes auf. Dabei sind es oft ältere Menschen, die an Diabetes erkranken (siehe Infobox am Ende des Artikels für mehr Details).

„Einfach ausgedrückt, lässt uns Diabetes um 12 Jahre altern!“

Das LIH hat kürzlich die Daten einer großen englischen Kohorte mit dem Ziel ausgewertet, die Folgen chronischer Krankheiten auf das Altern besser zu verstehen. Die Ergebnisse zeigen, dass Diabetes und Gebrechlichkeit zusammenhängen: Ein Diabetiker ist im Durchschnitt gebrechlicher als ein gleich alter Nicht-Diabetiker.

Zu Beginn der Studie waren 12 % der Teilnehmer Diabetiker, und 35 % wurden als „gebrechlich“ betrachtet. Die Teilnehmer wurden anschließend über einen Zeitraum von 10 Jahren beobachtet. Die Forscher haben festgestellt, dass die Gebrechlichkeit bei Diabetikern schneller zunahm als bei Nicht- Diabetikern, und dies unabhängig vom Grad ihrer Gebrechlichkeit zu Beginn der Studie. Ein 60 Jahre alter  Diabetiker  hat somit einen  gleich  hohen  Frailty-Index wie ein  72 Jahre  alter  Nicht-Diabetiker.

„Einfach ausgedrückt, lässt uns Diabetes um 12 Jahre altern!“, erklärt Dr. Gloria Aguayo, die als Forscherin die Studie am LIH leitete. „Diabetes erhöht das Risiko einer raschen Verschlechterung unserer Gesundheit. Wir werden früher gebrechlich, d. h. wir haben dann ein höheres Risiko für Stürze, die zu Verletzungen oder Frakturen führen, können früher unsere Selbständigkeit verlieren oder müssen sogar ins Krankenhaus.“

Auch Prädiabetes ist betroffen

Noch erstaunlicher ist, dass die Studie auch eine Verbindung zwischen Prädiabetes und Gebrechlichkeit nachgewiesen hat. Prädiabetes kann durch Messung des glykierten Hämoglobins HbA1c im Blut festgestellt werden. HbA1c ist ein Marker, mit dem die Blutzuckerwerte über mehrere Monate beurteilt werden können.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich Menschen mit leicht erhöhten HbA1c-Werten zu Beginn der Studie schneller in Richtung Gebrechlichkeit entwickelten als Menschen mit einem normalen Wert. Dieses Ergebnis ist von besonderer Bedeutung und unterstreicht, wie wichtig es ist, sich so früh wie möglich um erhöhte Blutzuckerwerte zu kümmern.

Weiterer Forschungsbedarf bei den Ursachen

Diese Beobachtungen könnten darauf hindeuten, dass die Komplikationen von Diabetes bei den Verläufen zunehmender Gebrechlichkeit eine Rolle spielen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass gemeinsame frühere Determinanten zur Entwicklung von Diabetes und zum Gebrechlichkeitsrisiko später im Leben beitragen.

Künftige Forschungen müssten die Ursachen und die Mechanismen des Zusammenhangs zwischen Diabetes (oder Prädiabetes) und Gebrechlichkeit untersuchen. Derzeit kann auch die Möglichkeit des umgekehrten Phänomens – dass Gebrechlichkeit ein Faktor für die Entwicklung von Diabetes sein könnte – nicht ausgeschlossen werden.

Das Fortschreiten der Gebrechlichkeit verlangsamen

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Relevanz der frühzeitigen Erkennung von Diabetes, um einem beschleunigten Fortschreiten der Gebrechlichkeit bei älteren Menschen vorzubeugen. „Unsere Forschungen deuten darauf hin, dass Diabetes und die Anzeichen von Prädiabetes Auswirkungen auf die Gebrechlichkeit von Menschen über 60 haben“, erklärt Dr. Aguayo.

„In einer alternden Bevölkerung ist es besonders wichtig, dass Stoffwechselstörungen möglichst früh diagnostiziert werden, um Komplikationen vorzubeugen. Zudem könnte die Bevölkerung durch verstärkte Präventionsmaßnahmen für eine bessere Lebensweise mit gesünderer Ernährung und mehr Bewegung sensibilisiert werden und so ihre Chancen auf ein gesundes Altern erhöhen“, so Dr. Aguayo.  

Methodik der Studie

Die vorliegende Studie wurde  mit  den  Daten  von  rund  5.400 Personen  im  Alter  von  mindestens 60 Jahren aus der English Longitudinal Study of Ageing (englische Längsschnittstudie des Alterns) durchgeführt.

Die Teilnehmer wurden aufgefordert, in einem Zeitraum von 10 Jahren    zwischen 2004 und 2015 alle zwei Jahre einen 36 Punkte umfassenden Fragebogen zum Zustand ihrer Gebrechlichkeit zu beantworten.

Außerdem wurden sie alle vier Jahre durch medizinisches Personal untersucht, wobei Tests der körperlichen Fähigkeiten durchgeführt und Blut abgenommen wurde. Aus allen gewonnenen Informationen konnte für jede Person ein Frailty-Index zwischen 0 und 1 bestimmt werden. Ein Index von 0,2 wurde als Schwelle für Gebrechlichkeit betrachtet.

Internationale Zusammenarbeit

Für dieses Forschungsprojekt haben die Spezialisten für Epidemiologie und Statistik des Department of Population Health am LIH eng mit Forschern der Universitäten von Aarhus (Dänemark), Lüttich (Belgien), Western Ontario (Kanada) und des INSERM in Paris (Frankreich) zusammengearbeitet.

Veröffentlichung

Die Ergebnisse der Studie wurden im Juli 2019 in Diabetes Care, einer renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschrift auf dem Gebiet der Diabetesforschung, veröffentlicht unter der Referenz:

Prospective Association Among Diabetes Diagnosis, HbA1c, Glycemia and Frailty Trajectories in an Elderly Population. G. A. Aguayo, A. Hulman, M. Vaillant, A-F. Donneau, A. Schritz, S. Stranges, L. Malisoux, L. Huiart, M. Guillaume, S. Sabia, D. R. Witte. Diabetes Care, July 2019.

https://doi.org/10.2337/dc19-0497

Autor: LIH
Editor: Michèle Weber (FNR)

Infobox

Diabetes bereitet Sorgen - in Luxemburg und weltweit

Laut der Gesundheitserhebung European Health Examination Survey, die in Luxemburg zwischen 2013 und 2015 unter mehr als 1.500 Einwohnern durchgeführt wurde, sind etwa 5 % der Bevölkerung Diabetiker, und ein Viertel weist Anzeichen von Prädiabetes auf. Männer sind von der Störung des Zuckerstoffwechsels stärker betroffen als Frauen. Unter den 55- bis 64-Jährigen sind 18,5 % Diabetiker.

Die Lebenserwartung der Weltbevölkerung steigt immer weiter an. Nach den Statistiken der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird 2050 etwa ein Drittel der Bevölkerung in Europa älter als 60 Jahre sein. Da vor allem ältere Menschen an Diabetes erkranken, nimmt auch der Anteil der von Diabetes (und den mit ihr verbundenen Komplikationen) Betroffenen zu.

Kontakt

Wissenschaftlicher Kontakt: Dr Gloria Aguayo

Department of Population Health Luxembourg Institute of Health

E-mail: gloria.aguayo@lih.lu

Interviews auf Anfrage bei der Kommunikationsabteilung

 

Pressekontakt: Juliette Pertuy

Communication Manager Luxembourg Institute of Health Tel: +352 26970-893

E-mail: juliette.pertuy@lih.lu

Auch interessant

Gewiichtsmanagement “Ofhuelsprëtz”: Wonnermëttel fir ofzehuelen oder Risiko fir d’Gesondheet?

E Medikament wat eigentlech fir Typ-2 Diabetiker entwéckelt gouf, gëtt ëmmer méi als Mëttel benotzt fir ofzehuelen. Mee ...

FNR
Rudi Balling im Jetlag Was passiert, wenn die innere biologische Uhr durcheinander gerät

Jetlag und auch Nachtarbeit führen zu starken Änderungen des Schlaf-Wachrhythmus. Wenn wir regelmässig diesen Rhythmus d...

Der Geist ist willig... Nutzen Smart Devices bei der Krankheitsvorsorge?

Die meisten Menschen werden schwach, wenn sie vor der Burger-Bude stehen. Nur 10 Prozent aller Menschen, die es nötig hä...

Auch in dieser Rubrik

Handy in Schule
Screentime Smartphone-Verbot in Schulen: Was ist der Stand der Wissenschaft?

Sollen Sekundarschulen Handys in Klassenraum und Pausenhof verbieten oder nicht? Das diskutieren Eltern, Lehrer, Schüler und Politik in Luxemburg und weltweit. Ein Blick auf den Stand der Forschung.

Demenzerkrankungen Alzheimer: Wo steht die Wissenschaft?

Sie beginnt schleichend und ist bisher nicht heilbar: die Alzheimer-Krankheit. Prof. Dr. Michael Heneka, Direktor des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine, über Forschungsstand und Therapien.

Nobel Prize in Medicine 2024 Research in Luxembourg on the topic of microRNAs

Dr. Yvan Devaux from LIH works on the theme of the Nobel Prize awarded today to two American researchers for their work on microRNAs. He explains the importance of the discovery and his own research....

LIH
Sportwissenschaft Wie können Spitzensportler ihre Leistung steigern?

Es geht auch ohne verbotene leistungssteigernde Medikamente – z. B. mit Hitze, Kälte und Höhe. Frédéric Margue erklärt, wie ein Team am LIHPS Spitzensportler aus Luxemburg unterstützt.