(C) Uwe Hentschel

An dieser Stelle kamen die Reste der alten Kapelle zum Vorschein.

Von der Straße aus betrachtet ist es nur ein Baustellenloch. Eines von vielen im luxemburgischen Stadtgebiet. Und doch ist dieses Loch etwas Besonderes. Denn wer an dieser Stelle in die Erde blickt, sieht etwas Altes. Und gleichzeitig auch etwas völlig Neues. Denn das, was dort zum Vorschein kommt, ist zwar schon einige hundert Jahre alt, bringt der Archäologie aber völlig neue Erkenntnisse.

Die Überreste der ab 1624 errichteten Glacis-Kapelle, die vor wenigen Tagen bei Arbeiten zum Bau der Tram an der Kreuzung von Avenue de la Faïencerie und  Allée des Déportés zum Vorschein kamen, decken sich nämlich nicht mit den historischen Grundriss-Planzeichnungen von 1920. Was daran liegt, dass die Mauerreste schon längst unter der Erde lagen, als dieser Plan gezeichnet wurde. „Der Plan wurde damals so exakt, wie es damals eben möglich war, erstellt“, sagt Archäologin Christiane Bis vom Centre national de recherche archéologique (CNRA). Höchste Zeit also, diesen Plan zu aktualisieren.

3D Laserscanner: Daten werden horizontal und vertikal erfasst und anschließend in dreidimensionales Koordinatensystem übertragen

Das Team des CNRA hat es dabei heute deutlich einfacher als die Kollegen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Denn die freigelegten Überreste müssen nicht mehr von Hand ausgemessen und gezeichnet werden, sondern sie werden mit Hilfe eines 3D-Laserscanners komplett abgetastet. Das geht deutlich schneller und ist zudem auch viel genauer, weil der Laser sowohl die horizontalen als auch die vertikalen Daten erfasst. Und diese Daten lassen sich dann in ein dreidimensionales Koordinatensystem übertragen.

Ein weiterer Vorteil sei der, dass die Archäologen sich die 3D-Aufnahmen dann später in aller Ruhe am Bildschirm anschauen könnten, erklärt Bis. Was allein schon deshalb wichtig ist, weil den Archäologen diese Zeit vor Ort fehlt. Schließlich ist der Fundort eine Baustelle, an der es weitergehen muss. Sobald das CNRA mit seiner Arbeit fertig ist und die Bauarbeiten im Erdreich abgeschlossen sind, werden die freigelegten Reste der vor mehr als 200 Jahren zerstörten Wallfahrtskapelle wieder zugeschüttet.

Die wichtigsten Informationen werden gesichert

„Realität ist das, was wir Archäologen freilegen“, sagt Bis. Dass jetzt ein Teil dieser Realität wieder unter der Erde verschwindet, ist aus archäologischer Sicht zwar bedauerlich, doch Dank der 3D-Aufnahmen bleibt das Freigelegte und wieder Zugeschüttete für die Wissenschaft erhalten.

„Grundsätzlich gäbe es natürlich die Möglichkeit, aus denkmalpflegerischen Gründen der Öffentlichkeit einen Teil der Anlage zugänglich zu machen“, erklärt die Archäologin. Eine solche Maßnahme sei jedoch auch immer mit viel Aufwand verbunden. Um die Überreste für die Nachwelt zu erhalten, sei es eigentlich das einfachste, die Mauern wieder mit Sand zuzuschütten, erklärt sie. Durch den 3D-Scan und der damit verbundenen Lokalisierung habe die Wissenschaft die wichtigsten Informationen ohnehin dauerhaft gesichert.

Kapelle war bedeutende Pilgerstätte

Allerdings trifft das auch nur auf einen Teil der Kapelle zu. Denn die Archäologen können auch nur das erfassen, was jetzt im Rahmen der Bauarbeiten zum Vorschein kommt. „Wir sind hier an einem sehr neuralgischen Ort mit sehr viel Verkehr“, erklärt Bis. Eine Ausdehnung des Ausgrabungsfelds sei allein schon deshalb unmöglich.

Viel Verkehr war an diesem Ort übrigens auch schon im 17. Jahrhundert, als die Kapelle gerade errichtet worden war. So berichtet die Archäologin von historischen Überlieferungen aus dem Jahr 1630, wonach innerhalb von fünf Monaten 60000 Menschen zur Glacis-Kapelle gepilgert sein sollen. „Für die damalige Zeit war das gewaltig“, sagt sie.

„Wir Archäologen würden natürlich gerne alles freilegen, was hier in der Stadt vergraben liegt“, so die Forscherin. Doch dann läge alles lahm. Zudem wäre das auch gar nicht finanzierbar. Deshalb müssen sich die Archäologen mit dem zufrieden geben, was beim Baggern zum Vorschein kommt. Und da für den Bau der Tramtrasse noch einiges an Erdarbeiten nötig ist, ist Christiane Bis zuversichtlich, dass dies nicht ihre letzte Baustelle in der Innenstadt sein wird.

Autor: Uwe Hentschel

Fotos: Uwe Hentschel

 

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