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Autoren: Kai Dürfeld (Science RELATIONS - Wissenschaftskommunikation), Jean-Paul Bertemes (FNR)
In der Debatte um Nebenwirkungen der Impfstoffe und Impfschäden ist es angebracht, diese ins Verhältnis zu den Schäden von Covid-19 zu setzen. Für unsere Artikelserie haben wir uns deshalb die Frage gestellt: Was passiert, wenn ich mich infiziert habe? Und was, wenn ich mich impfen lasse? Um sich die ganze Sache besser vorstellen zu können, werfen wir nicht mit Prozentangaben und Wahrscheinlichkeiten um uns. Stattdessen stellen wir genau 100.000 Erkrankte (Covid-19) ebenso vielen Geimpften (gegen Covid-19) gegenüber. In diesem Artikel gehen wir darauf ein, was statistisch betrachtet mit 100.000 Covid-19-Erkrankten passiert.
(Hier der Vergleichartikel, Teil 1 der Serie):
Von 100.000 Menschen, die sich mit dem Virus anstecken, haben:
- 17.000 keine Symptome
- 27.000 / 78.000 Fieber
- 40.000 / 57.000 Husten
- 31.000 Müdigkeit
- 22.200 Störungen des Geruchs- und/oder Geschmackssinns
- 29.000 Schnupfen
- 1.000 eine Lungenentzündung
- 4 ein Blutgerinnsel im Gehirn
Beachte: Da ein Erkrankter grundsätzlich mehrere Symptome zeigen kann, übersteigt die Summe der oben genannten Symptome unsere fiktiven 100.000. Sind „von – bis Bereiche“ angegeben, liegt das an der unterschiedlichen Methode, mit der die Daten gesammelt wurden. Während beispielsweise das deutsche Robert Koch Institut die Symptome aller gemeldeten Fälle erfasst, stützt sich eine Übersichtsarbeit auf 148 wissenschaftliche Studien mit insgesamt 24.410 Patienten aus 9 Ländern und eine andere auf 13 Studien aus 9 Ländern mit insgesamt 21.708 Personen.
Wir haben aber auch noch andere Studien gefunden, mit weniger TeilnehmerInnen, dafür aber mit einer detaillierteren Erfassung der Symptome. Weil die Ausgangssituationen nicht die gleichen sind, kann man diese Studien jedoch schlecht miteinander vergleichen. Mehr Infos dazu in der Infobox.
Infobox
Es gibt nicht nur groß angelegte Erfassungen von Krankheitssymptomen und deren Häufigkeit durch die Gesundheitsbehörden oder Übersichtsarbeiten mit mehreren Tausend Personen. Viele kleinere Studien haben darüber hinaus Einblick in besondere Situationen der Pandemie gegeben. So betrachtete eine Untersuchung in Südkorea 213 Personen in einer Gemeinschaftseinrichtung für milde Covid-19 Fälle. Eine andere Studie aus China warf hingegen einen Blick auf 1.099 Patienten in verschiedenen Krankenhäusern des Landes. Bei diesen Studien kamen, aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgangssituation auch sehr abweichende Angaben zur Häufigkeit der Symptomen zustande. Es wurden insgesamt mehr Symptome erfasst. Vor allem wurden aber auch noch zusätzliche Symptome erfasst.
Auf 100.000 Erkrankte gerechnet, zeigten hier beispielsweise:
- 19.200 keine Symptome
- 11.600 / 88.700 Fieber
- 40.000 / 67.800 Husten
- 39.500 Störungen des Geruchs- und/oder Geschmackssinns
- 38.100 Müdigkeit
- 18.700 Kurzatmigkeit
- 14.900 Muskel- oder Gelenkschmerzen
- 13.900 Halsentzündung
- 13.600 Kopfschmerzen
- 11.500 Schüttelfrost
- 3.800 Durchfall
Neben diesen Symptomen kann die Infektion aber auch einen schweren Verlauf nehmen. Es sind diese schweren Verläufe, gepaart mit der Pandemiesituation (viele Menschen, die gleichzeitig erkranken), die das eigentliche Problem für unsere Gesundheitssysteme darstellen. Von 100.000 Menschen, die sich mit dem Virus infizieren, müssen:
- 10.000 im Krankenhaus stationär behandelt werden
- 1.900 beim Atmen unterstützt werden (nicht-invasive Beatmung)
- 1.400 - 1.700 auf der Intensivstation behandelt werden
- 784 - 900 künstlich beatmet werden (invasive Beatmung)
- 200 eine Sauerstoffversorgung außerhalb des Körpers erhalten (extrakorporale Membranoxygenierung – ECMO)
Infobox
Kann sich der Körper nicht mehr selbst mit ausreichend Sauerstoff versorgen, müssen die Betroffenen beatmet werden. Je nach Schweregrad stehen dafür verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Bei der nicht-invasiven Beatmung wird die unter Druck stehende Atemluft über eine Nase-, Nasen-Mund-, Gesichtsmaske oder einen speziellen Helm zugeführt. Die nicht-invasive Beatmung setzt voraus, dass der Patient noch selbstständig Luftholen kann.
Ist das nicht mehr gewährleistet, führt meist kein Weg an einer invasiven Beatmung vorbei. Bei dieser wird ein Tubus in die Luftröhre des Patienten eingeführt. Das birgt allerdings das Risiko, dass es zu Verletzungen der Luftröhre oder zu Infektionen kommen kann.
Bei der extrakorporalen Membranoxygenierung hingegen werden die Atemwege vollständig umgangen. Der lebenswichtige Sauerstoff wird hierbei außerhalb des Körpers ins Blut gebracht und schädliches Kohlendioxid daraus entfernt. Für Luftröhre und Lunge ist das extrem schonend. Allerdings kann es auch hier zu Komplikationen wie etwa Lufteinschlüssen im Blut kommen.
Auch wenn die Chancen in den meisten Fällen gutstehen, überlebt nicht jeder die Begegnung mit dem SARS-CoV-2 Virus. Wie viele Menschen tatsächlich an oder mit Covid-19 versterben, hängt von vielen Faktoren ab. Dazu zählen neben dem Alter und der Krankengeschichte der Betroffenen auch der Zustand und die Belastung des Gesundheitssystems des jeweiligen Landes.
Von 100.000 Menschen, die sich:
- in Italien mit dem Virus infizieren, sind bisher im Durchschnitt 2.985 gestorben
- in Europa mit dem Virus infizieren, sind bisher im Durchschnitt 2.093 gestorben
- auf der Welt mit dem Virus infizieren, sind bisher im Durchschnitt 2.074 gestorben
- in Luxemburg mit dem Virus infizieren, sind bisher im Durchschnitt 1.168 gestorben
- in Dänemark mit dem Virus infizieren, sind bisher im Durchschnitt 939 gestorben
- Deutschland, Frankreich, Schweden, USA, Brasilien, Indien
Region / Land | Einwohner (Stand: 2019) | Bestätigte Infektionen |
Gesamt* |
Pro 100.000 Infektionen* | Pro 100.000 Einwohner* |
Welt | 7.778.630.720 | 162.773.940 | 3.375.573 | 2.074 | 43,4 |
USA | 329.064.917 | 32.605.236 | 580.166 | 1.779 | 176,3 |
Indien | 1.366.417.756 | 24.965.463 | 274.390 | 1.099 | 20,1 |
Brasilien | 211.049.519 | 15.586.534 | 434.715 | 2.789 | 206,0 |
China | 1.433.783.692 | 104.428 | 4.858 | 4.652 | 0,3 |
Europa | 746.000.000 | 53.631.235 | 1.122.769 | 2.093 | 150,5 |
Luxemburg | 615.730 | 69.028 | 806 | 1.168 | 130,9 |
Deutschland | 83.517.046 | 3.598.846 | 86.160 | 2.394 | 103,2 |
Frankreich | 65.129.728 | 5.783.787 | 106.859 | 1.848 | 164,1 |
Großbritannien | 67.530.172 | 4.450.781 | 2.502 | 939 | 43,3 |
Dänemark | 5.771.877 | 266.503 | 2.502 | 939 | 43,3 |
Schweden | 10.036.391 | 1.037.126 | 14.275 | 1.376 | 142,2 |
Italien | 60.100.075 | 4.159.122 | 124.156 | 2.985 | 206,6 |
*an oder mit dem Virus gestorben
Beachte: Bei den Zahlen handelt es sich um die Todesfälle unter den gemeldeten Erkrankten seit Beginn der Pandemie. Tatsächlich kann dieser Wert niedriger liegen, da vor allem in den ersten Monaten je nach Land vor allem Verdachtsfälle auf das Virus getestet wurden. Doch auch die symptomlos verlaufenden Fälle müssen zu den Erkrankungen gezählt werden, lassen sich aber anhand der Meldedaten oftmals nicht nachvollziehen. Dazu haben Wissenschaftler verschiedene Rechenmodelle erschaffen. Danach sterben von 100.000 Erkrankten im Durchschnitt:
- 860 bis 940
Bei den Todesfällen gibt es immer die Diskussion, wie viele tatsächlich an Covid-19 verstorben sind, und nicht bloß mit Covid-19. Hier zeigen Studien, dass tatsächlich zwischen 84 und 87 Prozent obduzierten Menschen ursächlich an Covid-19 versterben. Dabei führten am häufigsten von der Krankheit verursachte Lungenentzündungen oder Thrombosen zum Tod der Patienten. Allerdings werden nicht bei allen Covid-19-Toten Autopsien durchgeführt, sodass sich die Daten oft nur auf eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Untersuchungen stützen. Trotzdem liegen die Ergebnisse verschiedener gerichtsmedizinischer Institute sehr nahe bei den oben genannten Werten.
Beachte: Egal ob gemeldet oder errechnet:
In den meisten Fällen verschwinden die Symptome nach einer überstandenen Covid-19 Erkrankung wieder. Es gibt aber auch Hinweise auf Langzeitfolgen. Von 100.000 Menschen, die sich mit dem Virus anstecken:
- zeigen 13.300 bis 22.100 auch 5 Wochen nach der Infektion noch Symptome
- zeigen 2.300 bis 10.000 auch 12 Wochen nach der Infektion noch Symptome
- zeigen 0 Geimpfte bisher eines der Long Covid Symptome
Langzeitfolgen gibt es übrigens auch bei anderen Viren, wie etwa Polio, Masern, Hepatitis B und C, das Humane Papillomavirus... mehr Infos dazu in der Infobox:
Infobox
Nach überstandener Infektion klagen manche Betroffenen noch Wochen oder gar Monate später über eines oder mehrere Symptome. Am häufigsten wird von chronischer Erschöpfung berichtet – auch Post-COVID-Müdigkeit genannt. Doch auch Schäden an Lunge, Herz, Nieren oder dem Gehirn können auftreten. Solche Spätfolgen fasst der Volksmund unter Long Covid zusammen. Mediziner sprechen eher von Post-Covid-19 oder vom Post-COVID-Syndrom. In wissenschaftlichen Studien wurden bisher vor allem jene Menschen untersucht, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt wurden. Wie verbreitet Long Covid hingegen bei jenen Menschen mit asymptomatischem oder milden Verlauf ist, kann bisher noch nicht eindeutig gesagt werden.
Hierzu ein Kommentar von Prof. Dr. Claude Muller: „Vor allem bei bakteriellen Infektionskrankheiten sind Langzeitwirkungen und Spätschäden bekannt aber auch bei Virusinfektionen sind sie nicht ungewöhnlich. Zum Beispiel Polio. Die auch als Kinderlähmung bekannte Virusinfektion kann sich nach überstandener Erkrankung sogar einige Jahrzehnte als Post-Polio-Syndrom bemerkbar machen. Oder die viralen Formen der Leberentzündung – Hepatitis B und C – können chronische Verläufe haben und lange nach überstandener akuter Phase zu Zirrhose, Leberkarzinom und Leberversagen führen. Das Humane Papillomavirus wiederum, kann als Spätfolge Gebärmutterkrebs auslösen. Und auch Masern können schwerwiegende Spätfolgen haben.“
Anmerkung: Das Risiko für eine schwere Erkrankung oder gar Todesfälle hängt viel vom Alter und/oder von Vorerkrankungen ab. Bei den hier genannten Werten handelt es sich um Durchschnittswerte für eine gesamte Population. Das individuelle Risiko weicht zum Teil stark hiervon ab. Junge Menschen ohne Vorerkrankung z.B. haben im Schnitt ein weitaus geringeres Risiko als alte Menschen mit Vorerkrankung. Für die öffentliche Gesundheit sind die Durchschnittswerte sehr relevant. Schaut man sich die Infektionszahlen an, kann man ungefähr abschätzen, wie stark die Krankenhäuser und Intensivstationen kurz danach belastet werden. Und auch mit ungefähr wie vielen Toten gerechnet werden muss. Zurzeit liegt dieser Wert in Luxemburg (vereinfacht) so, dass von 100 positiv Getesteten, in etwa einer davon später an oder mit Covid-19 sterben wird. Um präzisere Vorhersagen (Neuinfektionen vs spätere schwere Verläufe und Todesfälle) zu machen, spielt aber z.B. das Alter der Infizierten eine wichtige Rolle. Und es ist auch davon auszugehen, dass sich das Verhältnis zwischen Neuinfektionen und Todesfällen in den nächsten Monaten verschieben wird, weil durch Impfungen viele Risikogruppen Schutz vor schweren Verläufen haben.
Infobox
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