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Die in Energiepässen angegebenen Verbrauchswerte für Häuser sind teilweise um mehr als das Doppelte zu hoch beziffert. Laut einer Untersuchung von Ingenieuren der Universität Luxemburg, deren Resultate kürzlich im Fachmagazin „Bauphysik“ veröffentlich wurden, liegt der in Luxemburger Energiepässen angegebene Wert bei Einfamilienhäusern um bis zu 74 Prozent über dem tatsächlichen Verbrauch. Bei Mehrfamilienhäusern beträgt der Unterschied sogar bis zu 103 Prozent.
Seit 2009 müssen in Luxemburg laut EU-Richtlinien Energiepässe für Immobilien ausgestellt werden. Darüber hinaus sieht das nationale Gesetz auch einen Nachtrag des realen Verbrauchs nach drei Jahren verbindlich vor. Die deshalb angestellten Untersuchungen ergaben nun die genannten gravierenden Unterschiede.
Energiepässe von 125 Einfamilienhäusern und 105 Mehrfamilienhäusern ausgewertet
Insgesamt wurden von den Ingenieuren der Universität Energiepässe von 125 Einfamilienhäusern und 105 Mehrfamilienhäusern mit 870 Wohnungen ausgewertet. Als Grundlage für den tatsächlichen Verbrauch in den Pässen diente die innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums durchschnittlich gelieferte Brennstoffmenge – also Öl oder Gas; im Falle einer Energieversorgung über Wärmepumpe wurde auf Stromzählerdaten zurückgegriffen.
Berechnet und verglichen werden konnte so die Endenergie – also die Energie, die wirklich vom jeweiligen Haushalt verbraucht wurde.
Je älter die untersuchten Gebäude, desto größer die Unterschiede
Vor allem im Falle von Altbauten habe der reale Verbrauch deutlich unter den im Energiepass berechneten Werten gelegen, so Professor Dr.-Ing. Stefan Maas von der Universität Luxemburg: „Je älter die von uns untersuchten Gebäude waren, desto größer die Unterschiede.“ Dabei seien mehrere Gründe für diese Unterschiede verantwortlich, so Stefan Maas weiter.
Gründe für die Unterschiede
So baue die Berechnung der Energiepass-Werte in Luxemburg auf einer Methodik auf, die von einer Raumtemperatur von 20° C ausgeht, während die reale Durchschnittstemperatur in Altbauten tiefer liege, teilweise bei ganz schlechtem Isolierstandard lediglich bei 17° C. Ebenso verlieβen sich viele Energiepassaussteller bei anderen Eingabeparametern auf allgemeine Annahmen, die für Altbauten im Mittel nicht zuträfen.
Keine Generalkritik am noch jungen Energiepass, sondern konstruktiver Beitrag auf dem Weg hin zu mehr Realitätsnähe
Deshalb will Stefan Maas die Resultate auch nicht als Generalkritik am noch jungen Energiepass verstanden wissen, sondern vielmehr als konstruktiven Beitrag auf dem Weg hin zu mehr Realitätsnähe: „Die Ergebnisse kamen ja zustande, weil in Luxemburg der tatsächliche Verbrauch nachgetragen werden muss, und dass eröffnet nun die Möglichkeit, die Berechnungs-Methodik an die Gegebenheiten anzupassen.“ Dabei geht Stefan Maas davon aus, dass ähnliche Unterschiede auch in anderen Ländern zutage kämen, sofern es dort ebenfalls eine Nachtragepflicht wie in Luxemburg gäbe: „Die EU-Richtlinien verlangt von jedem Mitgliedsstaat das Auflegen einer dem Energiepass zugrunde liegenden eigenen Berechnungsmethodik. Wahrscheinlich würde auch anderswo die Herangehensweise den Reality Check nur bedingt bestehen.“
Vor diesem Hintergrund wäre es aus Sicht der Ingenieurwissenschaftler wünschenswert, wenn andere Länder sich am Luxemburger Reality Check ein Beispiel nähmen. Schließlich seien Energiepässe europaweit als Beurteilungskriterium für Käufer und Mieter einer Immobilie sowie als Entscheidungsbasis für staatliche Zuschüsse gedacht: „Um diese Rolle zu erfüllen, muss ein Energiepass verlässliche Informationen liefern.“
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Autor: Université du Luxembourg