Elektrofahrzeug

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Es macht bei Elektrofahrzeugen in der Ökobilanz einen großen Unterschied, wo der Strom getankt wird

Anfangs war es vor allem eine Preisfrage, inzwischen ist es auch eine Glaubensfrage: Leistet man mit dem Fahren eines Elektrofahrzeugs aufgrund des Verzichts fossiler Brennstoffe während der Fahrt wirklich einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz? Oder hebt sich dieser Mehrwert aufgrund der energie- und ressourcenintensiven Herstellung der Batterien wieder auf? Ist es also womöglich für das Klima sogar schädlicher, sich ein E-Auto anzuschaffen? 

Die Antwort auf diese Fragen hängt ganz davon ab, welche Fahrzeuge miteinander verglichen werden. Wobei das bei weitem nicht das einzige Kriterium ist, das beachtet werden muss. Welche Faktoren sonst noch eine Rolle spielen, verdeutlicht eine Computer-App, die Thomas Gibon am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) entwickelt hat. 

Am LIST entwickelte Online-App Climobil ermöglicht Vergleich konkreter Fahrzeuge

Auslöser dieses Forschungsprojekts war eine Anfrage im luxemburgischen Parlament vor gut zwei Jahren. Diese bezog sich auf eine damals veröffentlichte und heiß diskutierte Studie, nach welcher der CO2-Ausstoß bei der Herstellung eines Akkus so hoch sei wie der bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor in acht Jahren Laufzeit. Von politischer Bedeutung war diese Studie auch deshalb, weil diese Erkenntnisse möglicherweise Konsequenzen für die angestrebte Förderung der Elektromobilität haben könnten. 

Aus dieser Debatte, zu der das LIST eine Einordnung aktueller Forschungserkenntnisse beigesteuert hat, ist dann die Idee entstanden, ein Tool zu schaffen, mit dem sich Fahrzeuge vergleichen lassen. So wurde auf Grundlage der Ergebnisse zahlreicher Studien die Online-App Climobil entwickelt. Mit Hilfe von Climobil kann der Nutzer konkrete Marken und Modelle sämtlicher Fahrzeughersteller von Autos mit Elektroantrieb sowie Verbrennungsmotor miteinander vergleichen. 

Ökobilanz eines Elektrofahrzeugs von Land zu Land unterschiedlich

Vergleicht man zum Beispiel einen VW Golf 1,6 Liter TDI mit 115 PS (Baujahr 2017) mit einem VW Golf e (Baujahr 2017), so ist die CO2-Bilanz des Diesels zunächst besser. Das ändert sich allerdings zu Gunsten des Elektro-Golfs ab einer Laufleistung von knapp 70000 Kilometern. Beim Golf 1,4 TSI (Baujahr 2017), einem Benziner mit 125 PS, liegt der Wert, bei dem das Verhältnis kippt, bereits bei 61617 Kilometern. Entscheidend ist also die Laufleistung – sollte man meinen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Die App verfügt nämlich über zahlreiche Parameter. Und werden diese der jeweiligen Situation des Nutzers angepasst, wirkt sich das auch auf die CO2-Bilanz des Fahrzeugs aus.  

„Es macht bei Elektrofahrzeugen einen großen Unterschied, aus welchen Energiequellen der Strom erzeugt wird“, erklärt Gibon. Da Luxemburg einen Großteil des Stroms aus Deutschland und nur einen kleinen Teil aus Frankreich importiere, hänge der Strommix in Luxemburg von der Entwicklung in Deutschland ab. Und weil dort seit dem Ausstieg aus der Atomenergie derzeit noch ein Großteil des Stroms aus Kohle produziert werde, sei die Energiebilanz auch in Luxemburg schlechter als im überwiegend mit Atomstrom versorgten Schweden. 

Zukünftige Veränderungen durch Klimapolitik berücksichtigen

Tankt man den Elektro-Golf also ausschließlich mit dem durchschnittlichen Strommix in Schweden, so ist dessen CO2-Bilanz bereits nach rund 50000 Kilometern besser als die des Golf Diesel. Beim durchschnittlichen Strommix in Luxemburg hingegen wird dieser Schwellenwert beim Diesel erst ab einer Laufleistung von knapp 112000 Kilometern erreicht. Und wer im kohlestromintensiven Estland wohnt, für den ist im Schnitt der Verbrennungsmotor immer die bessere Wahl. Selbst bei einer Laufleistung von 300000 Kilometern schneiden sowohl der Benziner also auch der Diesel im Vergleich besser ab.

„Die Treibhausbilanz eines Elektrofahrzeugs kann sich durch zukünftige Veränderungen aber durchaus verbessern", erklärt der Forscher. Wenn der Anteil des Kohlestroms reduziert und dafür der Anteil an sauberer Energie erhöht wird, wirkt sich das während der Laufzeit des E-Autos positiv aus. Und auch das lässt sich mit Hilfe eines Parameters berücksichtigen. Würde Luxemburg also den Anteil des Kohlestroms in den kommenden zehn Jahren um 50 Prozent reduzieren, so wäre der Golf e bereits nach gut 95500 Kilometern sauberer als der Golf Diesel.

Unrealistische Herstellerangaben zu Verbrauchs- und Emissionswerten werden durch Parameter korrigiert

Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, der berücksichtigt wird: „Zwischen den Herstellerangaben und den tatsächlichen Verbrauchs- und Emissionswerten gibt es in der Regel große Unterschiede“, so Gibon. Was auch daran liege, dass die Fahrzeuge im Labor unter optimalsten Bedingungen, also mit nur einem Fahrzeuginsassen, ohne Gepäck, ohne Klimaanlage und sonstige Belastungen getestet würden, fügt er hinzu. 

 „Wir haben deshalb auf Grundlage der Daten von ICCT (International council on clean transportation) einen Parameter integriert, der diesen Unterschied berücksichtigt“, sagt Gibon. Und dieser Unterscheid ist enorm, wie die Daten zeigen. Im Schnitt sind die Werte um 39 Prozent schlechter als vom Hersteller angegeben.  

Klimatische Bedingungen wirken sich auf Energiebedarf des Fahrzeugs aus

Abweichungen von den Herstellerangaben gibt es natürlich auch bei den Elektrofahrzeugen. Und die hängen vor allem von den klimatischen Verhältnissen ab. „Das Nutzen der Heizung und der Klimaanlage kann die Reichweite der Fahrzeuge drastisch reduzieren“, sagt Gibon.  „Deswegen haben wir auch dafür ein Parameter eingerichtet.“ Ebenfalls variieren lässt sich der CO2-Ausstoß bei der Herstellung der Batterien, da diese Werte ebenfalls vom jeweiligen Energiemix abhängen. 

Wie der Forscher erklärt, werde ständig daran gearbeitet, die App weiter zu verbessern. Momentan sind auch nur Fahrzeuge bis Baujahr 2017 aufgelistet. „Wir wollen das noch aktualisieren, müssen dabei aber auch berücksichtigen, dass sich seit der Diesel-Affäre die Testbedingungen geändert haben und die Händlerangaben deswegen inzwischen realistischer sind“, so Gibon. 

In bestimmten Fällen auch nicht egal, wann der Akku geladen wid

Der Forscher ist sich bewusst, dass es kaum möglich ist alle Faktoren mit einfließen zu lassen. „Viele Studien berücksichtigen nicht, dass der Strom aus der Steckdose ein anderer ist als der, der im Kraftwerk produziert wird“, erklärt er. „Man muss also auch beachten, dass die Stromspannung auf dem Weg vom Kraftwerk zum Nutzer mehrfach reduziert wird und dass auf diesem Weg auch Energie verbraucht wird.“ Zudem ist Atomenergie für das Klima zwar besser als Kohlestrom, aber deswegen längst kein Ökostrom. So lässt sich mit Hilfe der Atomkraftwerke Strom zwar CO2-frei produzieren, doch ist der Einsatz von Uran vom Abbau bis zur abschließenden Endlagerung nicht wirklich nachhaltig.

Und dann spielt es laut Gibon nicht nur eine Rolle, wo man eine Ladesäule aufsucht, sondern gegebenenfalls auch noch, wann man das tut. In Deutschland wird zwar vergleichsweise viel Solarenergie erzeugt – das allerdings nur zu bestimmten Tageszeiten und in Abhängigkeit vom Wetter. Je nachdem, wann man den Strom tankt, kann der Anteil der regenerativ erzeugten Energie also höher oder auch geringer sein. Und das wiederum beeinflusst die Ökobilanz des Elektrofahrzeugs.

Zukünftige Entwicklungen

Die Frage ob nun Elektroautos oder aber Autos mit Verbrennungsmotor schädlicher für die Umwelt sind, kann also pauschal gar nicht beantwortet werden. Außerdem kommt ein Punkt hinzu: Wie wird der Vergleich in Zukunft ausfallen?

Geht man davon aus dass immer mehr Menschen Elektroautos kaufen, wird der Markt größer. Auch wird immer weiter an der Elektromobilität geforscht. Die Möglichkeit besteht, dass daraufhin die Entwicklung von E-Autos effizienter wird. Oder dass sich ein Markt entwickelt, um Batterien verstärkt zu recyclen, was dann die CO2-Bilanz bei der Produktion von E-Autos senken würde. Der Vergleich könnte also sehr wahrscheinlich in ein paar Jahren anders ausfallen als heute. 

Diese Argumente beziehen sich nun hauptsächlich auf den CO2-Ausstoß. Natürlich gibt es noch weitere wichtige Aspekte einer neuen Technologie, wie z.B. soziale Auswirkungen auf die Länder, wo die Rohstoffe gewonnen werden, politische Abhängigkeiten, die Luftqualität und Lärmbelästigung in den Städten, nötige Infrastrukturen, u.v.m. Technologien miteinander zu vergleichen ist also vielschichtig und viel hängt davon ab, in welche Richtung sich einzelne Aspekte in den Bereichen Forschung und Innovation., Politik und Gesellschaft entwickeln. 

Autor: Uwe Hentschel
Editor und Co-Autor: Jean-Paul Bertemes

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