Copyright: Shotshop
Seit nun seit heute in Luxemburg zum Schutz gegen Covid-19 geimpft wird, stellt sich für viele Menschen die Frage, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht. Bei dieser Entscheidung ist es wichtig, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwiegen – und dafür ist es wichtig, diese zu kennen und sie einordnen zu können.
In diesem Artikel wollen wir vor allem auf die Risiken eingehen. Bei unserer Umfrage, die wir vor kurzem auf science.lu geschaltet hatten, kam heraus, dass dies das Thema war, das sich die Leser/Teilnehmer am meisten gewünscht haben.
Zuerst befassen wir uns mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer, weil dieser aktuell in Luxemburg eingesetzt wird. Und weil zu diesem bisher auch die meisten Daten vorliegen. Wir gehen zuerst auf häufige Nebenwirkungen ein, dann auf die seltenen Nebenwirkungen und auf Todesfälle die während der klinischen Phase eintraten (unter Einbezug erster Erkenntnisse, seit in den USA und England massenweise geimpft wird) und schliesslich auf die Langzeitfolgen.
Wir gehen hier nicht auf die oftmals geäusserten Bedenken ein, dass der Impfstoff so schnell entwickelt wurde und ob dies auf Kosten der Sicherheit ging. Das hatten wir bereits in diesem Artikel getan:
Die Impfung gegen SARS-CoV-2: Chance oder Risiko?
Wie steht es mit den Chancen gegenüber den Risiken? Wir werden in diesem Artikel viele nackte Zahlen präsentieren. Doch wir wollen diese Zahlen auch etwas in den Kontext setzen.
Die möglichen Chancen einer Covid-19-Impfung sind hauptsächlich die Folgenden:
- Schutz vor Covid-19 bzw. vor schweren Verläufen von Covid-19
- Schutz der Anderen (noch nicht erwiesen)
- Beitrag zur Herdenimmunität bzw. zur Entlastung der Krankenhäuser und somit zur Rückkehr zu mehr Normalität
Die möglichen Risiken demgegenüber sind:
- Nebenwirkungen
- Impfschäden
- Langzeitfolgen
Die amerikanische zuständige Behörde FDA sowie die europäische EMA (Europäische Arzneimittelbehörde) haben den Impfstoff von Biontech/Pfizer zugelassen und zur Anwendung empfohlen. Das heisst, dass nach Analyse der Daten ihre Einschätzung lautet, dass die Chancen die Risiken überwiegen. (Der Moderna-Impfstoff wurde bereits von der FDA zur Notfallzulassung empfohlen. Die EMA will Anfang Januar ihre Entscheidung preisgeben. Die Zulassung vom AstraZeneca/Oxford-Impfstoff steht noch aus.)
Bedeutet dies eine 100%-ige Sicherheit?
Nein. Die gibt es nicht. Bei keinem Impfstoff. Bei keinem Medikament.
Doch Impfungen und Medikamente haben auch einen Nutzen. Es ist eine Abwägung.
Anmerkung: Der Wissensstand in der Corona-Pandemie allgemein und in Bezug auf die Impfungen im Besonderen, kann von Tag zu Tag ändern. Stand der Informationen dieses Artikels: 27. Dezember 2020.
Wie steht es jetzt um die Nebenwirkungen bei den Covid-19 Impfstoffen?
Es deutet darauf hin, dass die Nebenwirkungen häufiger und stärker sind als z.B. beim Grippeimpfstoff. Bei letzterem verspüren die meisten lediglich einen leichten Schmerz an der Einstichstelle, der ein paar Stunden anhält. Die Covid-Impfstoffen haben im Verhältnis dazu etwas stärkere Nebenwirkungen. Diese Nebenwirkungen sind grösstenteils darauf zurückzuführen, dass eine Immunantwort des Körpers stattfindet. Der Körper wehrt sich und das kann z.B. zu lokalen Schmerzen, Kopfweh oder Fieber führen. Im Verhältnis zum Grippeimpfstoff ist die Wirksamkeit jedoch um einiges höher bei den Covid-Impfstoffen, zumindest was die beiden von Biontech/Pfizer und Moderna angeht. Diese haben eine Wirksamkeit zwischen 90 und 95% - im Verhältnis zu geschätzten 40-80% bei gängigen Grippeimpfungen, je nach Saison und Alter. Die Nebenwirkungen der Covid-19 Impfstoffe gelten jedoch, Stand heute, nicht als besorgniserregend. In den meisten Fällen verlaufen sie mild bis moderat, nur bei wenigen Probanden stark. Zu Krankenhausaufenthalten oder Notfallbehandlungen kam es, zumindest in der klinischen Studie von Biontech/Pfizer, nicht.
„Die meisten Menschen werden nach einer Impfung gegen eine Covid-19-Infektion einige unangenehme Nebenwirkungen spüren, aber keine gravierenden“, erklärt Carlos A. Guzmán, Leiter der Abteilung Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig. Dafür erhalten sie laut der derzeitigen Datenlage mit der Impfung einen rund 95-prozentigen Schutz gegen eine Infektion.
Das ist bis jetzt alles noch recht vage. Gehen wir mal im Detail auf alle Nebenwirkungen ein. Hierzu haben wir die Daten der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA analysiert, welche die Daten der klinischen Phase 3 von Biontech/Pfizer sowie ihre Einschätzung derselben publiziert haben. Wir führen hier im Artikel nicht alle Nebenwirkungen auf. Die komplette Liste der Nebenwirkungen mit den Häufigkeiten finden Sie ab Seite 33: https://www.fda.gov/media/144245/download. Zudem haben wir uns die Studie aus dem New England Journal of Medecine über Biontech/Pfizer angeschaut: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577
Kontextwissen: Nebenwirkungen traten nicht bloß in der Gruppe der Geimpften auf. Auch unter den Probanden der Placebogruppe kam es zu vielen Nebenwirkungen. Das ist normal und aus der Placeboforschung hinlänglich bekannt. Bei solchen Studien kommt es zu Nebenwirkungen, weil die Menschen diese erwarten - auch wenn sie gar kein Medikament/Impfstoff verabreicht bekommen haben. Die Nebenwirkungen sind dann real. Aber sind nicht unbedingt in vollem Umfang bloß auf den Impfstoff/das Medikament zurückzuführen.
Ausserdem kommt es bei grossen Teilnehmerzahlen, die über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, immer mal wieder zu schweren Krankheitsfällen oder gar Todesfällen, die rein statistisch (leider) ganz normal vorkommen. Einfach weil es unter mehreren Zehntausend Menschen über einen Zeitraum von mehreren Monaten zu Krankheiten und Todesfällen kommt - ganz unabhängig von der Studie. Es gilt also von Fall zu Fall zu analysieren, wie häufig Vorfälle in der Impfgruppe vorkommen und wie oft in der Placebogruppe - und wie oft diese ansonsten statistisch normal eintreten würden. Wenn es statistisch signifikant mehr Fälle in der Impfgruppe gibt, wird dann analysiert, ob die Vorfälle kausal auf die Impfung zurückgeführt werden können.
BNT162b2 von Biontech und Pfizer: Die häufigsten Nebenwirkungen während der klinischen Studien
Die häufigsten Nebenwirkungen, von denen Empfänger des Impfstoffs von Biontech/Pfizer während der klinischen Phase 3 berichteten, waren:
- Schmerzen an der Einstichstelle (66-83% der Probanden, je nachdem, ob es sich um die erste oder zweite Dosis resp. um welche Altersgruppe es sich handelt),
- Müdigkeit (34-59%),
- Kopfschmerzen (25-52%),
- Muskelschmerz (14-37%)
- Schüttelfrost (6-35%)
Die Symptome haben in den Studien zum Teil einige Tage lang angehalten und waren oftmals nach der zweiten Impfdosis stärker als nach der ersten. In den meisten Fällen verliefen die Symptome mild bis moderat, bei wenigen Probanden stark. Eine Notfallbehandlung oder ein Krankenhausaufenthalt war aber bei keinem Studienteilnehmer nötig.
In der Studie fällt auf, dass nicht nur die Teilnehmer Nebenwirkungen hatten, die den Impfstoff erhalten haben. Auch Teilnehmer aus der Placebo-Gruppe, denen im Falle der klinischen Studie von Biontech/Pfizer eine Kochsalzlösung gespritzt wurde, beschwerten sich über Nebenwirkungen.
Insgesamt wurden in der klinischen Studie von Biontech/Pfizer 43.548 Teilnehmer durch Zufallprinzip in zwei Gruppen eingeteilt, eine Impfgruppe und eine Placebo-Gruppe. Schlussendlich haben dann 43.448 Personen Injektionen erhalten: 21.720 Teilnehmer mit BNT162b2 (Impfgruppe) und 21.728 Teilnehmer mit Kochsalzlösung (Placebo-Gruppe).
Innerhalb der Placebogruppe waren die häufigsten Nebenwirkungen die Folgenden:
- Müdigkeit (23-47%)
- Kopfweh (24-34%)
- Schmerzen an der Einstichstelle (12-14%)
- Durchfall (8-12%)
Was sagen uns diese Zahlen Impfstoffgruppe vs. Placebo-Gruppe?
Von den geimpften Personen spürten also 83 Prozent Schmerzen an der Einstichstelle. Bei jenen Personen, die nur das Placebo erhielten (also keine Impfung) nur 14 Prozent. Daraus kann man schliessen, dass der Impfstoff tatsächlich eine Irritation an der Einstichstelle bewirkt. Das ist zu erwarten, denn es wurde ja ein Stoff injiziert, der eine Immunreaktion startet.
Am zweit- und dritthäufigsten traten unter den Geimpften Müdigkeit (47%) und Kopfschmerzen (42%) auf. Hier ist der Vergleich mit der Placebo-Gruppe besonders interessant: Von ihnen verspürten nämlich 33% Müdigkeit und 34% der Probanden Kopfschmerzen. Diese Werte liegen relativ nah an den Werten der Geimpften.
Müdigkeit und Kopfweh treten also zu einem grossen Teil auch unabhängig von der Behandlung mit dem Impfstoff auf. Dies mag auf den ersten Blick verwundern. Doch das Auftauchen von solch unspezifischen Beschwerden ist aus der Placeboforschung hinlänglich bekannt. Kopfweh und Müdigkeit treten bei jedem Medikament (das an vielen Menschen getestet wird) auf – auch bei Placebo. Hier spricht man vom Nocebo-Effekt. Der Nocebo-Effekt tritt ein, wenn eine negative gesundheitliche Wirkung nach der Verabreichung einer Substanz eintritt, ohne kausalen Zusammenhang zwischen Agens und Wirkung, oftmals bedingt durch psychologische Phänomene - im Gegensatz zum Placebo-Effekt, wo es sich um eine positive gesundheitliche Wirkung handelt.
Dennoch waren aber diese beiden Nebenwirkungen häufiger bei der Gruppe der Geimpften als in der Placebo-Gruppe. Dies gilt übrigens für quasi alle häufigen Nebenwirkungen. Eine Ausnahme ist Durchfall. Über Durchfall klagten in der Gruppe der Geimpften nach der ersten Dosis 11,1%, in der Placebogruppe 11,7%. Ein solch kleiner Unterschied ist statistisch nicht signifikant, kann also quasi als gleichwertig bezeichnet werden. Dass die Zahlen so nah beieinander liegen, zeigt jedoch, dass Durchfall als Nebenwirkung wohl eher nicht auf den Impfstoff zurückgeführt werden kann.
Übrigens hatten 16% der Geimpften nach der zweiten Dosis Fieber, jedoch nur 0,5% in der Placebo-Gruppe. Fieber nach der zweiten Impf-Dosis ist also auch relativ häufig. (Genaue Aufteilung: 9,2% hatten Fieber zwischen 38°C und 38,4°C, 5,2% hatten Fieber zwischen 38,4°C und 38,9°C und schliesslich 1,2% hatten Fieber zwischen 38,9°C und 40°C. Keiner hatte höheres Fieber.)
In der folgenden Infobox gehen wir etwas mehr im Detail auf weitere häufigere Nebenwirkungen ein:
Infobox
In der Altersgruppe 18 bis 55 kam es innerhalb von sieben Tagen nach der ersten Dosis u.a. zu folgenden lokalen Nebenwirkungen:
- Schmerzen in der Einstichstelle: 83% der Geimpften vs. 14% innerhalb der Placebo-Gruppe
- Rötungen an der Einstichstelle: 4,5% (Geimpfte) vs. 1,1% (Placebo-Gruppe)
- Schwellungen an der Einstichstelle: 5,8% (Geimpfte) vs. 0,5% (Placebo-Gruppe)
Was nun Reaktionen am ganzen Körper anbelangt, kam es in der Altersgruppe von 18 bis 55 u.a. zu folgenden Reaktionen am ganzen Körper (nur eine Auswahl):
- Müdigkeit/Schlappheit nach der ersten Dosis: 47,4% der Impfgruppe vs. 33,4% der Placebo-Gruppe
- Müdigkeit/Schlappheit nach der zweiten Dosis: 59,4% vs. 22,8%
- Kopweh nach der ersten Dosis: 41,9% vs. 33,7%
- Kopfweh nach der zweiten Dosis: 51,7% vs. 24,1%
- Fieber (>38°C) nach der ersten Dosis: 3,7% vs. 0,9%
- Fieber (>38°C) nach der zweiten Dosis: 15,8% vs. 0,5%
Sämtliche Details finden Sie ab Seite 33 hier: https://www.fda.gov/media/144245/download. Auch in dieser Studie des "New England Journal of Medecine" finden sich viele Informationen: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577
Wenn man all diese Symptome näher betrachtet, fallen vier Dinge auf:
- Obwohl in der Placebo-Gruppe „nur“ Kochsalzlösung injiziert wurde, kommt es auch in dieser Gruppe zu Nebenwirkungen. D.h. nicht alle Nebenwirkungen in der Impfgruppe können allein auf den Impfstoff zurückgeführt werden.
- Die Symptome sind häufiger bei der Impfgruppe als bei der Placebo-Gruppe
- Fast alle Symptome innerhalb der Impfgruppe sind nach der zweiten Dosis häufiger als nach der ersten Dosis.
- Ausserdem treten die häufigen Nebenwirkungen etwas häufiger bei jüngeren Teilnehmern auf als bei älteren.
Schwere Nebenwirkungen im Falle der klinischen Studie von Biontech/Pfizer
Innerhalb der Impfstoffgruppe kam es während des Zeitraums der ersten Dosis bis zum Stichtag (vom 29. April bis 14. November) in 0,6% zu schweren Nebenwirkungen. In der Placebo-Gruppe waren es 0,5%.
In der Impfstoffgruppe waren folgende schwere Nebenwirkungen häufiger als in der Placebo-Gruppe:
- Appendizitis (0,04%),
- akuter Myokardinalinfarkt (0,02%) und
- zerebrovaskulärer Unfall (0,02%).
In der Placebo-Gruppe waren folgende schwere Nebenwirkungen numerisch höher:
- Lungenentzündung (0,03%),
- Vorhofflimmern (0,02%) und
- Synkope (0,02%).
Blinddarmentzündungen wurden zwölfmal gemeldet, achtmal innerhalb der Impfstoffgruppe und viermal innerhalb der Placebo-Gruppe. Hier konnte keine Verbindung mit dem Impfstoff hergestellt werden – und das Fazit war, dass diese Vorfälle nicht häufiger auftraten, als von den entsprechenden Alterskategorien innerhalb eines Zeitraums von fast sechs Monaten zu erwarten gewesen wäre.
Es wurden jedoch drei etwas schwerere Nebenwirkungen, sogenannte SAEs, mit der Verabreichung des Impfstoffs in Verbindung gebracht (wo also geurteilt wurde, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfstoffabgabe und Nebenwirkung möglich ist): eine Schulterverletzung, eine ventrikuläre Arrhythmie und eine Lymphadenopathie.
Die kompletten Daten finden Sie, wie bereits erwähnt, hier: https://www.fda.gov/media/144245/download.
Todesfälle im Falle der klinischen Studie von Biontech/Pfizer
In der Studienzeit zwischen dem 29. April und dem 14. November kam es unter den 43.448 Teilnehmern zu sechs Todesfällen. Zwei davon in der Impfstoffgruppe, vier davon in der Placebo-Gruppe. Das klingt erstmals erschreckend. Das ist aber leider nicht unnormal. Wenn so viele Menschen über einen so langen Zeitraum beobachtet werden, kommt es statistisch gesehen zu Todesfällen und Krankheiten. Die Differenz von zwei Toten mehr in der Placebo-Gruppe bewegt sich innerhalb normaler statistischer Abweichungen.
Innerhalb der Impfgruppe waren beide Personen über 55 Jahre alt. Eine Person erlitt einen Herzstillstand 62 Tage nach der zweiten Impfdosis und starb drei Tage später, die andere starb an Arteriosklerose drei Tage nach der ersten Impfdosis. Keiner dieser Todesfälle konnte auf den Impfstoff zurückgeführt werden. Innerhalb der Placebo-Gruppe starb eine Person an einem Myokardinfarkt, eine an einem hämorrhagischem Schlaganfall und zwei aufgrund einer unbekannten Ursache. Drei der vier Toten waren älter als 55 Jahre. Alle diese Todesfälle stellen Ereignisse dar, die in der allgemeinen Bevölkerung in diesen Altersgruppen in ähnlicher Häufigkeit vorkommen.
Kontext
Es ist nachvollziehbar, dass diese nackten Zahlen vorerst mal abschrecken. Es ist psychologisch nicht einfach sich mit Krankheiten zu befassen. Und wenn man sich nur mit den Nebenwirkungen auseinandersetzt, vergisst man den Nutzen. Wenn man aber einen Vergleich will, lohnt sich der Blick auf den Beipackzettel von gängigen Medikamenten.
Nimmt man z.B. Aspirin, dann sind die Nebenwirkungen u.a. Geschwüre und Blutungen im Magen oder Darm, Asthmaanfälle und Nierenschäden. Allein in Deutschland wird geschätzt, dass die Zahl der jährlichen Todesfälle, an denen Aspirin beteiligt ist, vierstellig ist. Dennoch ist Aspirin ein Medikament, bei dem viele Menschen vom Nutzen überzeugt sind und es trotz der Nebenwirkungen regelmässig nehmen.
Auch andere Impfungen haben Nebenwirkungen. Auch bei diesen sind viele Menschen vom Nutzen überzeugt. Andere nicht. Es ist eine Abwägung der Chancen und Risiken.
Und hier ein, wie wir finden, gut erklärtes Video, das die Chancen und Risiken der Masern-Impfung beleuchtet:
Was sind die Risiken, wenn man Covid-19 kriegt?
Wir basieren uns hier auf Zahlen des RKI. Werden demnächst aber auch eine genauere Analyse der luxemburgischen Zahlen machen. Laut RKI sind dies die "Nebenwirkungen" von Covid-19:
- Husten (40%)
- Fieber (29%)
- Schnupfen (26%)
- Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns (21%)
- Pneumonie (1%)
Weitere Symptome sind u.a. Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Konjunktivitis, Hautausschlag, Lymphknotenschwellung, Apathie, Somnolenz, organspezifische Langzeitfolgen...
In ca 7% der Fälle werden die Patienten hospitalisiert, 14% davon auf der Intensivstation. In Deutschland sterben 1,6% der Covid-19 Erkrankten, wobei die Sterblichkeit sehr stark je nach Alter variert (bei Menschen unter 50 liegt sie bei unter 0,1%, bei Menschen über 80 bei über 10%). In Luxemburg liegt die Sterblichkeitsrate eher um 1%, weil wir in Luxemburg mehr testen und also die Dunkelziffer geringer ist. Trotzdem gibt es auch in Luxemburg eine Dunkelziffer. Die tatsächliche Sterblichkeitsrate liegt also wohl unter 1%.
mRNA-1273 von Moderna: Die häufigsten Nebenwirkungen
Die Probanden der Impfstoffstudie von Moderna spürten Schmerzen an der Einstichstelle und litten in vielen Fällen an Kopfschmerzen. Auch Muskelschmerzen, Schüttelfrost und Müdigkeit gehören zu den häufig genannten Symptomen. Eine Notfallbehandlung war in keinem Fall erforderlich. Die meisten Probanden hatten milde bis moderate Nebenwirkungen. Mehr Details hierzu in folgender Studie des “New England Journal of Medecine“: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2035389
AZD-1222 von AstraZeneca und der Universität Oxford: Die häufigsten Nebenwirkungen
Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Muskelschmerz waren auch bei diesem Impfstoff die am häufigsten genannten Nebenwirkungen. Und auch bei dieser Impfstudie fielen die Symptome in den meisten Fällen mild bis moderat aus.
Mehr Infos dazu in einer Studie aus dem Lancet: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)32466-1/fulltext
Für Aufsehen sorgten drei Fälle von transverser Myelitis, die während der Studienzeit auftraten: Einer in der Placebogruppe, zwei in der Impfstoffgruppe. Es konnte, Stand heute, kein kausaler Zusammenhang mit dem Impfstoff hergestellt werden. Mehr Details dazu weiter unten.
Die häufigsten Nebenwirkungen der Covid-Impfstoffe: Wie lange und wie stark?
In den Impfstudien von Biontech und Pfizer sowie Moderna heisst es, die Nebenwirkungen können ein paar Tage lang anhalten. AstraZeneca zeigt in einer eindrucksvollen Grafik, dass manche Nebenwirkungen bis zu sieben Tage andauern können.
(cf. Figur 2 und Figur 3 aus: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)32466-1/fulltext#figures)
Bei allen Impfstoffkandidaten erlebten Menschen über 55 Jahre übrigens mildere Nebenwirkungen als die jüngeren Studienteilnehmer. Das liegt laut Carlos A. Guzmán am aktiveren Immunsystem der Jüngeren. Er betont: „Viele Menschen werden ein paar Tage lang grippeähnliche Symptome haben. Darauf müssen Geimpfte vorbereitet sein.“
Zum Vergleich: Wer sich gegen Influenza impfen lässt, spürt meist nur einen leichten Schmerz an der Einstichstelle, der ein paar Stunden lang anhält. Die Covid-Impfstoffe haben stärkere Nebenwirkungen, die aber im Normalfall nicht behandelt werden müssen.
Besteht die Gefahr, dass Langzeitnebenwirkungen auftreten können?
In den Studien wurden Probanden nach der letzten Impfdosis etwa zwei Monate lang beobachtet. „Wer bis dahin keine Nebenwirkungen bemerkt hat, wird wahrscheinlich keine kurzfristigen Nebenwirkungen mehr bekommen“, erklärt Carlos A. Guzmán. In seltenen Fällen können bei Impfstoffen über diesen Zeitraum hinaus Langzeitnebenwirkungen auftreten.
Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Im Jahr 2009 kam der Impfstoff Pandremix gegen Schweinegrippe zum Einsatz. Manche Geimpfte haben einige Monate nach der Impfung eine Narkolepsie entwickelt. Es gilt als wahrscheinlich, dass diese Schlafsuchterkrankung eine Spätfolge des Impfstoffs sein kann. Solche Autoimmunreaktionen sind extrem selten und können Wochen oder Monate nach einer Impfung auftreten.
Christian Bogdan, Professor für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Universität Erlangen und Mitglied der Ständigen Impfkomission des Robert-Koch-Instituts, betont aber: „Es ist sehr schwer nachzuweisen, dass eine Autoimmunerkrankung in Folge einer Impfung aufgetreten ist.“ Forschende führen in diesen seltenen Fällen rückblickende Beobachtungsstudien durch. Sie betrachten etwa, ob die Erkrankung in der Gruppe der Geimpften öfter aufgetreten ist als in der Gruppe der Nicht-Geimpften. Die Ergebnisse sind laut Christian Bogdan aufgrund der extremen Seltenheit des Ereignisses oft uneindeutig.
Er erklärt: „Wir können Autoimmunreaktionen auf Impfstoffe zwar nicht zu hundert Prozent ausschliessen. Aber die Gefahr einer Autoimmunreaktion durch eine Virusinfektion ist sehr viel höher.“ Das bedeutet: Wer sich impfen lässt, bekommt einen Infektionsschutz und hat eine extrem geringe Gefahr, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln. Wer sich nicht impfen lässt, könnte an einer Virusinfektion erkranken und geht zudem ein höheres Risiko als bei der Impfung ein, eine Autoimmunerkrankung zu bekommen.
Welche seltenen, gravierenden Nebenwirkungen können auftreten?
Wie bei jedem neuen Impfstoff werden sehr seltene Nebenwirkungen erst nach der Marktzulassung sichtbar – wenn sehr viele Menschen geimpft werden.
Bei den ersten Massenimpfungen in Grossbritannien mit dem Covid-Impfstoff von Biontech und Pfizer ist es zu zwei Fällen von anaphylaktischen Schocks gekommen. Auch in den USA kam es zu solch einem Fall.
Das Phänomen ist nicht neu. Auch andere Impfstoffe können diese allergischen Reaktionen auslösen. In den Impfstudien mit über 40.000 Teilnehmern war es nicht zu solch einer Nebenwirkung gekommen. Nun aber gilt für Menschen, die schon einmal einen allergischen Schock hatten, eine Warnung. Sie sollen sich vorerst nicht impfen lassen.
Eine mögliche Nebenwirkung der Covid-Impfstoffe wird unter Forschenden immer wieder diskutiert, obwohl sie noch gar nicht beobachtet wurde: infektionsverstärkende Antikörper. Sie verhindern die Erkrankung nicht, sondern tun geradezu das Gegenteil. Sie ermöglichen dem Virus, in die Zelle einzutreten, wo es sich vermehrt. Die Folge kann ein schwerer Krankheitsverlauf sein.
Bisher gibt es noch keine Hinweise darauf, dass sich bei einer Covid-19-Erkrankung oder durch eine Covid-Impfung solche infektionsverstärkenden Antikörper bilden können. Doch die Forschung behält das Phänomen im Blick. Denn es wurde bereits bei anderen Coronaviren beobachtet (cf. https://www.nature.com/articles/s41586-020-2538-8)
Damit es möglich ist, seltene Nebenwirkung der Covid-Impfstoffe auch künftig gesichert zu identifizieren, hält es der Impfforscher Carlos A. Guzmán für sinnvoll, die Placebo-Gruppe so lange wie möglich, mindestens aber bis zu einer vollen Zulassung der Impfstoffe zu halten. Zwar gebe es auch andere Möglichkeiten wie zum Beispiel statistische Erhebungen, um Nebenwirkungen zu identifizieren. Doch mit Hilfe von Placebo-Gruppen können Forschende Langzeitdaten über die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs besonders fundiert sammeln und einordnen.
Wie können Gesundheitsprobleme auf einen Impfstoff zurückgeführt werden?
Der Covid-Impfstoff von AstraZeneca und der Universität Oxford geriet in die Schlagzeilen, als während der Phase 2/3-Studie eine Teilnehmerin an einer transversen Myelitis erkrankte. Diese äusserst seltene, entzündliche Erkrankung des Rückenmarks kann ohne bekannte Ursache auftreten. Sie kann aber auch die Folge von Multipler Sklerose oder einer Infektionserkrankung sein.
Der Impfstoff, den die Probandin bekommen hatte, basiert auf Adenoviren, die bei Schimpansen Erkältungen auslösen. Könnte es sein, dass er die Erkrankung bei ihr ausgelöst hat? Schon ein paar Monate zuvor war ein anderer Studienteilnehmer ebenfalls an einer transversen Myelitis erkrankt. Trotzdem kamen unabhängige Experten letztlich zu dem Schluss, dass beide Fälle nicht in Zusammenhang mit dem Impfstoff stehen. Wie kann das sein?
Im Vereinigten Königreich erkranken jedes Jahr rund 270 Menschen an transverser Myelitis. Dass zwei Impfempfänger darunter sind, könnte auch ein Zufall sein. Denn nicht alle Komplikationen, die nach einer Impfung auftreten, haben auch ihre Ursache in der Impfung.
Experten müssen deshalb zum Beispiel der Frage nachgehen, ob die Krankheit im Zeitraum der Impfung ungewöhnlich oft aufgetreten ist. Sie beobachten zudem, ob es auch in der Placebogruppe ähnliche Fälle gab. Und sie betrachten die gesundheitliche Vorgeschichte der betroffenen Person.
Im Rahmen der Studien von AstraZeneca und der Universität Oxford sind drei Fälle von transverser Myelitis aufgetreten: Einer in der Placebo-Gruppe, zwei in der Impfstoffgruppe.
Beim ersten Betroffenen aus der Impfgruppe wurde eine zuvor unentdeckte Multiple Sklerose diagnostiziert, die eine solche Entzündung des Rückenmarks auslösen kann. Bei der zweiten betroffenen Probandin aus der Impfgruppe ist die Entzündung nach Einschätzung unabhängiger Experten wahrscheinlich ohne erkennbare Ursache aufgetreten.
Alle drei Probanden haben sich laut den Studienautoren mittlerweile erholt oder befinden sich auf dem Weg der Besserung.
Mussten in der Vergangenheit Impfstoffe nach einer Marktzulassung zurückgezogen werden?
Nach der Zulassung von Impfstoffen kann es zu Problemen kommen. In manchen Fällen wurde ein Impfstoff komplett vom Markt genommen, in anderen Fällen musste eine Charge zurückgerufen werden. Zwei Beispiele: Ende der 1950er Jahre wurde ein Impfstoff gegen Kinderlähmung entwickelt, der auf inaktivierten Polioviren basierte. Wenige Wochen nach der Einführung kam es zu einem schweren Zwischenfall. In eine Charge gelangten Viren, die nicht erfolgreich inaktiviert worden waren. So erkrankten Kinder durch die Impfung, die sie eigentlich schützen sollte.
Der Impfstoff RotaShield gegen Rotavirus-Erkrankungen wurde Ende der 1990er Jahre in den USA komplett vom Markt genommen. Es war nach der Impfung bei einigen Kindern zu Darmeinstülpungen gekommen.
„Bei jedem Medikament könnte es gravierende, seltene Nebenwirkungen geben, die erst nach der Marktzulassung und der damit verbundenen Anwendung bei sehr vielen Menschen auftreten. Das ist unglücklicherweise nicht vermeidbar“, sagt der Impfforscher Carlos A. Guzmán. Letztlich müsse die Kosten-Nutzen-Abwägung des Impfstoffs stimmen.
Wie wirksam ist der Biontech/Pfizer Impfstoff?
In der Biontech/Pfizer Studie erhielten 21.720 Teilnehmer den Impfstoff und 21.728 das Placebo (Kochsalzlösung). Nun gab es acht Fälle von Covid-19 innerhalb der Impfstoffgruppe und 162 innerhalb der Placebo-Gruppe (gewertet wurden hier Covid-19 Erkrankungen mit Beginn mindestens sieben Tage nach der zweiten Dosis). Somit kommt man auf eine Wirksamkeit laut Studie von 95% bei der Prävention von Covid-19 (Glaubwürdigkeitsintervall 90,3 bis 97,6).
Wenn man nun die Teilnehmer in Untergruppen aufteilt nach Alter, Geschlecht, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Body-Mass-Index, Vorhandensein von Begleiterkrankungen… dann konnte man immer eine ähnliche Wirksamkeit beobachten, zwischen 90 und 100%.
Innerhalb der Studienteilnehmern kam es zu zehn Fällen von schwerem Covid-19 mit Beginn nach der ersten Dosis. Davon traten neun innerhalb der Placebo-Gruppe auf und ein Fall innerhalb der Impfgruppe.
Fazit
In diesem Artikel haben wir viele Zahlen präsentiert, um transparent die Nebenwirkungen aufzuführen. Es ist nachvollziehbar, dass so viele Zahlen über Nebenwirkungen erstmal abschrecken. Daher ist es wichtig, sich mit Wahrscheinlichkeiten, Placebo-Effekten und statistischen Häufigkeiten von schweren Krankheiten und Todesfällen auseinander zu setzen sowie auch die Chancen mit in Betracht zu ziehen - bzw die Risiken denen man sich aussetzt, wenn man sich nicht impfen lässt. Danach hat jeder die freie Wahl zu entscheiden, ob er/sie sich nun impfen lässt oder nicht.
Das Fazit, was man aber so auf jeden Fall mal bisher ziehen kann:
Der Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer zeigt eine hohe Wirksamkeit. Nebenwirkungen gibt es auch. Der Impfstoff bietet weder einen 100%-igen Schutz nicht an Covid-19 zu erkranken, noch eine 100%-ige Garantie, keine schwere Nebenwirkung zu kriegen. Die bisher bekannten Nebenwirkungen sind in der Regel mild bis moderat und hauptsächlich auf die Immunreaktion des Körpers zurückzuführen, nur selten stark. Während der Studienzeit kam es zu wenigen schwereren Krankheiten/Vorfällen, wobei die allermeisten nicht auf den Impfstoff zurückgeführt werden konnten. Im Verhältnis zu den Risiken einer SARS-CoV-2 Infektion wurden die Chancen von der FDA und der EMA höher bewertet als die Risiken. Im Vergleich zu anderen Impfstoffen gilt der Impfstoff bisher als sicher. Resultate zu Langzeitfolgen gibt es noch keine. Hier wird über die nächsten Wochen und Monate konsequent weiter analysiert. Sollten Sie Zweifel haben, besprechen Sie diese auf jeden Fall immer mit ihrem Arzt.
Autoren: Eva Mell (Scitec-Media), Beat Glogger (Scitec-Media), Jean-Paul Bertemes (FNR)