(C) Uwe Hentschel
Dass in Schottland, Schweden oder Norwegen irgendwann einmal die bekanntesten Weinbauregionen Europas liegen könnten, mag man sich nur schwer vorstellen. Völlig abwegig ist es deshalb aber nicht. Im Gegenteil: Sollte die globale Erderwärmung weiter voranschreiten – und es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass sie das nicht tut -, so wird das auch Auswirkungen auf die geografische Verteilung der Weinbauregionen haben.
„Der Weinanbau wird sich insgesamt weiter nach Norden verlagern“, erklärt Agrarwissenschaftler Daniel Molitor. Und Verlierer dieser Entwicklung könnte der Mittelmeerraum sein, fügt er hinzu. So gebe es beispielsweise bereits jetzt schon in Großbritannien eine Weinbaufläche, die von der Größe her mit der in Luxemburg vergleichbar sei, sagt Molitor. Und das obwohl man Großbritannien nicht unbedingt mit Weinanbau in Verbindung bringe.
Klimawandel könnte zu verstärktem Anbau von Rotweinsorten führen
Molitor arbeitet am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) und untersucht dort auch den Einfluss des Klimawandels auf den Weinbau des Großherzogtums. Derzeit wird an den Hängen der Mosel vor allem Rivaner (Müller-Thurgau), Auxerrois, Elbling, Riesling sowie Pinot blanc und gris angebaut, also überwiegend Weißwein. Aufgrund der steigenden Temperaturen und der tendenziell trockener werdenden Sommer könnte sich Luxemburg aber durchaus zum Rotweinanbaugebiet entwickeln.
Aktuell haben die Winzer aber noch keinen Grund, großflächig die Farbe zu wechseln. Denn der leichte Anstieg der Temperatur hat unter anderem dazu beigetragen, dass die Qualität der Moselweine mittlerweile deutlich besser ist als noch vor 30 oder 40 Jahren.
Ausschlaggebend für die Qualität eines Weines ist unter anderem der Wärme-Genuss. Gemessen wird dieser über den so genannten Huglin-Index, der aus einem Mittelwert von Tagesdurchschnitts- und Tagesmaximaltemperaturen ermittelt wird (siehe Infobox). „In Luxemburg war es noch in den 70er Jahren häufig so, dass der jährliche Huglin-Index unterhalb des Grenzwertes für die vollständige Ausreifung der frühreifen Rebsorte Rivaner lag“, sagt Molitor. „Im letzten Jahrzehnt wurde dieser Grenzwert jedoch in allen Jahren mühelos übersprungen und zumeist sogar die Grenzwerte für später reifende Rebsorten wie Riesling und Pinot noir erreicht “
Der Alkoholgehalt entwickelt sich schneller als das Aroma
Molitor und seine Kollegen der LIST-Abteilung Umwelt-Forschung und –Innovation haben bei ihren Untersuchungen darüber hinaus festgestellt, dass die Entwicklung der Weinreben zusätzlich dadurch begünstigt wird, dass der jährliche Austriebstermin im Kalender immer weiter nach vorne rutscht, es jedoch gleichzeitig bei den Terminen der Weinlese kaum Veränderungen gibt. Unterm Strich hat sich also die Vegetations- und Reifephase der Trauben, also der Zeitraum zwischen Austrieb und Ernte, verlängert und damit auch das Mostgewicht, das den Zucker- und Alkoholgehalt des Weines bestimmt, verbessert.
„Bislang waren die Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau in Luxemburg überwiegend positiv“, erklärt Molitor. Doch zukünftig aufgrund der höheren Temperaturen könnten sich bei feuchter Witterung in der Reifephase Fäulnisepidemien schneller ausbreiten. Zudem sei die Vegetationsphase auch nicht beliebig verlängerbar. Denn das Mostgewicht darf auch nicht zu hoch sein. „ Es kann also sein, dass die Winzer ihre Trauben zukünftig aufgrund des bereits erreichten Zuckergehaltes früher ernten müssen, gleichzeitig die Aromenausprägung zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht vollständig abgeschlossen ist“, sagt Molitor.
Allerdings ist das Klima ja nicht der einzige Faktor, der auf die Qualität des Weines einwirkt. Entscheidend sind unter anderem auch das Pflanzmaterial und der Standort. So wäre eine Anpassungsstrategie laut Molitor die, mit den Weinlagen an kühlere, höhere oder schlechter exponierte Standorte zu wechseln. Dass es einmal soweit kommt, dass die Weinbauer irgendwann vor der Sonne flüchten, damit hätte vor 40 Jahren an der Mosel kaum einer gerechnet.
Autor: Uwe Hentschel
Foto: Uwe Hentschel
Infobox
Der Huglin-Index, der vom Weinbauexperten Pierre Huglin entwickelt wurde, ist der bioklimatische Wärmeindex für Weinanbaugebiete. Beim Huglin-Index wird ein Durchschnittswert von den Tagesmittel- und Tagesmaximumwerten der Lufttemperatur gebildet und für den Zeitraum April bis September zusammengerechnet. Jede Rebsorte benötigt eine bestimmte Wärmesumme und der Index zeigt, wo welche Rebensorte am besten gedeiht. Während der Müller-Thurgau beispielsweise bereits mit einem Huglin-Index von 1500 auskommt, braucht ein Merlot 1900.