(C) Christophe Trefois
Der Biomediziner Christophe Trefois erklärt, wie man auf alternativen Wegen zum Forscher wird – und was man dabei lernen kann.
Herr Dr. Trefois, Sie haben einen ungewöhnlichen Berufsweg eingeschlagen: Bevor Sie in der Biomedizin promoviert wurden, haben Sie bei dem angesehenen Beratungsunternehmen Ernst & Young gearbeitet. Konnten Sie sich dort keine Karriere vorstellen?
Die Beratertätigkeit ist eine gute Schule. Man lernt viel darüber wie Firmen funktionieren und dies insbesondere bei den sogenannten »Big-Four« zu denen Ernst & Young gehört. Die Frage ist aber, wie weit man sich intellektuell ausbreiten kann. In diesen Unternehmen kann man zwar gut Karriere machen, aber die Methoden sind häufig die gleichen. So habe ich den Sprung in die Biologie gewagt: Um zu sehen, wie gut ich mein Ingenieursstudium hier anwenden und auch in anderen Themen arbeiten kann.
Als Ingenieur kannten Sie sich aber doch mit biologischer Forschung nicht aus…
Die biologischen Kenntnisse habe ich nachgeholt: mit der Hilfe von Kollegen und durch viele Artikel. Da musste ich mich durchkämpfen. Das ist aber kein Ding der Unmöglichkeit, denn für die Doktorarbeit braucht man das Wissen, was für das konkrete Projekt notwendig ist. Ich bin jetzt sozusagen ein Experte für Mitochondrien ‑ die Kraftwerke biologischer Zellen. Mit der Nomenklatur von Meerestieren oder Bäumen kenne ich mich natürlich nicht aus.
Für die Doktorarbeit haben Sie dann Ihr Ingenieurswissen in die Biologie eingebracht?
Richtig. Das Luxemburg Centre for Systems Biomedicine an der Uni Luxemburg verbindet computerbasierte Forschung mit experimenteller Arbeit in einem gemeinsamen Team. Für die Doktorarbeit habe ich eine Computerplattform aufgebaut um vollautomatische Hochdurchsatzexperimente zu machen. Ich habe untersucht, was passiert, wenn man mehrere Giftstoffe gleichzeitig auf eine Zelle gibt. Denn wenn verschiedene Gifte, wie etwa Pflanzenschutzmittel, zusammenwirken, kann dies unter Umständen Krankheiten verursachen, wenn die Mitochondrien – mikroskopisch kleine „Kraftwerke“ in der Zelle – betroffen sind. Untersucht man „Giftkombinationen“ entsteht eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten und leicht 12.000 mikroskopische Bilder am Tag; am Ende der Doktorarbeit waren es 3 Millionen. Hier ist eine Automatisierung sowohl bei den Experimenten als auch der Analyse sehr hilfreich, die ich als Ingenieur umsetzen konnte.
Warum haben Sie gerade diese Zellkraftwerke untersucht?
Einige Wissenschaftler vermuten, dass eine Störung an dieser Stelle Parkinson verursachen kann. Wir haben zwar erst einmal nur Zellen angeschaut und keine klinischen Arbeiten durchgeführt. Wichtig war es für uns vor allem zu zeigen, dass bestimmte Effekte nur dann auftreten, wenn verschiedene Giftstoffe gemeinsam auftreten.
Wie geht es nun weiter? Wollen Sie Professor werden?
Nicht zwangsläufig. Man muss nicht den klassischen Weg zur Professur gehen, um in der Wissenschaft zu arbeiten. Heute arbeite ich als Bioinformatiker und Qualitätsmanager. Meine Projekte verstehe ich weniger als unmittelbare Forschung, denn als einen Service für die Forschenden – durch Methodenentwicklung, in Form von Schulungen und dem Aufbau von IT-Infrastrukturen. Das macht mir viel Spaß, ist nahe an der Forschung und sehr spannend.
Autor: Tim Haarmann
Foto: Christophe Trefois
Infobox
Der Ingenieur Christophe Trefois hat im Jahr 2014 am LCSB zum Thema “Detection and characterization of critical transitions in mitochondrial activity via high content screening” promoviert. Nach seinem Studium an der Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) hat er von 2008-2010 bei dem Beratungsunternehmen Ernst & Young gearbeitet, wo der Schwerpunkt seiner Arbeit auf IT-Wirtschaftsprüfung und -beratung lag.