Großeltern und Enkel

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Die Ernährung der Großeltern ist ein wichtiger Faktor für die Diabetes-Veranlagung der Enkel.

In La Jolla kommen viele Gastredner vorbei und geben Seminare an Instituten wie dem Scripps, an dem ich mein Sabbatical verbringe. Jeden Tag kann ich zwischen zwei oder drei hochinteressanten Vorträgen auswählen. Ein Paradies! Und ein Gedanken-Steinbruch, aus dem ich viele neue Ideen mit nach Hause nehme.

Übertragung von Eigenschaften auf die nächste Generation

Letzte Woche war ich in einem Seminar über Epigenetik. Epigenetik ist die Wissenschaft von den Eigenschaften, die unabhängig von Veränderungen im Erbmaterial, der DNA, von einer Generation auf die nächste weitergegeben werden. Wissenschaftler streiten seit Jahrzehnten darüber, ob erworbene Eigenschaften auf die Kinder oder sogar die Enkel übertragen werden können.

In dem Vortrag wurden Fütterungsversuche an Mäusen aber auch erste Beobachtungen an fettleibigen Menschen beschrieben. Sie weisen darauf hin, dass die Ernährungsgewohnheiten und das Körpergewicht sowohl der Mütter als auch der Väter während der Schwangerschaft und sogar zum Zeitpunkt der Zeugung die Veranlagung für Diabetes beeinflussen. Das ist an sich noch nicht so überraschend: Wir wissen wie wichtig eine gute Ernährung und gesunde Lebensweise während der Schwangerschaft für das heranwachsende Kind ist.

Entwicklung der übernächsten Generation

Die Überraschung ist, dass die Veränderungen auch noch in der nächsten Generation, also bei den Enkeln, deutlich zu sehen sind. Die Ernährung der Großeltern ist demnach ein wichtiger Faktor für die Diabetes-Veranlagung der Enkel! Und eine weitere Überraschung: Bereits in den Eizellen bzw. im Sperma der Großeltern und der Eltern sind die Auswirkungen auf molekularer Ebene erkennbar – also schon vor der Befruchtung.

Fest steht, dass Großeltern wichtig sind für die soziale und kulturelle Entwicklung der Enkel. Wir lernen von unseren Großeltern andere Dinge als von den Eltern. Und Großeltern sind enorm wichtig, um Krisensituationen zu überwinden, in denen sich die Eltern befinden. Auch das ist ein Vorteil für die Entwicklung der übernächsten Generation. Aber dass es einen Erinnerungseffekt in den Zellen an die Ernährungssituation oder an andere Umweltbedingungen gibt, denen die Großeltern ausgesetzt waren – das ist neu.

Neues Verständnis von Vererbung

Die Epigenetik ist zur Zeit ein heißes Forschungsfeld. Wissenschaftler wollen unbedingt den Mechanismus aufklären, der hinter dem „Trans-Generations-Effekt“ steckt. Das wäre der Schlüssel zu einem völlig neuen Verständnis von Vererbung. Kalifornien ist dran. Mal sehen, ob wir das Thema in Luxemburg auch aufgreifen können.

Rudi Balling Direktor des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine legt bis zum Herbst ein Sabbatical ein. Diese akademische „Auszeit“ nutzt der 64 Jährige für einen Forschungsaufenthalt in den USA, mit finanzieller Unterstützung des INTER Mobility Fördermittels des Fonds National de la Recherche (FNR). In dieser Kolumne berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen und Erfahrungen. Die Kolumne wurde ursprünglich im Luxemburger Wort veröffentlicht und ist hier mit freundlicher Genehmigung des Luxemburger Worts und der Universität Luxemburg reproduziert.

Autor: Rudi Balling
Editor: Melanie Reuter (FNR)
Foto: www.shotshop.com

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