© Uwe Hentschel

Rebecca Mossop und Thomas Hoppenheit befassen sich in dem Forschungsprojekt REPAIR mit unterschiedlichen Aspekten

Ist das Gerät kaputt, wird es zum Mechaniker gebracht. Der schraubt es auf, sucht das Problem, bis er es gefunden hat, behebt es und schraubt das Teil dann wieder zusammen. Dieser an sich logische Vorgang wirkt wie ein Relikt aus alten Zeiten.  Sicher:  Wenn das Auto kaputt ist, bringt man es in die Werkstatt.  Und wenn die teure Waschmaschine nicht richtig läuft, ruft man auch vielleicht noch den Mechaniker.  Doch wer lässt heute noch sein kaputtes Radio reparieren? Seine elektrische Zahnbürste, deren Garantie gerade abgelaufen ist? Oder aber seinen sechs Jahre alten Fernseher?

„Viele von uns sind in den Konsum hineingeboren und denken deshalb überhaupt nicht darüber nach, etwas, das nicht mehr richtig funktioniert, reparieren zu lassen“, sagt Rebecca Mossop. Die Doktorandin der Uni Luxemburg arbeitet gemeinsam mit Thomas Hoppenheit (ebenfalls Doktorand) an dem Forschungsprojekt REPAIR, das von Stefan Krebs, Assistant Professor für Zeitgeschichte am Luxemburger Zentrum für zeitgenössische und digitale Geschichte (C²DH), geleitet wird.

Im Spannungsfeld zwischen bewährter Technik und ständiger Veränderung

Das Forschungsprojekt setzt sich dabei aus drei Teilprojekten zusammen. So befasst sich Mossop in ihrer Doktorarbeit mit der Reparatur und Wartung des luxemburgischen Telefonsystems der Post, untersucht dabei unter anderem die Veränderungen auf technischer Ebene, wie etwa die Brüche und Übergänge von der analogen über die halbelektronische bis hin zur digitalen Technik. Im Fokus stehen dabei auch die Arbeiter, Techniker und Manager der Post, die durch ihre Arbeit bestimmte Entwicklungen begünstigt haben.

„Ich möchte dabei auch zeigen, wie aus Ad-hoc-Reparaturen neue Ideen entstanden sind“, sagt die Forscherin und weist in diesem Zusammenhang auf ein Spannungsfeld hin, in dem sich die Telekommunikationsbranche bewegt: „Auf der einen Seite versuchte man natürlich immer mit den technischen Veränderungen in anderen Ländern schritthalten“, erklärt Mossop. „Auf der anderen Seite stellte sich bei jeder Veränderung auch immer die Frage, inwieweit die vorhandene und trotz ihres Alters noch bewährte Technik weiter genutzt werden konnten.“

Mit dem Wohlstand und der Massenproduktion verschwanden die Reparaturläden

Während sich bei der Telekommunikation das meiste im Verborgenen abspielt und die komplexe Infrastruktur von den Kunden erst dann wahrgenommen wird, wenn Probleme oder Störungen auftauchen, befasst sich Hoppenheit in seinem Teilprojekt mit den allgemein sichtbaren Folgen der Entwicklung. Anhand eines Vergleichs der beiden Städte Luxemburg und Esch/Alzette zeichnet er den Rückgang von Schneidern, Schustern und Radioreparaturbetrieben im 20. Jahrhundert nach und untersucht dabei auch, inwieweit der zunehmende Wohlstand diese Entwicklung beschleunigt hat. „Ende der 40er Jahre setzte sich die industrielle Massenproduktion von Schuhen durch, in den folgenden Jahrzehnten wurde zudem die Ledersohle nach und nach durch geklebte Gummisohlen ersetzt“, sagt Hoppenheit. Dem Schumacher sei dadurch ein Stück weit die Arbeitsgrundlage entzogen worden, erklärt er. Gab es 1938 noch 628 Schusterbetriebe in ganz Luxemburg, waren es 1988 lediglich noch 53. Und ähnliches gelte auch für andere Branchen, während wiederum Bereiche wie die Reparatur von Konsumelektronik durchaus prosperierten.

Es gibt allerdings auch einen gegenläufigen Trend, mit dem sich wiederum Projektleiter Krebs in seinem Teilprojekt intensiver befasst: das Selber-Reparieren bzw. die Do-it-Yourself-Bewegung (DIY). Konkret geht es dabei um die Entwicklung dieser Bewegung in Luxemburg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und in diesem Zusammenhang auch um die Einflüsse der DIY-Mentalität auf das Reparieren – zum einen als Freizeitbeschäftigung und zum anderen als Umweltbewegung und politischen Aktivismus. „Die DIY-Kultur ist ja keineswegs nur ein neuer Trend, sondern etwas, was es bereits in den 60er und 70er Jahren gab“, sagt Hoppenheit.

Das Wissen um das Reparieren bewahren 

In Luxemburg gibt es seit 2014 eine aktive Repair-Café-Szene, die regelmäßig Veranstaltungen organisiert. Der daraus entstandene Verein ist Teil einer weltweiten Bewegung, die sich zum einen dafür einsetzt, das Know-How des Reparierens zu erhalten, und sich zum anderen auch für die Herstellung von Produkten starkmacht, die (wieder) einfacher zu reparieren sind. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde ebenfalls bereits ein Radioreparaturworkshop organisiert. Darüber hinaus planen die drei Wissenschaftler im kommenden Sommer einen Runden Tisch, um über die Geschichte und Zukunft des Reparierens in Luxemburg zu sprechen. Daran sollen neben Mitgliedern der luxemburgischen Repair-Café-Szene auch Vertreter professioneller Reparaturbetriebe teilnehmen. Wie Mossop erklärt, sei bei der Post beispielswiese die Entwicklung wieder dahingehend, dass man defekte Geräte nicht mehr nur durch neue ersetze, sondern auch wieder repariere, um sie weiter verwenden zu können. „Vielleicht“, so die Forscherin, „nähern wir uns insgesamt ja doch so langsam dem Peak der Wegwerfmentalität.“

Autor: Uwe Hentschel

Foto: Uwe Hentschel

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