Aids

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Bestandsaufnahme in Luxemburg 

In Luxemburg wurden im Jahr 2018 90 Fälle einer Neuinfektion mit dem HI-Virus registriert. Diese Zahl ist laut einem Bericht des Comité de surveillance du Sida, der luxemburgischen Stelle für die Überwachung von AIDS, infektiösen Hepatitis-Erkrankungen und sexuell übertragbaren Krankheiten, seit dem letzten Jahr rückläufig. Doch was ist HIV genau und wie wirkt sich das Virus im Körper aus? Wie wird es erkannt und welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es im Fall einer Infektion?

Wie wird das HI-Virus im Organismus wirksam? 

Täuschung der Wächterzellen

Wie jedes andere Virus auch benötigt das HI-Virus Wirtszellen, um sich vermehren zu können. Genauer gesagt benötigt es die Zellen von Menschen oder Affen. Um in eine Zelle zu gelangen, muss sich das HI-Virus zunächst bei den Wächtern „legitimieren“. Dazu bindet es sich mit seinen Oberflächenproteinen an die CD4-Rezeptoren. Bei diesen handelt es sich ebenfalls um Proteine, die die Wirtszellen auf der Oberfläche tragen. Besagte Rezeptoren und ihre Helfer, die Korezeptoren, werden auf diesem Weg oft getäuscht. Warum ist das so schlimm? Weil sie vor allem in den T-Lymphozyten vorkommen – den Zellen, die unsere Immunantwort koordinieren. 

Einbau in das Genom der Zelle

Das HI-Virus, das zur Familie der Retroviren gehört, besitzt ein Genom – quasi eine interne ID –, das aus RNA und nicht wie beim Menschen aus DNA besteht. Die RNA ist ein Molekül, das in den meisten Lebewesen vorkommt. Diese Nukleinsäure dient z. B. als Mittler zum Bau von Proteinen. Um sich zu vermehren, setzt das HI-Virus spezielle Enzyme ein, die als Katalysatoren das Umschreiben der RNA in DNA befeuern. Das Virus ist also, dank der Integrase, zum Einbau in das Genom der Wirtszellen fähig und nutzt diesen Weg, um neue Virusbestandteile zu erzeugen. Ab diesem Schritt führt das HI-Virus dazu, dass die Wirtszelle zerstört wird. 

Das Virus kann jedoch in den Zellen auch über Jahre latent vorhanden sein. Im Gegensatz zu den meisten Viren befällt das HI-Virus eine Wirtszelle und verlässt diese nur, um weitere Zellen zu befallen,“ erklärt Dr. Arendt, Infektiologe am Zentrum für Infektionskrankheiten des Centre Hospitalier du Luxembourg und Mitglied des Comité de surveillance du SIDA sowie des Conseil Supérieur des Maladies Infectieuses. 

Infektionswege 

Das HI-Virus kann durch ungeschützten (vaginalen, analen und oral-genitalen) Geschlechtsverkehr übertragen werden. Ebenso kann sich eine Person durch den Kontakt mit infiziertem Blut bei gemeinsamer Nutzung von verunreinigtem Injektionsmaterial mit HIV infizieren. Auch eine Übertragung von der Mutter zum Kind ist möglich, wenn keine Behandlung erfolgt. 

Wie wird HIV diagnostiziert?

Nur ein HIV-Test gibt zuverlässig Aufschluss darüber, ob eine Infektion vorliegt. Es wird Blut entnommen und dieses anschließend auf HIV-Antikörper getestet. Diese natürlichen Abwehrstoffe bildet unser Körper zwei bis vier Wochen nach einer Infektion mit HIV als Reaktion des Immunsystems. Es gibt auch einen Schnelldiagnosetest (in Luxemburg als TROD bekannt). Dieser liefert zwar schon nach sehr kurzer Zeit ein Ergebnis. Aber erst frühestens 12 Wochen nach der Situation, in der das Risiko einer HIV-Infektion bestanden hat, ist dieser Test absolut zuverlässig. Von staatlicher Seite wurde neulich ein HIV-Selbsttest nach dem Prinzip des TROD in Aussicht gestellt. Einen detaillierten Leitfaden findest du hier. 

Aus HIV entwickelt sich AIDS

HIV ist ein Virus, das unser Immunsystem schwächt. Insbesondere befällt und zerstört es die für eine geeignete Immunantwort wichtigen Zellen, die so genannten T-Lymphozyten (CD4+). AIDS – das erworbene Immunschwächesyndrom – bezeichnet ein Stadium, in dem sich das HI-Virus so weit im Körper ausgebreitet hat, dass das Immunsystem nicht mehr wirksam auf Infektionen reagieren kann. „Die CDC-Klassifikation (Centers for Disease Control and Prevention), die in den europäischen Ländern Anwendung findet, teilt die Krankheit in 3 Stadien ein:  A für asymptomatisch, B für geringere Symptome, bei denen im Allgemeinen keine Lebensgefahr besteht, und C für manifestes AIDS. In diesem Stadium sind die Komplikationen infolge von Infektionen schwerwiegender und potentiell tödlich, wenn sie nicht behandelt werden,“ erklärt Dr. Arendt. 

Wie wird HIV behandelt?

Es gibt wirksame antiretrovirale Therapieformen, um das HI-Virus in Schach zu halten. Dabei handelt es sich im Allgemeinen um Molekülverbindungen, die jeweils unterschiedlich wirken. „Früher führte man Tritherapien durch. Dabei kam eine Kombination aus drei Molekülen zum Einsatz, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig ergänzten, weil es keine ausreichend wirksamen Einzelmoleküle gab. Inzwischen kann man die Virusreplikation durch eine duale Therapie blockieren,“ so Dr. Arendt. 

Es gibt ein halbes Dutzend Moleküle, die entweder das Eindringen des Virus in die Zelle, den Einbau in die DNA der Zelle oder auch die Bildung neuer Virusbestandteile verhindern. So handelt es sich beispielsweise bei den Inhibitoren der Reverse Transkriptase und der Integrase um Moleküle, die die Festsetzung des HI-Virus in der DNA der Zelle verhindern. 

Warum lässt sich das Virus bisher nicht ausrotten?

„Dazu müsste es gelingen, das HI-Virus in den befallenen Zellen zu eliminieren, ohne die Zellen gleich mit zu zerstören, erklärt Dr. Arendt. Außerdem hat das HI-Virus ein System der Replikation, das nicht wirklich effizient ist und Fehler bei der Transkription macht,“ fügt Dr. Arendt hinzu. Fehler, die sich in seltenen Fällen zum Vorteil des HI-Virus auswirken können. Ein Fehler verursacht eine Mutation – eine Veränderung des Genoms –, die gleich mehrfach problematisch sein kann: Das Immunsystem erkennt das HI-Virus nicht oder das HI-Virus entwickelt eine Resistenz gegen die Medikamente. Diese zeigen dann keine Wirkung. 

Aufgrund dieser spontanen Mutationen des HI-Virus ist es äußerst kompliziert bzw. unmöglich, einen Impfstoff zu entwickeln, der gezielt wirkt. Beim Prinzip der Impfung wird der Krankheitserreger – in einer nach verschiedenen Behandlungen im Labor ungefährlichen oder gereinigten Form – injiziert, um eine Immunantwort zu provozieren. Dabei entstehen Immunzellen, die zur Bekämpfung dieses Erregertyps wie maßgeschneidert sind, und das Immunsystem erinnert sich in der Folge an diesen Eindringling. 

Welche Erkenntnisse in Wissenschaft und Forschung liegen in Luxemburg zum Thema vor?

Beobachtung und Einordnung der Ansteckungswege 

Im Rahmen einer vom Comité de surveillance du SIDA geleiteten Studie wurde ab 2013 ein Anstieg der Zahl HIV-infizierter Personen unter Drogenkonsumenten verzeichnet. Im Zuge einer epidemiologischen Untersuchung wiederum konnten Forscher des LIH und Ärzte des CHL eine Veränderung im Konsumverhalten der Drogenabhängigen feststellen, insbesondere konzentrierte sich der Konsum rund um den Drogenkonsumraum der Innenstadt. „Durch den Abgleich dieser Daten mit der Drogenbeobachtungsstelle in Luxemburg ließ sich dieser veränderte Konsum dokumentieren und es gelang der Nachweis, dass sich das Risiko durch den Konsum von Kokain und erst recht von Heroin quasi verdreifachte. Es liegt nicht zwingend eine Kausalität vor, wohl aber eine statistisch relevante Beziehung zwischen dem Konsum von Kokain und der Ansteckung mit HIV,“ so Dr. Arendt.

Parallel dazu konnte durch eine phylogenetische Studie aufgezeigt werden, dass dieser Anstieg auf eine klar eingegrenzte Gruppe von Drogenkonsumenten in der Innenstadt zurückzuführen war. „Wenn man auf einem Ast des phylogenetischen Baums eine Häufung vorfindet, kann man zwar nicht sagen, wer wen infiziert hat, wohl aber, dass sie Teil einer Gruppe sind, die mit demselben Virus infiziert ist,“ weiß Dr. Arendt.

Tests und Entwicklung von Molekülen zur Bekämpfung von HIV

Im LIH wird mittels In-vitro-Zellkulturen und ein In-vivo-Infektionsmodell in Mäusen die Wirksamkeit der Moleküle getestet, die im pharmazeutischen Sektor oder in der universitären Forschung derzeit in Entwicklung sind. „Das erlaubt uns, ihre potentielle Wirkung in Bezug auf das HI-Virus zu evaluieren, bevor die Moleküle beispielsweise in klinischen Versuchen eingesetzt werden,“ erklärt Dr. Servais, wissenschaftlicher Mitarbeiter am LIH (Luxembourg Institute of Health). 

Es wird weiterhin geforscht: Man hofft, für die Zwecke einer wirksamen Therapie Multimere – ein Komplex aus einfachen Molekülen – sowie multifunktionelle Moleküle entwickeln zu können. „Das Ziel dieser Moleküle ist es, auf HIV-infizierte Zellen abzuzielen und das Immunsystem zu stimulieren, um letztendlich latente Virusreservoire zu beseitigen, die in diesen Zellen verborgen sind,“ so Dr. Servais.

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Illustration: (C) Constance Lausecker
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