Sylvain Kubicki

Architekt und Computerwissenschaftler Sylvain Kubicki

„Jenseits der ‚Smart City‘: Willkommen in der nachhaltigen Stadt“. So kann man den Titel eines Artikels sinngemäß übersetzen, den der Forscher Sylvain Kubicki und seine Kollegen geschrieben haben und in dem sie ihre Vorstellungen davon zusammentragen, welchen Herausforderungen sich Städte in der Zukunft stellen müssen – und wie fortschrittliche Technologie dabei helfen kann, diese Herausforderungen zu meistern. Die Forscher um Kubicki sind jeweils Experten im Bereich der Architektur, Logistik, Mobilität und digitaler Infrastrukturen. „Wir konzentrieren und auf die spezielle Situation in Luxemburg“, sagt Kubicki, „und untersuchen, was von Politikern mit Blick auf Klimawandel, Gebäude, Wohlbefinden, die Modellierung der städtischen Infrastruktur und dem Energie-Management unternommen werden kann.

Die Stadt von morgen modellieren

Als ausgebildeter Architekt und promovierter Computerwissenschaftler konzentriert sich Kubicki hierbei auf die Modellierung von Gebäuden und ganzen Bezirken – eine Technik, die die Wissenschaftler Building Information Modelling (BIM) nennen. „BIM kann zum Beispiel dabei helfen, bessere und schnellere Einschätzungen zum Energiehaushalt nicht nur einzelner Gebäude, sondern ganzer Städte zu bekommen. Zu wissen, wo es Verbesserungspotential gibt ist eine Voraussetzung, um sinnvolles Verhalten und zielgerichtete politische Entscheidungen anzuregen“, sagt Kubicki. Aber bedeutet dies allein schon, dass man von einer „Smart City“ reden kann? Noch nicht, wie der Forscher betont: „BIM allein reicht nicht aus. Wir müssen etwa auch die Zusammenarbeit der Designer, Architekten, Eigentümer und Bewohner verbessern. Wissen dieser Art in Modelle einzubinden ist eine lohnenswerte Herausforderung. Und BIM auf ganze Bezirke zu erweitern eine wichtige Aufgabe, um Städte zukunftsfähig zu machen“.

Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft

“Unsere Gesellschaft ist einem enormen Druck ausgesetzt, etwa durch den Klimawandel, das Bevölkerungswachstum, politische Konflikte und vielen andere Dinge. Neue, ‚smarte‘ Methoden zu entwickeln um den öffentlichen Raum zu nutzen sind daher heutzutage absolut essentiell. Die Modelle, die wir benötigen nehmen zunächst Flächen in den Blick, Konstruktionselemente und Materialeigenschaften. Sie müssen aber auch ‚weiche‘ Parameter berücksichtigten, etwa, wie eine Fläche bewohnt wird, die Wahrnehmung der Bewohner und deren Zufriedenheit. Sobald die Grundlagen dann einheitlich gehandhabt werden, können die Systeme simuliert und optimiert werden. In einem unserer Forschungsprojekte untersuchen wir beispielsweise, wie neue städtische Bezirke unter Beteiligung der Bürger entwickelt werden können. Wir suchen Möglichkeiten, Arbeitsbedingungen in sehr energieeffizienten Gebäuden zu verbessern und gleichzeitig Komfort und Energieeffizienz im optimalen Bereich zu halten. Wir arbeiten auch daran, die Produktivität auf Baustellen durch eine Optimierung der Konstruktionsschritte zu verbessern“. 

Forschungsgeleitete Entscheidungen

Hieran besteht ein großes Interesse, wie Sylvain Kubicki berichtet, der betont, dass Interessenvertreter ihre Entscheidungen zunehmend wissenschaftlich begründet untermauern müssen:  "Ein Grund, Datensätze mit Bezug zur Bebauung zu sammeln und weiter zu analysieren ist heutzutage, die Leistung von Gebäuden und Stadtteilen bei der Planung von Städten zu simulieren und vorherzusagen". Ein gutes Beispiel sei hierfür der Bau eines neuen Stadtteils in Esch-Schifflange, einem ehemaligen Industriestandort, der seit zehn Jahren nicht mehr in dieser Form genutzt werde.  

Interessengruppen und Bürger einbeziehen

„Wie in Belval, wo die neue Universität gebaut wurde, ist auch in Esch-Schifflange ein neuer Stadtteil geplant", berichtet Kubicki. "Derzeit gibt es Workshops und Beratungen mit Interessengruppen, Stadtmanagern und Forschern, die versuchen, die innovativsten Lösungen zu finden. Wir beobachten, dass Politiker, Kommunen und Bauherren sehr interessiert und offen sind, welche Innovationen wir liefern können und wie ein Stadtteil heute unter Einbeziehung der Bürger gestaltet werden kann. Am LIST glauben wir, dass Gebäudeinformationsmodelle, die auf Bezirksebene hochskaliert werden, ein großes Potenzial haben, die Entwicklung solcher neuer Bezirke zu verbessern, die Planungsmöglichkeiten zu optimieren und die Beteiligung von Bürgern zu ermöglichen. So entwickeln wir beispielsweise in einem Promotionsprojekt die Methoden und Technologien, die es ermöglichen, die Bürger in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.  Basierend auf den Vorgaben der Stadtplaner können die Bürger mögliche Gestaltungslösungen generieren. "

Von der Hochschule zur Industrie

Am LIST führen Kubicki und seine Kollegen die Projekte durch ein "Tal des Todes", in dem Forschung der Universitäten aus ihrer Sicht häufig stecken bleibt. Sie helfen bei der Ausbildung der Anwender - Hand in Hand mit der Industrie, wie Kubicki sagt, um die besten Lösungen für Alltagsprobleme zu finden. In Bezug auf sein eigenes Fachgebiet, die Architektur, ist er überzeugt, dass viele der Vorteile von BIM so viel besser erforscht werden können, und er plädiert dafür, ihre Chancen noch intensiver zu nutzen.

Autor: Tim Haarmann
Photo: Sylvain Kubicki

Kurzer Lebenslauf

Sylvain Kubicki ist ausgebildeter Architekt. Er promovierte in der Fachrichtung Informatik mit einer Arbeit zum Thema "Unterstützung bei der flexiblen Koordination des Hochbaus". Seit 2007 arbeitet er am LIST in der "Digital Built Environment Management Unit", Teil der Abteilung "IT for Innovative Services". Sein Schwerpunkt am LIST liegt auf digitalen Modellen - darunter BIM (Building Information Modeling) - für das Management der gebauten Umwelt - vom Gebäude bis zum Stadtteil zur Gestaltung datenintensiver Smart Services für Städte.

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