Nicolas, Du hast vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen renommierten „Consolidator Grant“ erhalten. In Deinem ERC-Projekt willst Du neue Wege zur Herstellung von Wasserstoff - einem leistungsstarken Kraftstoff der Zukunft - finden. Können wir nicht schon seit langem problemlos Wasserstoff produzieren?
Doch, das können wir. Das Problem ist aber, dass er nicht sauber produziert wird. Wasserstoff wird vor allem aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Er wird hauptsächlich durch die Dampfreformierung von Methan oder Erdgas erzeugt, bei der CO2 und andere Treibhausgase entstehen. Die Elektrolyse, bei der Wasser (H20) mit Hilfe von Elektrizität in Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O2) gespalten wird, ist eine weitere Option, jedoch werden auch hier durch die Stromnutzung nicht erneuerbare Quellen angezapft. Daher bleibt die saubere Produktion von Wasserstoff immer noch der Heilige Gral auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energiezukunft.
Ein Heiliger Gral, nach dem wahrscheinlich viele Forscher suchen. Was ist das Besondere an Deinem Ansatz und was ist die Grundlage für Deine Arbeit?
Viele Forscher versuchen vor allem, die Natur nachzuahmen, die seit über drei Milliarden Jahren die Wasserspaltung mit Hilfe von Sonnenlicht (Photosynthese) im globalen Maßstab realisiert hat. Vor allem das Chlorophyll hat eine Vielzahl von Forschungsarbeiten inspiriert. Die meisten Forscher, die mit Chlorophyll verwandte Moleküle - sogenannte Porphyrine - untersuchen, verwenden jedoch einen nasschemischen Ansatz. Dies erschwert die meisten Entwicklungen aufgrund der schlechten Löslichkeit der Porphyrine. Ich gehe von der Gasphase aus, unter Vakuumbedingungen, um eine neue Klasse von Polymeren – also große Moleküle, die aus vielen sich wiederholenden Untereinheiten bestehen - aus Porphyrinen zu entwickeln. Dies eröffnet viele Möglichkeiten, unter anderem die Entwicklung von leistungsstarken Photokatalysatoren, d.h. Substanzen, die die chemischen Reaktionen unter dem Einfluss von Licht vermitteln.
Wie bist Du auf die Idee gekommen, diesen Ansatz zu wählen?
Seit Beginn meiner Doktorarbeit im Jahr 2004 beschäftige ich mich mit der Gasphasensynthese neuer Materialien. Zunächst habe ich mich mit der Gasphasensynthese von anorganischen Verbindungen, insbesondere für die Photokatalyse, beschäftigt, habe mich aber zunehmend für die Gasphasensynthese von Polymeren interessiert. Im Jahr 2014 ermöglichte mir ein einjähriges FNR Intermobility Projekt (SENSi Projekt) den Besuch der Gruppe von Prof. Karen Gleason am Massachusetts Institute of Technology (MIT), um mich in der Gasphasensynthese von Polymeren fortzubilden. Dort konnte ich zum ersten Mal überhaupt die Polymerisation von Porphyrinen aus der Gasphase durchführen, wobei ich meinen Hintergrund auf dem Gebiet der Porphyrine mit der Expertise der Arbeitsgruppe verband. Mit diesem Wissen kam ich dann nach Luxemburg zurück und arbeitete im Rahmen eines FNR CORE-Projektes (POLYPORPH-Projekt) an der Herstellung von weiterentwickelten Porphyrin-Polymeren. Diese Entwicklung ist die Grundlage für mein ERC-Projekt.
Wie sehen die von Dir hergestellten Polymere aus und wie funktionieren sie?
Es sind sehr bunte (grüne, so wie Chlorophyll) Beschichtungen von einigen hundert Nanometern Dicke, die ich auf jede Oberfläche aufbringen kann. Derzeit produzieren diese unter dem Einfluss von sichtbarem Licht in Gegenwart eines Protonendonators (z.B. Säuren) Wasserstoff. Nun möchte ich das weiter vorantreiben, also direkt Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten - das ist der Kern meines Projekts.
Angenommen, das funktioniert: Wird eine solche Oberfläche zukünftig auf dem Dach von Autos angebracht werden, um Treibstoff in Form von Wasserstoff zu produzieren?
Nein, Wasserstoff muss komprimiert werden, um in Wasserstofffahrzeugen verwendet werden zu können. Deshalb würde die Wasserstoffproduktion eher in Wasserspaltanlagen stattfinden, idealerweise in sonnenreichen Regionen. Neben solchen Anlagen könnte man sich diese Lösung auch als Ergänzung zu Windkraftanlagen und Solaranlagen vorstellen, um das autonome Haus oder die Stadt der Zukunft zu schaffen.
An Deinem ERC-Projekt arbeitest Du nicht allein, sondern mit einigen Kollegen…
Ja, die ERC-Förderung ermöglicht es mir, einen Doktoranden und drei erfahrene Postdocs einzustellen, was für die gute Durchführung eines solchen Projekts unerlässlich ist.
Autor: Tim Haarmann
Foto: Nicolas Boscher
Infobox
Dr. Nicolas Boscher ist Projektleiter am Luxemburger Institut für Wissenschaft und Technologie (LIST). Er macht 2004 seinen Masterabschluss in Materialwissenschaften an der Universität Rennes 1 (Frankreich) und 2007 seinen Doktor in Chemie am University College London unter der Aufsicht von Prof. Ivan Parkin und Prof. Claire Carmalt. Anschließend kam er zum LIST, zunächst für eine Postdoc-Stelle in der Gruppe von Dr. Patrick Choquet. Im Jahr 2014 arbeitete er im Rahmen eines Gastaufenthaltes in die Gruppe von Prof. Karen Gleason am Massachusetts Institute of Technology. Seit seiner Doktorarbeit hat Dr. Boscher seine Forschungsaktivitäten auf die Gebieten der Materialwissenschaft und der Gasphasensynthese von Materialien fokussiert. Sein Ziel ist es insbesondere, ein grundlegendes Verständnis der Mechanismen zu erlangen, die Gasphasenreaktionen antreiben, um neue funktionelle Materialien zu entdecken und maßzuschneidern.