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Anmerkung der Redaktion: die Grafik in diesem Artikel wurde am 05.06.2020 aktualisiert. Die vorherige Version enthielt einen Fehler.
Die Zahl der COVID-19 Fälle setzt die Gesundheitssysteme weltweit unter Druck und erfordert eine genaue und frühe Einschätzung des Schweregrades der Krankheit. Leider ist bislang noch kein Biomarker bekannt, also ein Schlüsselmerkmal, das direkt erkennen lässt welche Patienten unmittelbare Behandlung benötigen.
Um die Entscheidungsfindung und Abläufe in Krankenhäusern zu unterstützen, haben Forscher des Luxembourg Center for Systems Biomedicine an der Universität Luxemburg zusammen mit ihren Kollegen der Universitäten für Wissenschaft und Technologie in Huazhong und Wuhan sowie dem HUST-Wuxi Forschungsinstitut eine einfache Formel entwickelt, um die am stärksten gefährdeten Patienten zu identifizieren, damit diese zeitnah eine Intensivbehandlung erhalten können und die Sterblichkeit reduziert wird.
Datenbank mit Blutproben von Patienten aus Wuhan als Grundlage
Die Studie machte sich eine Datenbank zu Nutze, in der die Blutproben von 485 Patienten des Tongji-Krankenhauses erfasst wurden, wo die Mehrzahl der schweren COVID-19 Fälle in Wuhan aufgenommen wurde. Der klinische Verlauf dieser Patienten wurde bis zum 24. Februar beobachtet: 298 Personen erholten sich von der Infektion, wohingegen 187 Patienten starben.
„Wir haben rückblickend die verschiedenen Blutproben untersucht, die während des Aufenthalts im Krankenhaus genommen wurden, um deutliche Faktoren zu erkennen, die auf ein erhöhtes Sterberisiko hindeuten“, erklärt Prof. Jorge Goncalves, Leiter der Systems Control-Forschungsgruppe am LCSB und einer der Autoren der Publikation.
Aus 84 klinischen Messungen drei Schlüsselmerkmale ausgewählt
Die Forscher benutzten hierzu einen mathematischen Modellierungsansatz basierend auf den neuesten Algorithmen des maschinellen Lernens. Aus 84 klinischen Messungen wurden im Modell drei Schlüsselmerkmale ausgewählt. Eines von ihnen ist die Konzentration der Milchsäuredehydrogenase (LDH): Ein erhöhter Wert dieser Enzymkonzentration im Blut ist ein bekanntes Anzeichen für Gewebeschädigung.
Der zweite Parameter ist ein erhöhtes Level an hochempfindlichem C-reaktivem Protein (hs-CRP), was einen anhaltenden Entzündungszustand anzeigt. Eine niedrige Anzahl an Lymphozyten, einer der Haupttypen von Immunzellen, stellt den dritten Biomarker dar. Für jeden dieser Faktoren definierten die Forscher dann bestimmte Grenzwerte, über oder unter welchen die Patienten einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind.
Ausgang der Krankheit lässt sich mit 90-prozentiger Genauigkeit vorhersagen
„Der nächste Schritt war dann die Entwicklung eines vereinfachten Werkzeuges für die klinische Anwendung“, führt Dr. Laurent Mombaerts, einer der an der Studie beteiligten Forscher des LCSB, aus. „Wir haben einen dreistufigen Entscheidungsbaum erstellt und anhand der Daten aus Wuhan validiert. Es zeigte sich, dass dieses einfache Modell mit hoher Genauigkeit den Ausgang der Erkrankung vorhersagen kann, unabhängig von der anfänglichen Diagnose bei Aufnahme im Krankenhaus.“ Im Durchschnitt ist das Modell in der Lage, den Ausgang der Krankheit etwa 10 Tage im Voraus mit 90-prozentiger Genauigkeit vorherzusagen.
Da das Modell sowohl praxisnah als auch leicht verständlich sein musste, sind die Forscher sehr daran interessiert, es auch an größeren Datensätzen zu erproben, um seine Genauigkeit zu erhöhen. Nichtsdestotrotz wurden in der Studie Biomarker gefunden, die den Schweregrad der Krankheit vorhersagen und potentiell lebensrettend sein können. Die drei Schlüsselfaktoren – LDH, hs-CRP und Lymphozyten-Konzentration – können einfach bestimmt werden und in überfüllten Krankenhäusern mit knapper medizinischer Ausrüstung kann dieser Entscheidungsbaum dabei helfen, Patienten schnell zu klassifizieren.
Hochrisikopatienten erkennen, bevor irreparable Schäden entstehen
Eine Internetseite, die mit diesem Modell arbeitet, ist in China bereits verfügbar: Ärzte können die Messwerte der drei Parameter eingeben und erhalten eine Vorhersage für den betroffenen Patienten. „Das geht über die Erforschung von Risikofaktoren hinaus. Es stellt vielmehr einen einfachen und intuitiven klinischen Test bereit, um Hochrisikopatienten zu erkennen, bevor irreparable Schäden entstehen können“, betont Prof. Jorge Goncalves. Die Arbeit, deren Ergebnisse kürzlich in der Zeitschrift Nature Machine Intelligence veröffentlicht wurden, legt auch den Grundstein für die Anwendung von maschinellem Lernen, um die Triage während weitreichender Epidemien wie dieser zu vereinfachen.
Prof Duc Pham, Chance Professor of Engineering, University of Birmingham, and Fellow of the Royal Academy of Engineering (Source: Science Media Center)
Autor: Universität Luxemburg
Editor: Uwe Hentschel & Michèle Weber (FNR)