Nein, es handelt sich nicht um eine Täuschung. Der Geräuschpegel ist messbar geringer, da Schnee den Schall nicht zurückwirft (reflektiert) sondern schluckt (absorbiert).

Wenn eine Geräuschquelle Lärm verursacht, erreicht der Schall unsere Ohren über zwei verschiedene Wege.

Zum einen gelangt der Schall auf direktem Wege durch die Luft zu unseren Ohren, zum zweiten nach Reflektionen auf den verschiedenartigsten Oberflächen (Straßen, Häuserwände, Felsen, Wiesen, …).

Verschiedene Oberflächen reflektieren den Schall nicht alle gleich stark.

„Harte“, ebene Flächen werfen den Schall besonders gut zurück. Das Gegenteil ist der Fall für „weiche“, unebene, poröse Oberflächen, wie zum Beispiel eine Schneedecke. Die leichten Flocken, die noch unverdichtet übereinander liegen, bergen zwischen ihnen viele luftgefüllte Hohlräume, und die Kontaktfläche zwischen Luft und Eis ist sehr groß. Daher absorbiert Schnee die Schallwellen sehr stark, ähnlich wie Schaumstoffkörper, Teppiche oder andere Schalldämpfer.

Wenn Schnee liegt, fehlt der reflektierte Schall, und der Geräuschpegel wird deshalb deutlich geringer.

Wenn es schneit, ist der Effekt noch viel stärker, weil die Schneeflocken in der Luft den Schall zusätzlich zur Absorption in alle Richtungen streuen. Gerade bei „großen“ Flocken ist der Effekt beeindruckend. Ein ähnliches Phänomen lässt sich im Übrigen auch bei dichtem Nebel (viele feine Wassertröpfchen in Luft und auf Oberflächen) beobachten.

Dazu kommt noch ein anderer Effekt: Viele "typische" Geräuschquellen werden leiser. Autos fahren vorsichtiger, Schritte werden durch den Schnee schon beim Auftreten gedämpft ... Wer kennt nicht den Weihnachtsklassiker "Leise rieselt der Schnee"?

Was geschieht mit dem Schall, wenn er vom Schnee absorbiert wird?

Da Schallwellen Energie transportieren, versetzen sie die Luftteilchen in (zusätzliche) Bewegung, und zwar umso stärker als das Geräusch lauter ist. Dringen sie nun in den Schnee ein, so setzen sie die Luftteilchen in den Hohlräumen des Schnees in Bewegung. In den engen Hohlräumen jedoch werden stark abgebremst. Das nennt man Reibung, und dabei entsteht Wärme. Die wiederum wird vom Eis aufgenommen. Oder anders gesagt, die Energie des Schalls wird an das Eis unter Form von Wärme abgegeben.

Schmilzt Schnee bei viel Lärm?

Nein, die Energie des Lärms ist viel zu gering. Es ist unmöglich, auch nur eine winzige Temperaturerhöhung zu messen.

Autor: André Mousset, Physiker (MNHN)
 

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