(C) Michel Brumat

Werner Haslehner ist Professor für Internationales Steuerrecht an der Universität Luxemburg.

Die Menge an Briefkasten-Firmen in den Panama-Papers hat viele überrascht - den Professor für internationales Steuerrecht der Uni Luxemburg allerdings nicht. Ein Interview mit Werner Haslehner.

Herr Haslehner, manche behaupten, Luxemburg sei eine Steueroase. Stimmt das?

Luxemburg ist keine Steueroase. Die wesentlichen Kriterien für eine Steueroase sind erstens fehlende Transparenz, das heißt insbesondere keine Teilnahme am zwischenstaatlichen Informationsaustausch; zweitens keine oder nur nominale Steuerbelastung; und drittens das Fehlen substanzieller Aktivitäten im Inland. Keines dieser Kriterien trifft aktuell auf Luxemburg zu. Insbesondere folgt Luxemburg seit Jahren dem OECD Transparenzstandard durch zahlreiche Abkommen über den bilateralen Informationsaustausch. Luxemburg zählt ebenso zu den „early adopters“ des erweiterten Standards, der einen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen vorsieht. Darin unterscheidet sich Luxemburg ganz wesentlich von Panama, welches dem internationalen Trend zu mehr Transparenz noch nicht gefolgt war.

Panama, Bahamas, Lichtenstein, Andorra: Es sind ja vor allem kleine Länder und Inseln, die als Steueroasen dienen beziehungsweise gedient haben, oder?

Das hängt davon ab, wie „Steueroase“ definiert wird. Beispielsweise werden in letzter Zeit auch häufig die Vereinigten Staaten als Steueroase genannt, da es dort  - insbesondere im Bundesstaat Delaware - besonders einfach ist, intransparente Gesellschaften ohne Substanz zu errichten. Dabei haben die Vereinigten Staaten einen der höchsten Körperschaftsteuersätze der Welt. Wenn man dem Transparenzkriterium große Bedeutung zumisst, ist diese Einstufung dennoch nicht ungerechtfertigt. Wenn man „Steueroase“ hingegen primär über den effektiven Steuersatz aktiv tätiger Körperschaften definiert, ist es schon eher richtig zu sagen, dass dies primär auf kleine Länder zutrifft.

Und woran liegt das?

Erklärbar ist dies einerseits durch den vergleichsweise geringeren Finanzbedarf des Staates, dessen Infrastruktur im Vergleich zu jener großer Länder weniger kostenintensiv ist, andererseits durch die Tatsache, dass ein relativ größerer Anteil der Staatsfinanzen von zugezogenen ausländischen Unternehmen stammen kann, da der eigene Markt im Vergleich zu anderen Staaten relativ klein ist. Es ist deswegen einfacher für kleinere Staaten, einen reduzierten Steuersatz über eine Vergrößerung der Steuerbasis durch Zuzug weiterer Unternehmen zu kompensieren.

Im Fall der Panama Papers wurde ja immer wieder darauf hingewiesen, dass die Briefkasten-Firmen an sich nichts Illegales seien. Kann man das so pauschal sagen?

Die Gründung einer Körperschaft im Ausland ist für sich genommen sowohl rechtlich als auch moralisch neutral. Zuallererst handelt es sich dabei um nichts anderes als ein rein rechtlich existentes Gebilde. Problematisch ist allenfalls die Nutzung dieses Gebildes, etwa, um Steuern zu hinterziehen, oder Schwarzgeld weiß zu waschen.

Angenommen, Sie leben in Luxemburg und sind zum Beispiel an einem Unternehmen in Panama beteiligt. Wenn dieses Unternehmen Gewinne an Sie ausschüttet  - beispielsweise auf Ihr Konto in Panama oder Luxemburg -, unterliegen diese Gewinnausschüttungen der Einkommensteuer in Luxemburg. Wenn Sie dieses Einkommen nicht in Ihre Einkommensteuererklärung aufnehmen, machen Sie sich der Steuerhinterziehung schuldig. Eine andere Frage betrifft die Nutzung von Briefkastengesellschaften zur Steuerplanung - diese ist grundsätzlich legal, wobei die Grenzen der Zulässigkeit in den letzten Jahren zunehmend enger gezogen werden, insbesondere über Anti-Missbrauchsvorschriften, welche die Nutzbarkeit von substanzlosen Gesellschaften für Steuerplanungszwecke weitgehend ausschalten.

Steuerplanung und Steuerhinterziehung – wo ist da der Unterschied?

Der Unterschied liegt im Wesentlichen in der Offenlegung. Wird eine Briefkastengesellschaft genutzt, um bestimmte Steuervorteile zu erhalten, und wird dies offengelegt, wird anhand der gesetzlichen Bestimmungen entschieden, ob diese Vorteile zustehen oder nicht. Stehen sie nicht zu - beispielsweise weil die Existenz der Briefkastengesellschaft für steuerliche Zwecke nicht anerkannt wird - so schlägt die Steuerplanung fehl, es ist also mehr Steuer zu bezahlen als der Steuerpflichtige gewollt hätte. Steuerhinterziehung liegt aber keine vor, der Steuerpflichtige hat nämlich keine bedeutsamen Fakten vor den Behörden verheimlicht.

Inwieweit befasst sich die Forschung mit diesem Sachverhalt?

Es gibt in der Tat eine ganze Reihe von Forschern, die sich mit diesem Themenbereich beschäftigt, auch an der Universität Luxemburg. An meinem Lehrstuhl zum Beispiel befassen wir uns damit, wo die richtigen Anknüpfungspunkte für die Steueraufteilung in der globalen Wirtschaft sind und wie sich Steuerfeststellung und Steuererhebung administrieren lässt. Aber auch mit der Rolle von Transparenz und deren Abgrenzung zu Privatsphäre und Rechtsschutz. An der Universität Luxemburg werden zu diesen Themen regelmäßig Konferenzen veranstaltet, die über den ATOZ Chair für Europäisches und Internationales Steuerrecht organisiert werden. Auch Kollegen der volkswirtschaftlichen Forschungseinheit beschäftigen sich mit verschiedenen Fragen rund um Steueroasen und Transparenz.

Interview: Uwe Hentschel
Foto: Michel Brumat

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