Ist der übermäßige Verzehr von einfachen Zuckern ein Mitverantwortlicher an der Übergewichts-Pandemie?

Wie denken Sie ?
a) Sie tragen zumindest eine Teilschuld
b) Ein zuviel an Fetten ist schuld
c) Ein zuviel an Kalorien ist schuld

“The world is fat”

Dies ist der Titel eines Bestsellers von Barry Popkin. Die Statistik gibt ihm recht: Erstmalig leben mehr Menschen mit Übergewicht als dass sie unterernährt wären. Weltweit, sind ca. 1.4 Milliarden Menschen übergewichtig oder gar krankhaft übergewichtig. Dies ist etwa jeder Vierte. Noch schlimmer sieht es in den entwickelten Ländern aus – in den USA etwa sind 2/3 der Bevölkerung übergewichtig – Europa hinkt nicht weit hinterher.

Die Folge? Insbesondere Herzkreislauferkrankungen und der sogenannte “Altersdiabetes”  - der gar nicht mehr nur alte Personen befällt. Fast jeder zehnte in den entwickelten Ländern ist betroffen. Noch vor einigen Jahrzehnten waren weder Übergewicht noch Altersdiabetes nennenswerte Probleme.

Die Suche nach dem Sündenbock

Woran liegt dies? Neben mangelnder Bewegung wurde schnell ein Sündenbock gefunden: Die Fettzufuhr. Fette haben über doppelt so viele Kalorien wie Kohlenhydrate oder Eiweiß. Außerdem gelten sie als schlecht für unsere Blutfette, etwa den Cholesterinspiegel. Diese Behauptung zog eine Unzahl von Light-Produkten nach sich: Light-Joghurt, Coke-light, und viele mehr. Das Problem: obwohl immer weniger Fette als zuvor verzehrt wurden, stieg das Übergewicht weiter an.

Viele wissenschaftliche Studien konnten gleichfalls keinen deutlichen Zusammenhang zwischen Fettzufuhr und Diabetes oder Herzkreislauferkrankungen aufdecken. Weder für die „schlechten“, also gesättigten Fette, noch für die „guten Fette“, die mehrfach ungesättigten omega-3 Fette (wie sie insbesondere in Fischölen vorkommen), ließen sich klare Effekte finden.

Der Kasus der Kohlenhydrate

Hiernach konzentrierte man sich auf die Zucker. Immerhin stieg die Zufuhr von Kohlenhydraten in den meisten Ländern, insbesondere zwischen den 70er Jahren und 2000 stark an – nicht zuletzt „dank“ des Siegeszuges gigantischer Konzerne wie Coca Cola. Zum Beispiel stieg der Konsum von zuckerhaltigen Getränken in den USA zwischen 1977 und 2004 um 135% an. Und in der Tat – viele Studien legen einen Zusammenhang nahe zwischen Herzkreislauferkrankungen und Diabetes und dem Verzehr an einfachen Zuckern.

Einfache Zucker lassen den Blutzucker schnell ansteigen – man spricht hier von einem hohen glykämischen Index. Besonders der Fruchtzucker gilt als ungesund – er wird schnell aufgenommen, und in der Leber in Blutfette umgewandelt.

Auch wenn der genaue Beitrag and Zuckerzufuhr zum Übergewicht umstritten ist – eine Mitschuld, neben zu hoher Energiezufuhr generell, scheint er zu Tragen.

Die richtige Antwort also lautet sowohl a) als auch c): Der Verzehr von einfahcen Zuckern trägt zum Übergewicht bei, allerdings sind auch zu viele Kalorien per se schädlich.

Zur Person

Der Autor Torsten Bohn ist Ernährungsforscher am Luxembourg Institute of Health (LIH). Er forscht an der Bioverfügbarkeit von Mikronährstoffen und deren Einfluss auf die Gesundheit. Zudem unterrichtet er als Adjunct Associate Professor an der Universität Luxemburg und ist Chefredakteur des “International Journal for Vitamin and Nutrition Research”. Torsten Bohn, aufgewachsen in Troisdorf bei Bonn, kam nach den Stationen Frankfurt am Main, ETH Zürich und Ohio State University, im Jahr 2007 nach Luxemburg zum damaligen CRP-Gabriel Lippmann. Seit 2016 arbeitet er nun beim LIH und kann auch in seiner Freizeit auf sein Ernährungsknowhow zurückgreifen: Torsten Bohn ist leidenschaftlicher Triathlet und Läufer.

In den kommenden Wochen wird science.lu jeden Dienstag ein neues Quiz von Torsten Bohn veröffentlichen.

Autor: Torsten Bohn,
Redakteur: Jean-Paul Bertemes
Literatur: Barclay et al. Glycemic index, glycemic load, and chronic disease risk—a meta-analysis of observational studies. American Journal of Clinical Nutrition, 2008, 87, 627-33

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