T. Conzemius
Am letzten Wochenende waren am wolkenlosen Himmel über Luxemburg hunderte von Zugvögel zu beobachten. Patric Lorgé, Vogelexperte bei natur&ëmwelt erklärt um welche Vögel es sich handelt, wo sie herkommen und wo sie hinfliegen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf ihre Migration hat und welche Rolle Luxemburg in dieser Vogelwanderung einnimmt.
Große Vögel zogen am Wochenende über unser Land. Patric Lorgé, um welche Vögel handelt es sich genau?
Im Moment fällt vor allem die Migration der Kraniche (Grus grus; LU: Krukert oder Huergänsen) ins Auge. Der Zug der Kraniche gilt seit jeher als Vorbote des Frühlings und nach dem Sommer dann kündigen die majestätischen Vögel das vorrückende Winterhalbjahr an. Anders als viele Leute denken gehören die Kraniche nicht zur Familie der Gänse (Anseridae) sondern zur Familie der Kraniche (Gruidae). Da beide – Kraniche und Gänse – in V-Formation fliegen, sind sie für den Laien am Boden nur schwer auseinander zu halten.
Aber auch andere Zugvogelarten, wie z.B. der Weißstorch oder der Rotmilan sind schon zum Teil zurück aus dem Süden.
Diese Zugvögel ziehen jetzt nach dem Winter aus dem Süden Richtung Norden. Warum verschlägt es sie im Winter in den Süden und wo genau setzen sie sich nieder?
Den Frühling, Sommer und Herbst verbringen die Kraniche in Nordeuropa – vom Norden Deutschlands, Polen, Skandinavien und dem Baltikum bis Russland. Hier brüten sie und ziehen ihre Jungen groß. Im Winter wird es hier jedoch sehr kalt und die Tage werden kürzer. Es wächst nichts mehr, die Insekten bleiben aus und die Seen frieren zu. Die Kraniche und andere Vögel finden nicht mehr genug Nahrung und ziehen deshalb nach Süden in ihr Winterquartier.
Kraniche verbringen den Winter in Spanien, in Süd-Frankreich und seit ein paar Jahren auch immer mehr am Lac du Der in der Champagne. Östliche Populationen fliegen bis nach Israel. Die Westzieher (West-Route), ziehen in einem schmalen Korridor von 100-150 km quer über West-Europa. Und in diesem Korridor liegt Luxemburg mittendrinn. Das erklärt warum wir hier so viele Kraniche beobachten können. An der Nordsee und im Alpenraum sind Beobachtungen recht selten.
Was zieht die Vögel jetzt wieder Richtung Norden?
Ausschlaggebend für den Beginn ihrer Wanderungen ist die Tageslänge, resp. die Anzahl an Sonnenstunden. Werden die Tage im Herbst kürzer, so bedeutet dies, dass sich Zugvögel auf den Weg gen Süden machen müssen. Instinktiv wissen sie im Frühjahr, wenn die Tage länger werden, dass im Norden (in ihren Brutgebieten) ihre Nahrung wieder zugänglich ist. Deshalb machen sie sich auf den Weg nach Norden.
Wie lange brauchen die Vögel für ihre Reise?
Die Kraniche brauchen – je nach Wetterlage – zwischen 4 und 8 Tagen für ihre Reise und erreichen Fluggeschwindigkeiten von 60 bis 80 km/h. Eine aktuelle Karte der aufgezeichneten Beobachtungen aus Deutschland und Luxemburg findet man auf ornitho.lu. Ornitho.lu ist das Datenportal der Centrale ornithologique (COL) für Vogelbeobachtungen. Wenn Du Dich mit Vögeln auskennst, kannst Du Dich auf der Plattform registrieren und deine Beobachtungen eingeben.
Ist es nicht noch etwas früh für die Reise Richtung Norden? Gibt es hier einen Zusammenhang mit dem Klimawandel?
Der Klimawandel hat ganz sicher Auswirkungen auf den Vogelzug: Kurz- und Mittelstreckenzieher reagieren auf das Wetter und lassen sich von warmen Wetterlagen im Frühjahr dazu verleiten früher Richtung Norden aufzubrechen. Im Herbst bleiben sie länger im Norden.
Bei den Kranichen haben sich die Bestandszahlen erholt und sind sogar gestiegen. Dies ist vor allem auf die 1979 in Kraft getretene Vogelschutzrichtlinie, und die daran gekoppelten Schutzmaßnahmen, zurück zu führen. Da der Lebensraum der Kraniche jedoch überall knapper wird, werden auch gute Brutplätze immer weniger. So ergattern die ersten Ankömmlinge im Frühling die besten Brutplätze. Wenn also das Wetter im Frühling wärmer wird, fliegen die ersten Kraniche los: ganz nach dem Motto „first come, first served!“. Kommt es im Norden zu einem erneuten Wintereinbruch kann es dadurch zu großen Verlusten kommen.
Die wirklichen Verlierer sind jedoch die Langstreckenzieher - Insbesondere insektenfressende Singvögel - welche südlich der Sahara überwintern. Sie sind nicht in der Lage sich spontan auf den Klimawandel einzustellen. So gehen ihre Bestände fortwährend zurück.
Die Kraniche ziehen also wegen dem sonnigen Wetter der letzten Tage schon jetzt nach Norden. Gibt es in ihren Brutgebieten denn jetzt schon genügend Nahrung für die Vögel oder erleben sie dort eine böse Überraschung?
Die meisten Kraniche die jetzt über Luxemburg gezogen sind sammeln sich im Norden an Rastplätzen wie z.B. dem Hornborga-See in Schweden oder im Osten Deutschlands. Dort beginnen sie mit der Balz und begeben sich zu ihren Brutplätzen. Falls der Winter doch noch einmal zurückkehrt, kann es sein, dass viele wieder einige hundert Kilometer nach Süden fliegen müssen.
Oft kündigen die Kraniche und Gänse sich mit lautem „Gekrächze“ an. Gibt es eine Erklärung für dieses „Geschrei“?
Kraniche sind ganz soziale Tiere. Der Familienverband bleibt bis zum Winter (manchmal sogar bis zum Frühling) bestehen. Während der Migration bleiben Eltern (kruu-kruu Rufe) mir ihren Jungen in Kontakt (priii Rufe).
Auch bei den Gänsen ist ständiges Geschnatter zu hören. Wenn sie ihre V-geformte Flugformation verlassen um sich von der Thermik (warme Luft die spiralförmig in die Höhe steigt nachdem sie am Boden erhitzt wurde) energiesparend in die Höhe tragen zu lassen, dann ist richtig was los. Wenn sie dann wieder in die V-Formation übergehen beruhigen sie sich meist wieder.
Welche Rolle spielt Luxemburg beim Zug der Kraniche?
Wie bereits erwähnt liegt Luxembourg genau im Zug-Korridor der Kraniche. Da sind wir natürlich in einer idealen Position um alle möglichen Daten (Vogel Art, Anzahl der Vögel, Datum und Ort der Beobachtung, etc…) zu dieser Migration zu sammeln. Andere Zugvogelarten sind Breitfrontzieher, das heißt sie überqueren Mitteleuropa in voller Breite. Die Centrale Ornithologique von natur&ëmwelt sammelt diese Daten:
- einerseits durch das Beringen von Vögeln und das Tracking in den verschiedenen Vogel Gebieten.
- Andererseits durch Beobachtungen, z.B. die Zählungen auf der „Sëller Héicht“, die jedes Jahr von Mitte August bis Anfang November durch Freiwillige durchgeführt werden.
Die Resultate von dieser Datenerhebung werden z.B. im Regulus aber auch in wissenschaftlichen Berichten publiziert.
Wir bedanken uns herzlichst für dieses interessante Gespräch.
Fragen und Bearbeitung: Michelle Schaltz (FNR)
Fotos: Patric Lorgé
Vogelexperte Patric Lorgé der Centrale Ornithologique von natur&ëmwelt: