© Uwe Hentschel
„Das könnten wir gar nicht leisten“, sagt Julian Klaus. „Selbst mit zehn Leuten und zehn Autos wäre ein solches Vorhaben äußerst ambitioniert“, fügt er hinzu. Weil dafür aber im Luxembourg Institute of Science (LIST) weder das Personal noch der notwenige Fuhrpark zur Verfügung steht, ist LIST-Forscher Klaus froh, dass es nun eine andere Lösung gibt. Eine Lösung, von der alle Beteiligten profitieren.
Es geht um Niederschlag. Den zu messen und zu analysieren ist für einen Hydrologen im Grunde nicht das eigentliche Problem: Erst wird der Regen in einer Messstation gesammelt, und dann ab damit ins Labor. Schwierig wird es allerdings, wenn man das Wasser, das vom Himmel fällt, flächendeckend sammeln und untersuchen möchte. Und das auch möglichst engmaschig. Dann nämlich benötigt man viele Messstationen. Und viel Personal, um jede dieser Stationen abzufahren.
Die Schüler sammeln Niederschlagswasser und die Forscher untersuchen es
Für Julian Klaus und seine Kollegen gibt es nun personelle Verstärkung. Die Forscher des LIST werden nämlich derzeit von rund 350 Schülern aus elf Schulen in ganz Luxemburg unterstützt. Jeder dieser Schüler wurde mit einem kleinen Trichter und einer Wassersammelflasche ausgestattet und hilft nun den Wissenschaftlern beim Sammeln von Daten.
„Der Ablauf ist folgendermaßen: Wir beobachten das Wetter, und wenn Regen ansteht, geben wir den Schülern zwei Tage vorher Bescheid“, erklärt der Hydrologe. „Die Schüler stellen dann ihre Flaschen mit den Trichtern zu Hause auf und sammeln das Wasser.“ Danach kämen die Proben ins Labor. „Wenn wir zehn Niederschlagsereignisse zusammen haben, suchen wir uns davon dann fünf oder sechs Tage aus, die wir analysieren“, sagt Klaus.
Ein ganz wichtiger Datenschatz
Konkret untersucht werden soll der Gehalt stabiler Isotope (siehe Infobox) im Wasser. „Es geht bei dem Versuch darum zu verstehen, wie die räumliche Verteilung der Isotopen im Niederschlag ist“, erklärt der Forscher. Da der Gehalt im Niederschlag variiere, könne man so beispielsweise herausfinden, wie lange es dauert, bis der Regen im Grundwasser ankommt. Und dieses Wissen wiederum sei wichtig für die Qualität des Wassers, so Klaus. Wenn beispielsweise der Bode durch Schadstoffe kontaminiert werde, könne man so abschätzen, wie lange es dauert, bis die Schadstoffe im Grundwasser ankommen.
„Für uns ist das ein ganz wichtiger Datenschatz, den wir ohne die Hilfe der Schüler nie zusammenbekämen“, sagt er. Wenngleich es bei dem Projekt aber nicht nur um das Sammeln hydrologischer Daten gehe, wie der Hydrologe erklärt. Es gehe vor allem auch darum, bei den Schülern der Geografie-Klassen, die an dem Projekt teilnehmen, das Interesse für naturwissenschaftliche Forschung zu wecken.
Schüler leisten wissenschaftliche Pionierarbeit
So hätten zunächst die Lehrer am List eine Vorlesung zum Thema besucht, um ihre Schüler auf das Projekt vorzubereiten. „Uns war wichtig, dass es kein rein wissenschaftliches Thema ist und dass die Schüler auch den praktischen Nutzen erkennen“, sagt Klaus und verweist auf die vielen Einsatzmöglichkeiten der Isotopenuntersuchung.
„In der Lebensmitteltechnologie kommt die Untersuchung beispielsweise zum Einsatz, um die Herkunft von Obst oder Fleisch zu bestimmen“, erklärt er. „Bei Ötzi konnte man dadurch rekonstruieren, wo er aufgewachsen ist“, fügt er hinzu. Und da sich Wasser auch in Haaren nachweisen lasse, komme das Verfahren in der Kriminalistik ebenfalls zum Einsatz.
Von dem Projekt, das der FNR im Rahmen des Förderprogramms PSP-Classic (Promoting Science to the Public) unterstützt, profitieren also beide Seiten: das LIST, weil es dadurch wichtige Daten bekommt, auf die es sonst verzichten müsste, und die Schüler, weil ihnen dadurch der praktische Nutzen von Forschung vermittelt wird. Zudem leisteten die Jungs und Mädchen auf diesem Gebiet Pionierarbeit, wie der Hydrologe erklärt: „So etwas hat es in diesem Umfang vorher noch nie gegeben.“
Autor: Uwe Hentschel
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Infobox
Isotope sind Atome, bei denen die Zahl der Protonen identisch ist, die der Neutronen jedoch unterschiedlich. Uran-235 und Uran-238 beispielsweise haben zwar jeweils 92 Protonen, aber unterschiedlich viele Neutronen, nämlich 143 und 146. Insgesamt sind weit über 3000 Isotopen bekannt. Stabile Isotopen zeichnen sich dadurch aus, dass sie – anders als die instabilen Istopen – keinen radioaktiven Zerfall aufweisen.