(C) I.Sasgen, GFZ
Es ist ungefähr so, als würde man in einem Auto mit defekten Bremsen den Berg hinunterfahren. Stoppen kann man das Fahrzeug nicht. Aber man kann immerhin versuchen, ein paar Gänge runterzuschalten. „Das Problem lässt sich nicht verhindern“, sagt Tonie van Dam. „Wir können nur die Geschwindigkeit reduzieren.“ Van Dam bezieht sich damit auf den Klimawandel, den sie als Geophysikerin der Uni Luxemburg seit Jahren mitverfolgt. Sie war bereits mehrfach in Grönland, hat dort untersucht, wie das Gletschereis auf den Klimawandel reagiert und welche Auswirkungen das wiederum auf die Erdoberfläche hat.
Es gibt Wissenschaftler, die gehen davon aus, dass das gesamte Eis auf der Erde in den kommenden 2000 Jahren verschwunden sein wird. Der globale Meeresspiegel könnte sich dadurch in diesem Zeitraum um 120 Meter erhöhen. Die meisten Küstenstädte der Welt würden also im Meer versinken. Wer – so wie die Menschen in Luxemburg – nicht an der Küste lebt, wird davon nichts mitbekommen. Das zumindest glauben viele. Doch den Klimawandel werden alle zu spüren bekommen. Und das nicht nur in Form von ein paar Grad Temperaturunterschied.
Der Lebensraum wird immer knapper
„Wenn der Meeresspiegel steigt, werden auch die Pegel der Flüsse steigen, und das gilt dann auch für Luxemburg“, erklärt Matthias Weigelt, ebenfalls Geophysiker der Uni Luxemburg, der mit van Dam an mehreren Forschungsprojekten zusammenarbeitet. Weitere Begleiterscheinungen des Klimawandels, so Weigelt, könnten Insektenplagen und vor allem Probleme mit der Trinkwasserversorgung werden. Denn bei Fluten und Überschwemmungen, die aufgrund des Klimawandels weiter zunähmen, werde auch viel Dreck und Müll mitgerissen, der sich dann im Wasser verteile. Und dadurch verschlechtere sich wiederum die Wasserqualität.
Verschärft wird das Problem für van Dam und Weigelt zusätzlich durch die Bevölkerung, da diese stetig wachse, gleichzeitig aber aufgrund der klimatischen Veränderungen mit immer weniger Land und mit immer weniger sauberen Wasser auskommen müsse. Allein entlang der Küsten lebten derzeit 600 Millionen Menschen, deren Lebensraum wegen des wachsenden Meeresspiegels bedroht sei, sagt van Dam. Hinzu kämen weitere Regionen der Erde, wo sich die Lebensbedingungen durch den Klimawandel weiter verschlechtern würden. „Wir werden es mit großen Völkerwanderungen zu den Industrieländern zu tun bekommen.“
Letztlich hängt vieles zusammen. Die Frage ist nur: Wie?
„Klimawandel gab es immer und wird es immer geben“, sagt Weigelt, „und das ist ein ganz natürlicher Vorgang.“ Es habe in der Erdgeschichte immer wieder Zeiten gegeben, in denen die Pole komplett geschmolzen seien. Das eigentliche Problem sei eben die Geschwindigkeit, auf welche die Natur einfach nicht vorbereitet sei, fügt er hinzu. „Gelingt es uns aber, den Klimawandel zu verlangsamen, können sich sowohl der Mensch als auch die Natur auf die geänderten Rahmenbedingungen einstellen.“
Dass der Mensch sich nicht nur auf Veränderungen durch den Klimawandel einstellen muss, sondern diese Veränderungen selbst auch stark beeinflusst, ist für die Forschung unbestritten. „Was wir aber nicht wissen, ist, wie groß dieser Einfluss ist“, so van Dam. „Wichtig ist, das System Erde zu verstehen.“ Es gebe viele Fragen, die noch unbeantwortet seien. Zum Beispiel die, wie sich Veränderungen der Atmosphäre auf die Erde und das Wasser auswirken. Letztendlich hänge alles zusammen, sagt die Geophysikerin. „Wir untersuchen Grönland, aber im Grunde geht es dabei auch um Luxemburg.“
Autor: Uwe Hentschel
Foto: I.Sasgen, GFZ