(C) University of Luxembourg
Bisher wurde angenommen, dass es zwischen Menschen mit und ohne Typ-1-Diabetes große Unterschiede in der DNA der Darmbakterien gäbe. Ein luxemburgisches Forscherteam hat dies nun widerlegt. Es gibt jedoch Unterschiede, was die Bakterien tun. Dies konnte mit einem neuen Analyseverfahren entdeckt werden.
Der menschliche Darm ist ein komplexes Ökosystem: Zahllose Bakterien besiedeln ihn und helfen dabei, die Nahrung zu verdauen. Eine zentrale Frage, die Forscher beschäftigt, ist ob die Zusammensetzung der Bakterien im Darm – das sogenannte Mikrobiom – bei gesunden oder kranken Menschen unterschiedlich ist. Denn dies könnte helfen, Krankheiten wie z.B. Diabetes früher zu erkennen und auch gezielter zu behandelt, z.B. durch Zugabe von Probiotika.
Ein Wissenschaftlerteam aus Luxemburg stellte jetzt anhand von menschlichen Stuhlproben fest, dass sich sich die bakterielle Artenzusammensetzung zwischen Menschen mit und ohne Typ-1-Diabetes gar nicht so dramatisch unterscheidet, wie bisher angenommen wurde. „Es gibt aber deutliche Unterschiede was die Bakterien tun,“ sagt Anna Heintz-Buschart vom Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) der Uni Luxemburg. Sie ist Erstautorin der wissenschaftlichen Publikation der Ergebnisse, die heute im renommierten Fachblatt Nature Microbiology erschien.
Paul Wilmes: „Jetzt wissen wir, wer was wann macht.“
Mit einem neuen Analyseansatz konnten die Forscher herausfinden, welche Gene der Bakterien des Mikrobioms ein- oder ausgeschaltet sind und welche Proteine zu welchem Zeitpunkt produziert werden. Und stellten fest, dass es hier zwischen Menschen mit und ohne Diabetes deutliche Unterschiede gibt. Sie vermuten, dass unter anderem Veränderungen im Stoffwechsel der Bakterien einen Einfluss auf das Krankheitsbild haben.
Solch exakte Aussagen über die krankheitsrelevanten Veränderungen im Mikrobiom und Erkenntnisse über deren funktionelle Auswirkungen im Körper waren bisher unmöglich, unterstreicht Prof. Dr. Paul Wilmes, Leiter der Eco-Systems Biology-Gruppe des LCSB, die federführend bei der Untersuchung war.
„Mit den üblichen DNA-Analysen konnten wir zwar die Artenzusammensetzung im Ökosystem Darm bestimmen. Was dort aber eigentlich los war, blieb uns verschlossen,“ sagt Wilmes. Er vergleicht dies mit einer Volkszählung: „Wir konnten zwar die Bevölkerung zählen, wussten aber nichts über die Berufe, die die Menschen ausüben. Jetzt wissen wir, wer was wann macht.“
Wie entstehen die Unterschiede zwischen gesunden Menschen und Diabetikern?
• Bei Typ-1-Diabetes werden die insulinbildenden Zellen vom eigenen Immunsystem angegriffen.
• Dadurch wird die Bauchspeicheldrüse in Mitleidenschaft gezogen,
• wodurch sich wiederum die Zusammensetzung der Verdauungssäfte ändern kann.
„Die Darmbakterien müssen sich auf diese Veränderung in ihrer Umwelt einstellen“, so Heintz-Buschart. „Das machen sie, indem sie ihren Stoffwechsel anpassen, also Proteine oder Vitamine wie Thyamin in anderen Mengen herstellen. Wichtig dabei ist, dass ein veränderter Thyamin-Spiegel im Körper negativen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit haben könnte.“
Die ursprünglich nützlichen Bakterien werden so zum gesundheitlichen Risiko und verschlechtern unter Umständen das Krankheitsbild des Diabetes.
Im Zentrum der Studie stehen Patienten
Die Resultate der Forscher vom LCSB stammen aus einer Zusammenarbeit mit der luxemburger Biobank IBBL (Integrated BioBank of Luxembourg), dem Centre Hospitalier de Luxembourg und dem Centre Hospitalier Emile Mayrisch.
Im Zentrum der so genannten MUST-Studie (Diabetes multiplex family study) stehen Patienten, die bereits seit einigen Jahren an Typ-1-Diabetes leiden und die Stuhlproben bei der IBBL hinterlegt haben. „Wir haben die Bakterien aus Stuhlproben dieser Menschen untersucht“, sagt Dr. Anna Heintz-Buschart: „Außerdem konnten wir auch Stuhlproben gesunder naher Verwandter der Diabetes-Patienten analysieren.“
Mediziner hoffen auf Biomarker für eine frühere Diagnose von Diabetes
Große Hoffnung auf den neuen Forschungsansatz haben vor allem die Mediziner, mit denen Wilmes und sein Team zusammenarbeiten. Zu ihnen gehört Dr. Carine de Beaufort, die sowohl am LCSB als auch am Centre Hospitalier de Luxembourg forscht und Patienten behandelt.
Dank ihrer Hilfe war es überhaupt erst möglich Familien zu identifizieren, in denen Kranke und Gesunde zur Teilnahme an der Studie bereit waren. „Wir versprechen uns von solchen Untersuchungen Hinweise auf Biomarker“, sagt sie. „Das sind Moleküle, etwa Proteine, deren Menge im Körper sich schon im frühen Stadium einer Diabetes-Erkrankung ändert. Solche Biomarker würden die Diagnose erleichtern, sodass wir schon sehr früh präventiv oder therapeutisch eingreifen könnten.“
Weiterführende Studie bezieht Kinder mit Frühform von Diabetes mit ein
Um die Suche nach den Biomarkern voranzutreiben, soll die Studie weitergehen, so Paul Wilmes: „Wir würden jetzt gern mit Familien zusammenarbeiten, in denen Kinder mit Frühformen von Diabetes leben“, sagt er: „Gerade bei jungen Menschen ist es besonders wichtig, so früh wie möglich Hinweise auf Krankheiten zu bekommen. Denn je eher die Ärzte eingreifen können, umso besser können sie für ein Leben mit möglichst wenigen Einschränkungen sorgen.“
Wilmes hat dabei detaillierte mechanistische Studien im Sinn, um die komplexen Funktionen des Mikrobioms besser zu verstehen: „Damit können wir erkennen, wie funktionelle Unterschiede beispielsweise bei der Biosynthese des Vitamins Thyamin durch das Darmmikrobiom mit Typ 1-Diabetes in Verbindung stehen. Studien wie MUST sind dafür als Hypothesengenerator unerlässlich.“
Autor: Uni Luxemburg
Foto: © University of Luxembourg: The "core" team behind the paper. From left to right: Paul Wilmes, Linda Wampach, Laura Lebun, Patrick May, Anna Heintz-Buschart, Carine de Beaufort and Angela Hogan.
Infobox
Bei Typ I Diabetes, die häufig bereits in der Kindheit auftritt, zerstört das eigene Immunsystem die Insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Typ I Diabetiker benötigen ihr ganzes Leben lang Insulinspritzen. Typ I wird meistens schnell erkannt. Symptome sind erhöhter Durst, häufiges Urinieren, Gewichtsverlust und Müdigkeit.
Typ II Diabetes tritt in der Regel erst bei Erwachsenen auf und entsteht, wenn Zellen eine Resistenz gegen Insulin entwickeln, d.h. Insulin wird zwar noch produziert aber ist nicht mehr wirksam. Die Krankheit tritt eher schleichend auf und Patienten haben nicht unbedingt Beschwerden. Ein überhöhter Blutzuckerspiegel wird oft erst spät erkannt. Übergewicht ist ein klarer Risikofaktor. Aufklärung, regelmäßige Bewegung und angepasste Ernährung sind die Hauptbehandlungsmethoden. Bei Bedarf werden Medikamente und Insulintherapie verordnet.
Der Durchbruch war die Kombination verschiedener Analysetechniken: Die Wissenschaftler des LCSB haben das Erbmaterial der Bakterien in den Stuhlproben, die DNA, analysiert und zugleich die RNA einbezogen, also die Moleküle, die beim Ablesen der DNA zunächst gebildet werden. Außerdem können sie auch die Proteine identifizieren, die im nächsten Syntheseschritt entstehen.
Das MUST Projekt wurde in Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsgruppen des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine der Universität Luxembourg, der IBBL, dem Centre Hospitalier de Luxembourg und dem Centre Hospitalier Emile Mayrisch durchgeführt. Das Projekt wurde im Rahmen des Personalized Medicine Consortiums initiiert und erhielt finanzielle Unterstützung von der IBBL und dem ATTRACT, CORE, INTER und AFR Förderprogrammen des Luxembourg National Research Fund (FNR).
Anna Heintz-Buschart, Patrick May, Cédric C. Laczny, Laura A. Lebrun, Camille Bellora, Abhimanyu Krishna, Linda Wampach, Jochen G. Schneider, Angela Hogan, Carine de Beaufort and Paul Wilmes: Integrated multi-omics of the human gut microbiome in a case study of familial type 1 diabetes. Nature Microbiology.
Ass. Prof. Dr. Paul Wilmes, E. paul.wilmes@uni.lu , T. +352 46 66 44 6188, http://wwwen.uni.lu/lcsb/people/paul_wilmes