Euro-Krise ist überall – zumindest gefühlt. Inwieweit können die Probleme einzelner Länder tatsächlich die Stabilität des Euro bedrohen? Lamia Bekkour und Fanou Rasmouki haben den Dauerbrenner differenziert unter die Lupe genommen.
Als Griechenland im Oktober 2009 seine Schulden offenlegte, war das Entsetzen groß. Das Wort Euro-Krise machte die Runde. Fortan versuchte die Politik die Krise verzweifelt in den Griff zu bekommen, und Experten aller Art machten in Schwarzmalerei – zumal auch andere Länder in den Sog der Krise gerieten (Siehe Infobox). Der Grundtenor: Die Krisenstaaten ziehen ganz Europa in den Abgrund.
„Gefühlte“ Ausgangslage: Ein Land kann alle anderen nach unten ziehen
Lamia Bekkour und Fanou Rasmouki, Doktorandinnen an der Luxembourg School of Finance an der Universität Luxemburg, haben die haben Euro-Krise differenziert analysiert: „Ziel unserer Studie war es heraus zu finden, wie die Kreditwürdigkeit einzelner Mitglieds-Länder der Euro-Zone sich tatsächlich auf die Stabilität der gemeinsamen Währung auswirkt – und warum“, so Lamia Bekkour. Und Fanou Rasmouki ergänzt: „Die „gefühlte“ Ausgangslage war ja die, dass ein oder zwei Ländern die gesamte Währungsunion nach unten ziehen können.“
Die Kreditwürdigkeit jedes Krisenlandes wird von Finanzmärkten anders beurteilt
Die Schlussfolgerung der beiden Forscherinnen: Es hängt vom jeweiligen Krisenland ab, denn die Finanzmärkte, deren „Urteil“ letztendlich entscheidet. reagieren von Krisenfall zu Krisenfall sehr unterschiedlich. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit Spaniens, Portugals, Italiens und Irlands wird als unmittelbar bedrohlich für die Eurostabilität wahrgenommen. Die Reaktionen der Anleger auf eine mögliche Pleite Griechenlands hingegen würden vergleichsweise gelassen ausfallen – aus gutem Grund.
Schulden innerhalb der Euro-Zone provozieren Domino-Effekt
Laut Lamia Bekkour und Fanou Rasmouki stellen sich Anleger nämlich vor allem die Frage: Wo sind die Schulden des jeweiligen Landes „geparkt“? Und da die meisten spanischen, irischen und italienischen Schulden von französischen und deutschen Banken gehalten werden - also innerhalb der Euro-Zone – werden so genannte Domino-Effekte befürchtet. Das bedeutet: Wenn z.B. Spanien seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann, verlieren französische und deutsche Banken Geld, so dass auch diese Länder in Schwierigkeiten geraten können.
Sonderfall Griechenland: Das Land ist bei europäischen Banken vergleichsweise gering verschuldet
Besagtes Risiko eines Domino-Effekts sehen die Finanzmärkte auch im Falle Portugals, das vor allem bei spanischen Banken verschuldet ist. Und Griechenland? „Im Vergleich zu den anderen Krisenländern ist der Anteil der Schulden Griechenlands bei Banken der Euro-Zone relativ gering“, erläutert Fanou Rasmouki, die das Szenario so zusammen fasst: „Je höher die Forderungen der Banken eines Mitglieds der Eurozone an ein anderes Mitgliedsland sind, desto mehr befürchten die Märkte den Dominoeffekt – Resultat: Anleger reagieren nervös, das Crash-Risiko für den Euro steigt.
Klassische Situation: Nationale Haushaltpolitik und nationale Währung
In ihrer Studie weisen die beiden Forscherinnen auch einen Faktor hin, der das Krisen-Management in der Eurozone besonders schwer macht: Die Trennung von Haushalts- und Währungspolitik: „Klassischerweise ist es ja so, dass jedes Land seine eigene Währung hat und seine eigene Haushaltspolitik“ so Lamia Bekkour. Dies bedeute, dass eine unsolide Haushaltspolitik zu einer Verschlechterung der Kreditwürdigkeit des jeweiligen Landes führe – und dann zur Abwertung seiner (eigenen) Währung.
Sonderfall Euro-Zone: Unabhängiger Staatshaushalt und gemeinsame Währung
Die Euro-Zone breche nun mit diesem rein nationalen Prinzip. Jedoch nicht konsequent, wie Fanou Rasmouki ergänzt: „Hier sprechen wir von Ländern mit jeweils unabhängigen Staatshaushalten, die jedoch eine gemeinsame Währung haben.“ Das bedeute, dass die individuelle Finanzpolitik sich auf eben diese gemeinsame Währung auswirke. Und diese Auswirkungen können im Falle einiger Krisenländer eben sehr gravierend für alle sein - – je nachdem, wie hoch die Finanzmärkte das Risiko eines Domino-Effekts einstufen.
Autor: Sven Hauser
Infobox
Die Eurokrise erfasste nach Griechenland vor allem Spanien, Portugal, Irland und Italien. Sie steht in engem Zusammenhang mit der weltweiten Finanzkrise des Jahres 2007, wobei dies von Fall zu Fall variiert. Während zum Beispiel auf der iberischen Halbinsel und in Irland die globale Finanzkrise eine große Rolle spielte, reichen in Italien und Griechenland die Ursachen weiter zurück: Beide Länder hatten bereits vor Ausbruch der Eurokrise einen extreme hohen Schuldenstand.
Die Frage: Ist wirklich jedes „Schuldenland“ gleich zu beurteilen? Geht zum Beispiel von Griechenland dieselbe Gefahr für den Euro aus wie von Irland?
Die Analyse: Als Grundlage wurde das Verhalten von Anlegern in ausgewählten Finanzmarktbereichen seit Beginn der Krise detailliert untersucht.
Das Resultat: Die Anleger sehen die Krise sehr wohl differenziert. Ein wichtiges Kriterium ihres Verhaltens ist der zu befürchtende Domino-Effekt innerhalb der Euro-Zone.“