Contact-tracing-app

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Tracking Apps und Contact Tracing Apps sind nicht dasselbe.

Mit dem momentanen Lockdown haben viele Regierungen das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit der Menschen arg beschnitten. Eine Maβnahme, die nötig war, um im Kampf gegen das SARS-CoV-2 Virus den Kollaps unserer Gesundheitssysteme zu vermeiden. Es gibt genügend Studien, die zeigen, was passiert wäre, wenn die Regierungen nichts unternommen hätten. Diese Szenarien waren einfach keine Option. Doch nun gilt es, schrittweise den Weg wieder in die Normalität zu finden. Nur: wie?

Tracking Apps und Contact-Tracing-Apps werden zurzeit heiβ diskutiert. Sie sollen helfen, das Virus unter Kontrolle zu halten – was eine Voraussetzung ist, um die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit des Lockdowns zu lockern. Doch helfen sie überhaupt? Und viele Menschen sind noch skeptisch: Wie steht es mit dem Datenschutz?

Soviel vorweg: Tracking Apps und Contact Tracing Apps sind nicht dasselbe. Und nein, der Datenschutz sollte nicht geopfert werden im Kampf gegen Covid-19! Und das ist auch gar nicht nötig. Die Diskussionen über Tracking- und Contact Tracing-Apps verlaufen manchmal so, als gäbe es nur eine Option: Wenn App, dann kein Datenschutz.

Die Wahrheit aber ist: Es werden zurzeit viele verschiedene Systeme und Prozesse diskutiert, entwickelt und getestet, um die Epidemie einzudämmen – mit oder ohne Hilfe von Technologie. Einige sind GDPR-konform, andere nicht. Einige sind vereinbar mit dem europäischen Verständnis vom Schutz der Privatssphäre, andere nicht. Es findet gerade eine Debatte darüber statt, was für Politiker, Bürger und Forscher akzeptabel ist und was nicht.

Konkret in Bezug auf Apps äuβern sich derzeit auch viele Organisationen, wie z.B. der Chaos Computer Club, Reporter ohne Grenzen oder die Europäische Kommission in ihrem Positionspapier „Coronavirus: An EU approach for efficient contact tracing apps to support gradual lifting of confinement measures“...

Es ist sowieso auch nötig, dass die Menschen einer eventuellen Contact Tracing-App vertrauen. Denn etwas ist sicher: Der Nutzen einer Contact Tracing-App ist gleich null, wenn keiner sie nutzt. Könnten sie aber eventuell sehr nützliche Werkzeuge für Regierungen werden, wenn sie den Datenschutz respektieren, länderübergreifend funktionieren, von der Bevölkerung akzeptiert werden und sicher sind?

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

Backgroundinfo: Um was geht es hier eigentlich?

Im Rahmen möglicher Exit-Strategien aus dem Lockdown gilt: Wir müssen als Gesellschaft die Kontrolle über das Virus behalten. Es gibt in der Epidemiebekämpfung zwei Phasen: In der 1. Phase (Containment) werden positiv Getestete und deren Kontakte gezielt ermittelt und in Quarantäne versetzt. Die Kapazitäten der Behörden sind hier allerdings limitiert. Sobald es zu viele Fälle gibt, tritt Phase 2 ein (Mitigation): die gesamte Gesellschaft wird sozusagen in Quarantäne versetzt.

Wenn wir als Gesellschaft zurück in die „Normalität“ wollen, müssen wir also wieder zurück zu Phase 1.

Als Anmerkung: Als in Luxemburg noch die gesamte Gesellschaft sich frei bewegen konnte, gab es nur wenige Fälle. Am 16. März, als die Schulen schlossen, waren es beispielsweise „nur“ 81 positiv getestete Personen. Ab da funktionierte Phase 1 augenscheinlich nicht mehr.

Aktuell sind wir bei über 3000 positiv getesteten Personen (natürlich alle zusammen gezählt, wenn man nun die Genesenen etc abzählt, sind es weniger, aber auf jeden Fall mehr als zum Zeitpunkt Mitte März).

Da wir nun bei höheren Fallzahlen sind, ist es also wichtig, dass wir andere, bessere, zusätzliche Methoden finden, um das Virus zu kontrollieren – wenn wir Lockerungsmaβnahmen durchführen wollen, die auch nachhaltig wirken (ein zweiter Lockdown sollte unter allen Umständen vermieden werden).

Die bisher gängige Methode: Contact Tracing

Contact Tracing (Rückverfolgung von Infektionsketten) ist eine medizinisch-epidemiologische Methode, die seit Jahrzehnten angewendet wird, um Virus-Epidemien einzudämmen. Das Ziel ist es, Infektionsketten schnell zu verfolgen und früh zu unterbrechen.

Contact tracing besteht darin, alle rezenten Kontakte einer positiv getesteten Person zu identifizieren und unter häusliche Quarantäne zu stellen. Üblicherweise werden diese Aufgaben von den Gesundheitsbehörden in Handarbeit erledigt, durch Telefonate, Interviews, Fragebögen…. D.h. Beamte kontaktieren den Infizierten und gehen mit ihm alle seine Kontakte durch. Der luxemburgische Virologe Claude Muller hatte in diesem Kontext angeraten, die Menschen sollten eine Art Tagebuch führen, mit wem sie in Kontakt waren. Dann kontaktieren die Behörden anschlieβend alle Kontakte des positiv Getesteten.

In Singapur wird bei diesen Verfahren z.B. auch die Polizei mit eingeschaltet, mit weitreichenden Befugnissen. In Südkorea verfolgen die Behörden die Wege und Kontakte von Infizierten sogar indem sie Informationen aus Überwachungskameras, Kreditkartennutzung und Mobiltelefonen auswerten.

So oder so gilt: Beim Contact Tracing stellen sich Fragen des Datenschutzes. Es ist jedoch eine wirksame Methode. Hier eine anschauliche Erklärung zu Contact Tracing:

Das Problem der „manuellen“ Methode: Es kostet Zeit und überfordert angesichts der aktuellen Fallzahlen die Behörden. Eine Möglichkeit ist, die Kapazitäten der Behörden zu erhöhen. Einige Länder haben rezent tausende Menschen rekrutiert, um die Behörden beim Contact tracing zu unterstützen. Eine andere Möglichkeit ist, technische Hilfsmittel zu nutzen, wie z.B. Apps.

Ein weiteres Problem vom „manuellen“ Contact Tracing: Im Fall von Covid-19 riskiert man, immer einen Schritt zu spät zu sein. Neueste medizinische Studien legen nahe, dass eine mit dem SARS-CoV-2 Virus infizierte Person bereits andere Menschen anstecken kann, bevor bei ihr überhaupt die ersten Symptome auftreten.

Hier ein Video vom World Economic Forum, das Contact Tracing (manuell und via App) gut zusammenfasst.

Was ist das Risiko, wenn wir nicht schnell genug hinterherkommen?

Wenn Lockerungen der aktuellen Maßnahmen die Bewegungsfreiheit der Menschen erhöhen, steigt das Risiko einer zweiten Infektionswelle. Diese zweite Welle könnte dabei weitaus heftiger ausfallen als die Erste. Denn sie beginnt mit mehr infizierten Personen als die erste Welle (die in jedem Land mit einem Fall oder ganz wenigen Fällen begonnen hat) und lässt die Zahl der Neuinfektionen dadurch viel rasanter ansteigen.

Weshalb fordern viele Forscher den Einsatz von Contact Tracing-Apps zur Eindämmung der Corona-Pandemie?

Es geht um die Effizienz und die Schnelligkeit beim Contact Tracing. In einer Studie, die gerade im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde, kommen Wissenschaftler zu dem Schluss, „dass die Virusverbreitung zu schnell ist, um durch manuelle Kontaktverfolgung eingedämmt werden zu können. Dass sie aber kontrolliert werden könnte, wenn dieser Prozess schneller und effizienter wäre und in großem Maßstab stattfinden würde. Eine Kontaktverfolgungs-App, die ein Gedächtnis von Nahkontakten aufbaut und Kontakte sofort über positive Fälle benachrichtigt, kann eine Epidemie-Kontrolle erreichen, wenn sie von genügend Menschen genutzt wird.“

Auch z.B. die Leopoldina, die Nationale Akademie der Wissenschaften in Deutschland, empfiehlt die Erweiterung der traditionellen Systeme. Die Wissenschaftler glauben, dass Contact Tracing und Contact Tracking Apps helfen könnten, die Kontakte eines Erkrankten schnell und automatisch zurückzuverfolgen. Sie könnten damit zum Mittel der Wahl werden.

Auch die Europäische hat eine Empfehlung für eine koordinierte Herangehensweise herausgegeben, um Tracing Apps im Kampf gegen Covid-19 einzusetzen (Coronavirus: Commission adopts Recommendation to support exit strategies through mobile data and apps)

Gibt es Beispiele von Contact Tracing-Apps, die sich an den Richtlinien des GDPR orientieren?

Die in der Schweiz gegründete gemeinnützige Organisation Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing, kurz Pepp-PT, will eine App-Lösung finden, die nicht nur die Kontaktpersonen von Infizierten effizient und schnell findet, sondern dabei auch mit dem europäischen Datenschutz konform ist. Dazu entwickelt das Konsortium, das aktuell über 130 Mitglieder aus acht Ländern zählt und dem unter anderem mehrere Fraunhofer-Institute, Universitäten und das deutsche Robert-Koch-Institut angehören, eine Software-Plattform, auf die spätere Apps aufsetzen können. Die Tracing-Technologie setzt dabei auf den Bluetooth-Standard. In Deutschland soll es demnächst eine App auf Pepp-PT Basis geben.

Auch die beiden US-amerikanischen Hightech-Unternehmen Apple und Google arbeiten gemeinsam an einer Anwendung, die sie mit einem Update ihrer Betriebssysteme automatisch verteilen könnten. Die App soll dabei ähnlich funktionieren, wie das Pepp-PT-Konzept.

Wie funktionieren die Systeme von Pepp-PT und Apple / Google?

Jedes Telefon erhält eine zufallsgenerierte Identifikationsnummer. Diese ändert sich täglich und wird ständig per Bluetooth an alle anderen Geräte in der Nähe gesendet. Wird ein Benutzer der App positiv auf Covid-19 getestet, meldet er das dem System. Dieses wird von den Gesundheitsbehörden betrieben und erkennt automatisch die IDs der Nutzer, die sich in der Nähe des Betroffenen aufgehalten haben. Denen sendet es eine Nachricht mit der Bitte, sich auf Covid-19 testen zu lassen. Dabei soll den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts gefolgt werde. Die besagen, dass höchstes Ansteckrisiko eingeht, wer sich mindestens 15 Minuten im Umkreis von zwei Metern zu einer infizierten Person aufhält.

Inwiefern sind die Verfahren (insbesondere Pepp-PT) grenzüberschreitend einsetzbar?

Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland sieht im „anonymen, länderübergreifenden Austauschmechanismus“ eine wichtige Vorgabe, die eine Contact Tracing-App erfüllen muss. Auch der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel hat darauf hingewiesen, dass, wenn überhaupt, nur eine App in Frage käme, die über die Grenzen hinaus funktioniert. Mit all den Grenzgängern in Luxemburg würde eine App sonst auch kaum einen Nutzen haben.

Diese Funktionalität ist im Manifest des PEPP-PT-Projektes verankert. Dort heißt es: „Die zugrundeliegende Technologie, die in ständigem Austausch mit Datenschutzexperten und Ethikern entwickelt wird, soll einen wichtigen Beitrag dazu leisten, eine grenzüberschreitende Nahverfolgung unter Wahrung der Privatsphäre zu ermöglichen.“

Wie steht es um den Datenschutz bei solchen Systemen?

Sowohl das Pepp-PT-Konzept als auch das von Apple und Google sieht vor, das Tracing vollständig anonym zu gestalten. Daten, die auf den Benutzer oder seinen Standort schließen lassen, sollen bei beiden Ansätzen nicht gesammelt werden. Die Tracing-Daten selbst sollen auf dem Gerät des Nutzers gespeichert werden, nicht aber bei Apple oder Google. Außerdem soll die Nutzung der App freiwillig sein.

Die Daten sollen ja auf den Geräten gespeichert werden. Gibt es schon gesetzliche Regelungen, wer die Daten auslesen darf und wofür sie dann verwendet werden dürfen?

Auf den Endgeräten (Smartphones) wird eine verschlüsselte Liste mit den temporären IDs aller anderen Smartphones gespeichert, die dem Nutzer begegnen. Diese Daten geben keine Rückschlüsse auf die Identität der Kontaktpersonen. Die PEPP-PT-Technologie sieht vor, diese Liste nur dann zu teilen, wenn der App-Nutzer ein amtlich bestätigtes positives Testresultat auf Covid-19 erhalten hat. Der Freigabe seiner Begegnungen muss er dabei ausdrücklich zustimmen.

Zum Benachrichtigen der Kontaktpersonen bestehen zwei Möglichkeiten: eine zentrale und eine dezentrale Lösung. Erstere funktioniert über einen zentralen Server. Dieser nutzt PushToken, um die Smartphones mit den gespeicherten IDs zu kontaktieren. Einen PushToken generiert jede App bei der Installation und leitet diese an den Server weiter. In Deutschland wird diese Variante aktuell favorisiert.

Kritiker sehen bei diesem Ansatz die Möglichkeit, dass eine zentrale Stelle mit genügend Aufwand die Anonymisierung der Daten brechen könne. So ließen sich beispielsweise Social Graphs erstellen, die zeigen, wie sich die IDs untereinander infiziert haben und diese Daten mit weiteren, z.B. aus sozialen Netzwerken, verknüpfen.

Die dezentrale Version ist innerhalb des PEPP-PT-Konzepts ist unter dem Namen Decentralized Privacy-Preserving Proximity Tracing (DP3T) entwickelt worden. Einen zentralen Server gibt es hier nicht. Nach positivem Testresultat und Freigabe durch den Nutzer würde die ID an das gesamte Netzwerk weitergegeben. Die Apps aller anderen Nutzer könnte dann automatisch Rückschlüsse ziehen, ob ein Kontakt zum Infizierten bestand. Der dezentrale Ansatz wird unter anderem vom Chaos Computer Club als eine elementare Anforderung an eine Tracing-App angesehen.

Mittlerweile wurde der dezentrale Ansatz aus den Veröffentlichungen der PEPP-PT-Gruppe entfernt. Das führte dazu, dass Marcel Salathé, PEPP-PT-Mitinitiator von der EPFL in Lausanne, am 17.04.2020 seinen Rückzug aus dem PEPP-PT-Projekt via Twitter bekanntgab und sich von nun an komplett auf den dezentralen Ansatz konzentrieren wird, auf #DP3T. Ihm geht es darum, noch offener und noch transparenter zu sein.

Welche Bedenken gibt es aus Cyber-Security-Sicht? Wie anfällig ist die Bluetooth-Technologie?

Für die dezentrale Variante berichten deren Entwickler selbst von bestehenden Sicherheitsrisiken. Diese erlauben es einem Angreifer, den Prozentsatz infizierter Personen an einem Ort zu erfahren. Dazu muss dieser an einem belebten Ort die IDs vorbeigehender Menschen sammeln. Kombiniert er das mit den Aufnahmen einer Videokamera, könnte er theoretisch die anonymisierten Daten wieder konkreten Personen zuordnen. Einen entsprechenden Lösungsvorschlag lieferten die Entwickler weniger Tage später auf Twitter.

Es gibt wohl kaum eine moderne, softwaregetriebene Technologie, bei der nicht Schwachstellen entdeckt werden, die für Cyber-Angriffe genutzt werden können. Auch die Bluetooth-Technologie macht hier keine Ausnahme. Anfang 2020 berichteten Sicherheitsforscher aus Taiwan von 12 Schwachpunkten der Bluetooth-Low-Energy-Technologie, die auch für PEPP-PT genutzt werden soll. Elf dieser Sicherheitslücken könnten genutzt werden, um die Geräte einzufrieren oder einen Neustart zu erzwingen. Die zwölfte verschafft einem möglichen Angreifer Schreib- und Leserechte auf dem Gerät. Werden Schwachstellen als Einfallstore für Cyber-Attacken identifiziert, werden sie in der Regel relativ schnell durch Patches geschlossen. So wurde die Blueborne-Schwachstelle 2017 beispielsweise schnell via Patch geschlossen, doch noch ein Jahr später gingen Experten davon aus, dass von den damals 5,3 Milliarden betroffener Geräte mehr als 2 Milliarden noch ungepatcht waren.

Welche sonstigen Bedenken gibt es bei solchen Contact Tracing-Apps? Und gibt es Aussagen / Schätzungen / Berechnungen dazu, wie oft es zu „falsch positiven“ Meldungen kommen könnte? 

Dass es die betonte Freiwilligkeit gar nicht geben wird, gibt das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung zu bedenken. In einem Positionspapier legen sie nahe, dass die App zu einer Art Ausweis werden könnte, ohne den niemand ein öffentliches Gebäude betreten oder eine Veranstaltung besuchen könnte. Auch könnten Betriebe bevorzugt wieder ihre Arbeit aufnehmen dürfen, deren Mitarbeiter die App nutzen. Arbeitnehmer hätten in diesem Fall kaum die Möglichkeit, frei zu entscheiden.

Als riskant sehen die Verfasser des Papiers auch den Umgang mit falsch positiven Ergebnissen. Die können entstehen, wenn zwei Mobiltelefone durch die Wand eines Gebäudes kommunizieren. Dann wäre zwar der Mindestabstand für eine Infektion unterschritten, diese aber durch das Mauerwerk unterbunden. In solchen Fällen müsste die „Kontaktperson“ einer angeordneten Quarantäne widersprechen können. Eine Aussage hierzu findet sich aktuell in der Datenschutz-Folgenabschätzung des FIFF. Diese schätzen ein: „So besteht ein hohes Risiko fälschlich registrierter Expositionsereignisse (falsch positiv), die zu Unrecht auferlegte Selbst-Isolation oder Quarantäne zur Folge haben (zum Beispiel Kontaktmessung durch die Wand.“ Tatsächlich stellen Betonwände keine absolute Barriere für die Bluetooth-Technologie dar. Aktuell werden „Wirksamkeit und Fehlerquote des Systems“ bei einem Feldtest der deutschen Bundeswehr untersucht. Die an PEPP-PT beteiligten Fraunhofer Institute plant ebenfalls Tests.

Es sollte hier aber abgewogen werden: Wenn wir die „Quarantäne einer ganzen Gesellschaft“ auflösen wollen, sind wir bereit in einigen Fällen Fehlermeldungen und „fälschlicherweise Quarantäne für einzelne“ hinzunehmen?

Akzeptanz in der Bevölkerung

Ein wichtiger Faktor sehen Experten in der Akzeptanz der App. Eine Contact Tracing-App ist ein Tool, das zusätzlich zum „manuellen“ Contact Tracing genutzt werden sollte. Je mehr Leute es nutzen, desto besser. In Frankreich ist die Akzeptanz hoch. Laut einer Umfrage gaben 79% der Bevölkerung an, eine solche App zu nutzen (48% ohne Bedenken, 31% wahrscheinlich). In Deutschland ist die Bevölkerung skeptischer. Von den rund 80 Millionen Einwohner besitzen dort etwa 57,7 Millionen ein Mobiltelefon. Das entspricht rund 72 Prozent. Eine Umfrage des Bayrischen Rundfunks hat ergeben, dass etwa 56 Prozent der Smartphonebesitzer freiwillig eine Tracing-App benutzen würden. Das wäre eine Nutzungsrate von 40 Prozent der Gesamtbevölkerung. Wie die Situation in Luxemburg wäre, wissen wir noch nicht. Auf jeden Fall ist gewusst, dass in Luxemburg sehr viele Menschen ein Handy besitzen, nämlich 94%.  

Werden bereits Apps als Hilfestellung im Rahmen von Covid-19 im luxemburgischen Gesundheitssystem angewendet?

Bisher noch keine Tracking- oder Tracing-Apps. Aber die App MAELA ist bereits im Einsatz. Hier ein Auszug aus der Pressemitteilung des Ministeriums für Gesundheit, der Agence e-Santé und der nationalen Gesundheitskasse, der die App gut beschreibt:

„[MAELA] ermöglicht die medizinische Fernüberwachung aller Patienten, die positiv auf COVID-19 getestet wurden; sowohl derjenigen, die zu Hause in Isolation sind, als auch derjenigen, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Auf diese Weise begrenzt sie die Ausbreitung des Virus und entlastet die Strukturen des Gesundheitswesens, während dem Patienten in aller Sicherheit eine medizinische Betreuung durch qualifiziertes Personal geboten wird. Sobald der Patient freiwillig in dieses nationale Fernüberwachungssystem aufgenommen wird (das vom Krankenhaus zum Zeitpunkt der Entlassung oder von der Gesundheitsinspektion nach Erhalt positiver Laborergebnisse durchgeführt wird), muss der Patient 2 Wochen lang täglich einen kurzen medizinischen Fragebogen beantworten. Die Betreuung, die von einem Team von Fachleuten der Gesundheitsbehörde durchgeführt wird, ermöglicht es so, einen möglichen Pflegebedarf oder eine Verschlechterung der Situation des Patienten zu erkennen.“

Technische Hilfsmittel im Kampf gegen Covid-19 sind also bereits im Einsatz. Nur wie schaut es mit den zurzeit heftig diskutierten Tracking- und Tracing-Apps aus? Im Folgenden ein paar Fragen und Antworten.

Was unterscheidet Tracking-Apps von Tracing-Apps?

Bei Tracking-Apps wird der Standort eines Mobiltelefons und damit der Person, die es bei sich trägt, überwacht. Dazu nutzt die App entweder die GPS-Daten des Telefons oder die Daten der Funkzelle, in die es sich eingewählt hat. Beides hat Vor- und Nachteile. Beim GPS ermittelt das Telefon anhand von Satelliten seinen Standort. Das ist bis auf wenige Meter genau. Allerdings schirmen die meisten Gebäude die Satellitensignale ab. Steht man beispielsweise an der Kasse im Supermarkt, könnte das Telefon gerade dort das GPS-Signal nicht erkennen. Außerdem kann GPS vom Nutzer ausgeschaltet werden.

Bei den Funkzellendaten ist das hingegen nicht möglich. Ist das Smartphone angeschaltet, wählt es sich über den nächsten Funkmasten ins Netz ein. Damit weiß der Netzbetreiber, wo sich der Telefonbesitzer aufhält. Allerdings nur auf gut 50 Meter genau. Um mögliche Kontaktpersonen zu identifizieren, ist das zu ungenau. Außerdem lassen sich mit diesen beiden Methoden komplette Bewegungsprofile erstellen.

Contact Tracing-Apps hingegen setzen in der Regel auf Bluetooth. Diese Funktechnik ist in den meisten neueren Telefonen verbaut und lässt sie mit anderen Bluetooth-fähigen Geräten, wie drahtlosen Kopfhörern aber auch anderen Telefonen über kurze Distanz kommunizieren. Das nutzen Tracing-Apps: Begegnen sich zwei Telefone, tauschen sie ID-Nummern aus. Damit lassen sich später Begegnungen nachverfolgen.

In ihrer Empfehlung verweist die Europäische Kommission explizit auf Tracing Apps. Für Europa ist dies die vielversprechendere Variante, da es hier einfacher möglich ist, in Einklang mit den GDPR-Richtlinien zu sein.

Wer nutzt aktuell Tracking- und Tracing-Apps und wer arbeitet an deren Einsatz?

Viele verschiedene Systeme sind momentan weltweit im Einsatz oder werden entwickelt. Wie wir sehen werden, sind sie nicht alle gleich – in Bezug auf Funktionsweise, Zweck und Datenschutz.

Bereits seit Anfang Februar entscheidet in China eine App mit QR-Code, ob sich der Besitzer des Smartphones frei bewegen darf. Dieser ist nach dem Ampelsystem aufgebaut und muss beim Betreten von Restaurants, öffentlichen Gebäuden oder U-Bahnhöfen vorgezeigt werden. Nur ein grüner Code erlaubt den Zutritt, ein gelber führt zu einer siebentägigen Quarantäne und ein roter steht für einen bestätigten Covid19 Fall.

Auch in Südkorea werden seit einiger Zeit Gesundheits- und Bewegungsdaten der Bevölkerung durch eine App überwacht. Diese setzt unter anderem auf manuelle Eingabe von Gesundheitsparametern wie Fieber oder Husten, den GPS-Standort und Daten, die beim Bezahlen mit dem Telefon generiert werden. Ausgelesen wird bei einem Test auf Covid-19. Wer unter Quarantäne steht, wird permanent und vollautomatisch überwacht.

In Israel werden die Daten, die von Telekommunikationsanbietern bereits seit einigen Jahren gesammelt werden müssen, bei einem positiven Corona-Test vom Inlandsgeheimdienst ausgewertet. Dabei fließen neben Sensordaten des Mobiltelefons wie Beschleunigung, Lichtverhältnisse oder in der Nähe befindliche Netzwerke auch Informationen wie beispielsweise Kreditkartendaten in die Suche nach Kontaktpersonen ein. Daneben gibt es seit Ende März auch eine App des Gesundheitsministeriums, die freiwillig installiert werden kann.

Die Länder in Europa sind beim Thema „Corona-App“ unterschiedlich weit vorangeschritten. In Polen ist zur Installation einer App verpflichtet, wer sich in häuslicher Quarantäne befindet. Das sind neben Personen, die Kontakt zu Erkrankten hatten auch solche, die aus dem Ausland einreisen. Die „Selfie-App“ überwacht den Standort, ist also eine Tracking-App. Mehrmals täglich fordert sie den Nutzer dazu auf, ein Foto von sich in seinen eigenen vier Wänden an die Behörden zu senden. Aufgrund der dabei gesammelten personenbezogenen Daten, steht dieses Vorgehen in der Kritik.

In Tschechien prognostiziert eine App anhand von Bewegungsdaten, wo und wann sich Menschenansammlungen bilden könnten und gibt den Nutzern einen entsprechenden Hinweis. In der Slowakei wird Tracking bereits angewendet. Die Nutzer der App bleiben dabei aber anonym. Anstatt einer Telefonnummer wird ein Code genutzt. In beiden Ländern ist es der freien Entscheidung jedes Einzelnen überlassen, die Anwendung zu installieren und zu nutzen.

Und wie hier ja bereits beschrieben gibt es die europäische Initiative Pepp-PT, die an einer Contact Tracing-App mit Bluetooth-Funktion arbeitet.

Was sagt die EU zu Contact Tracing-Apps und Tracking Apps?

Die EU-Kommission hat sich für die Nutzung von Contact Tracing-Apps ausgesprochen. Die Erfassung von Standortdaten lehnt sie aber als unvereinbar mit den Grundsätzen des Datenschutzes ab. Dazu hat sie ein gemeinsames EU-Instrumentarium erarbeitet. Neben der Einhaltung des europäischen Datenschutzes und der Freiwilligkeit der Nutzung sollen die Apps anonym und auch über Landesgrenzen hinweg funktionieren. Wichtig ist auch, dass die Projektleiter hinter der App öffentliche Institutionen sein müssen. Außerdem soll eine solche Anwendung deaktiviert werden, sobald die Krise überwunden ist. Bis Ende April sollen von den Gesundheitsbehörden der Mitgliedsländer die Wirksamkeit der Apps in ihrem Land bewerten.

Fazit:

Auch wenn in einigen Ländern umfassende Gesundheitsdaten mit Informationen zur Person und einem vollständigen Bewegungsprofil zusammengeführt werden, müssen wir in Europa den Datenschutz nicht opfern, um das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit zurückzuerlangen. Denn mit anonymisierten Contact-Tracing-Apps stehen Möglichkeiten zur Verfügung, die mit dem europäischen Datenschutz konform sind. Allerdings hängt deren Nutzen stark von der Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung ab. Und es gilt noch einige Fragen zur konkreten Umsetzung und zur Sicherheit zu klären.

Autor: Jean-Paul Bertemes (FNR), Kai Dürfeld (scienceRELATIONS – Wissenschaftskommunikation);
Editor: Marc Schiltz (FNR)

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