Süßwasserperlmuschel

Des Colhoun / CC BY-SA  Wikimedia Commons

Ebenso wie bei den Bäumen sind diese konzentrischen Linien Zeugen der Geschichte ihres Umfelds.

Am luxemburgischen Institute of Science and Technology (LIST) haben Laurent Pflister und sein Team zum ersten Mal nachgewiesen, dass die Muscheln verschiedener Süßwassermolusken es ermöglichen, die jahreszeitlichen Schwankungen der Wasserläufe nachzuzeichnen, und zwar über eine beträchtliche Anzahl von Jahren hinweg. Wie haben sie das gemacht? Inwiefern ist dies für das Wassermanagement in einer Welt vielversprechend, die sich mitten im Klimawandel befindet?  

Zeugen der Geschichte eines Wasserlaufs

Um die Mechanismen eines hydrologischen Systems zu kennen und vorherzusagen, wie er sich angesichts des Klimawandels entwickeln wird, interessieren sich die Forscher für die Schwankungen des Wassers in Raum und Zeit - die Wege, die das Wasser nimmt, und sein Alter.  Dafür identifizieren sie für gewöhnlich seine isotopische Signatur. Dabei handelt es sich sozusagen um die chemische Zusammensetzung des Wassers.  Allerdings haben die Beobachtungsprogramme selten mehr als 5 Jahre gedauert. „Daher haben wir keinerlei zeitlichen Abstand oder nur sehr wenig Abstand zur Variabilität des Signals auf lange Sicht“, erklärt Laurent Pfister, Forscher und Leiter der Forschungsgruppe Catchment and Eco-Hydrology beim LIST. Daten auf lange Sicht zu sammeln ist aber von grundlegender Wichtigkeit, um die Schwankungen des Wassers zu verstehen und vorherzusagen, z.B. in einem Flusseinzugsgebiet.   

Hier kommen die Muscheln von Weichtieren ins Spiel. „Manche Arten, wie die Flussperlmuschel, leben bis zu 200 Jahre. Wenn die Muschel wächst, bilden sich Wachstumsringe, die von den Bedingungen abhängen, unter denen der Organismus sich entwickelt“, erklärt Laurent Pfister. Ebenso wie bei den Bäumen sind diese konzentrischen Linien Zeugen der Geschichte ihres Umfelds. Indem sie sie analysieren, erhalten die Forscher Informationen z.B. zur Temperatur und zum Wasser im Verlauf der Zeit.  

moules

Aufgrund dieser Feststellung wollten Laurent Pfister und sein Team wissen, ob die Muscheln bestimmter Weichtiere ebenso wie die Technik der Wasseranalyse die isotopische Signatur eines Wasserlaufs liefern können.  Sie haben die Signaturen von Wasserläufen, mit denen von Weichtieren aus demselben Milieu verglichen, indem sie Daten aus der wissenschaftlichen Literatur verwendet haben. Insgesamt wurden die Signaturen von 33 Standorten, verteilt auf 25 Flussniederungen, mit denen von 9 Arten von Weichtieren verglichen. „Wir konnten nachweisen, dass die isotopische Signatur dieser Weichtiere 95 % der Schwankungen der Signatur der Wasserläufe erklärt. Sie ist somit von großem Interesse, um die Nachverfolgung der Wasserläufe in Zeit und Raum zu erweitern“, schließt Laurent Pfister. 

Ein Instrument für das Management der Wasserressourcen

Die Forscher wollen diese Methodik jetzt einsetzen, um die hydrologischen Systeme besser zu verstehen und ihre Reaktion auf den Klimawandel vorauszusehen.  „In Luxemburg kommen etwa 50 % der Wasseraufnahmen aus Quellen und 50 % aus der Talsperre von Esch-sur-Sûre. Bisher bleibt die jährlichen Regenwassermenge dieselbe, aber wird sie in den kommenden Jahren ausreichend sein?“, veranschaulicht Laurent Pfister. Um vorauszusehen, wie das System reagieren wird, ist es entscheidend zu verstehen, welchen Verlauf das Wasser nimmt, und die gesammelten isotopischen Daten sind eben gerade unabdingbare Instrumente, um Modelle für diese komplexen Vorgänge zu erstellen.  Das Regenwasser kann an der Oberfläche bleiben, in die Tiefe perkolieren oder sogar von den Pflanzen absorbiert werden. 

Auf seinem Weg braucht es mehr oder weniger Zeit zum Fließen. Um ein tiefliegendes Grundwasser zu erreichen, braucht es im Allgemeinen sehr viel Zeit. In der Tat muss es manchmal wenig durchlässig Felsen durchdringen.  Das tiefliegende Grundwasser tendiert daher dazu, sich nur langsam wieder aufzufüllen (einige Jahre bis hin zu tausenden von Jahren). Bei einer zu intensiven Verwendung des Grundwassers oder einer Kontaminierung mit Schadstoffen wären die Auswirkungen dann sowohl aus Sicht des Ökosystems als auch aus der des Eigenverbrauchs der Bevölkerung dramatisch. 

Foto : Des Colhoun / A freshwater pearl mussel on the banks of the Spey. / CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons
Autor: Constance Lausecker

Infobox

Die isotopische Signatur eines Wasserlaufs

Wasser besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff. Aber es gibt verschiedene Arten von Sauerstoff und Wasserstoff (z.B. O18 und O16), die man Isotope nennt. Letztere habe jeweils verschiedene Atommassen.  Sie haben in der Tat dieselbe Anzahl von Protonen und Elektronen, aber eine jeweils verschiedene Anzahl von Neutronen. O18 ist zum Beispiel schwerer als O16. Indem sie ihr Verhältnis untersuchen, können die Forscher die isotopische Signatur eines Wasserlaufs erstellen. Je nach Jahreszeit schwanken die isotopischen Verhältnisse des Wassers. Im Fall von Hitze kommt es zu einem Phänomen der Verdampfung. Die leichtesten Wassermoleküle treten in Form von Dampf aus, währen die schwereren das Wasser anreichern. Es gibt somit starke Schwankungen bei der isotopischen Signatur eines Wasserlaufs zwischen den Regefällen im Sommer und im Winter.

Die isotopische Zusammensetzung der Muscheln von Weichtieren

Es ist möglich, unter dem elektronischen Mikroskop die Wachstumsringe der Muscheln der Weichtiere zu beobachten, indem man sie mit einem Farbstoff markiert. Die entnommenen und getesteten Muscheln von Weichtieren waren die von Tieren aus Wasserläufen, die schon tot waren. Um die isotopische Zusammensetzung einer Muschel zu bestimmen, besteht eine weit verbreitete Methode darin, eine Bohrung vorzunehmen, um Pulver zu entnehmen, welches dann mittels eines Massenspektrometers untersucht wird. Am LIST wenden die Forscher die SIMS-Methodik (Sekundärionenmassenspektrometrie) an, die darin besteht, eine Probe zu entnehmen und mit Elektronen zu bombardieren. Die Elemente an der Oberfläche der Probe (z.B. Sauerstoff) werden so pulverisiert und teilweise ionisiert, bis sie dann bis zu einem Detektor des Massenspektrometers migrieren.  Auf diese Art und Weise können die Forscher die Menge der isotopischen Verhältnisse des Sauerstoffs im Bereich der Wachstumsringe bestimmen.  

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