Der Beitrag mit dem Titel „Wavelike charge density fluctuations and van der Waals interactions at the nanoscale“, der im Fachmagazin Science erschienen ist, beschäftigt sich mit den sogenannten „Van-der-Waals-Kräften“, den allgegenwärtigen Anziehungskräften zwischen Molekülen. Die Eigenschaften vieler Materialien hängen wesentlich von der Stärke dieser Kräfte ab. Zahlreiche Medikamente wirken beispielsweise nur, weil die Moleküle des Medikaments sich aufgrund der selektiven Van-der-Waals-Anziehung an unsere Zellen binden.
Unter der Führung von Alexandre Tkatchenko, Professor für Physik der kondensierten Materie an der Fakultät für Naturwissenschaften, Technologie und Kommunikation (FSTC) der Uni Luxemburg, demonstrierte ein Forscherteam, dass die tatsächliche Wirkungsweise dieser Kräfte von den bisherigen Annahmen in der Chemie und Biologie abweichen. Die Forscher zeigten, dass man diese Kräfte als Wechselwirkung zwischen Wellen und nicht als gegenseitige Anziehung zwischen Partikeln betrachten muss.
Auswirkungen auf die Materialwissenschaft
„Im einfachsten Fall kann man sich zwei Atomketten vorstellen, und innerhalb dieser Ketten ziehen sich einige Punkte gegenseitig an. Nach der konventionellen Sichtweise würde man die Van-der-Waals-Energie berechnen, indem man die Wechselwirkungen aller Atompaare addiert“, erklärt Alexandre Tkatchenko. „Wir haben jedoch gezeigt, dass dies bei realistischen Entfernungen zwischen Materie im Nanobereich nicht zutrifft und man sich die Kräfte nicht als Beziehung zwischen Partikeln, sondern als Wellen betrachten muss. Das hat drastische Auswirkungen auf unsere Denkweise in Bezug auf diese allgegenwärtigen Kräfte.“
Diese Forschungsergebnisse haben vermutlich bedeutende Auswirkungen auf die Materialwissenschaft. In den letzten zwei Jahrzehnten haben Forscher es geschafft, die Eigenschaften von existierenden Stoffen durch das Einbinden von Nanostoffen zu verändern. So erhöhten sie beispielsweise die Belastungsfähigkeit von Materialien oder veränderten die Leitfähigkeit von Polymer-Verbundwerkstoffen.
„Um alle Eigenschaften von solchen Nanokompositen zu verstehen, muss man begreifen, wie sich diese Strukturen auf der Nanoebene selbst anordnen. Die Anordnung dieser Stoffe wird hauptsächlich von den Van-der-Waals-Kräften beeinflusst“, so Tkatchenko.
Wichtige Erkenntnisse zu den auf Nanoebene wirkenden Kräften
Van-der-Waals-Kräfte sind von grundlegender Bedeutung für viele Anwendungen in der Industrie, wie etwa die Herstellung von Nano-Materialien. Daher könnte die Forschung große Auswirkungen auf die Weiterentwicklung von Verarbeitungstechniken auf diesem Gebiet haben.
„Die vorliegende Arbeit bietet wichtige Erkenntnisse zu den auf Nanoebene wirkenden Kräften und kann dazu beitragen, Nanomaterialien besser zu verstehen und zu verfeinern, vor allem von Nanokompositen, die in innovativen Materialanwendungen allgegenwärtig sind. Spezialgebiete wie additive Nanoherstellung, Nanotoxikologie oder Nanopartikeltechnik könnten von dieser bahnbrechenden Arbeit profitieren“, sagt Professor Jens Kreisel, Direktor der Abteilung Materials Research and Technology am „Luxembourg Institute for Science and Technology“ (LIST).
Autor: University of Luxembourg
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Diese Veröffentlichung stellt eine außergewöhnliche Anerkennung für den Physiker dar: „Das ist der Höhepunkt von zehn Jahren Arbeit. Die Annahmequote von Beiträgen für die Fachzeitschrift Science liegt bei nur sieben Prozent, ich bin sehr stolz auf diese Erfahrung“, so Tkatchenko. Es ist das erste Mal, dass ein Forscher der Universität Luxemburg einen Beitrag als Hauptautor in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht. Der Beitrag ist das Ergebnis einer internationalen und interdisziplinären Zusammenarbeit von vier Forschungsinstituten (Fritz-Haber-Institut, Universität Padua, Cornell University und Universität Luxemburg).