Jens Kreisel, Sie forschen an sogenannten piezoelektrischen Materialien. Was kann man sich darunter vorstellen?
Dies sind Materialien mit einer ganz besonderen Eigenschaft: Übt man eine Kraft auf sie aus, dann erzeugen sie eine messbare elektrische Ladung. Und daher eignen sie sich hervorragend, um Sensoren herzustellen.
Weshalb?
Man stelle sich z.B. Autos vor, die mit Regensensoren ausgestattet sind. Wenn ein Regentropfen auf den Sensor fällt, dann übt er beim Aufprall eine Kraft auf den Sensor aus. Weil der Sensor aus piezoelektrischem Material besteht, ändert er daraufhin seine elektrische Spannung: Er erzeugt ein Signal. Der Scheibenwischer geht los.
D.h. der Bordcomputer kann die Signale dieser Materialien in Befehle umsetzen?
Genau. Und wenn es z.B. stärker regnet, kriegt der Bordcomputer mehr Signale und gibt dann den Befehl, die Scheibenwischer schneller zu betätigen. Piezoelektrische Materialien werden oft auch intelligente Materialien genannt, da sie Informationen liefern können.
Gibt es noch weitere Einsatzgebiete solcher piezoelektrischer Materialien?
Ja, sie werden z.B. auch in Airbags eingesetzt. Wenn man mit dem Auto ruckartig bremst, dann fliegt man ja bekanntlich aufgrund der Trägheit etwas nach vorne. Beim Airbagsystem ist ein Sensor im Auto eingebaut. Bremst man, dann drückt eine Masse auf den Sensor. Doch der Airbag geht noch nicht los. Denn die Kraft des Aufpralls hat zwar ein Signal erzeugt, doch dieses war noch zu schwach. Erst bei einem Crash ist die Kraft auf den Sensor so groß – und folglich die Spannungsänderung – dass der Airbag vom System gezündet wird.
Wie können Sie ihre Arbeit hier in Luxemburg anwenden?
Hier in Luxemburg gibt es eine ganze Reihe von Firmen, die Bestandteile für Autos herstellen, wie z.B. IEE oder Delphi. Wir können diesen luxemburgischen Firmen bei der Entwicklung von Sensoren helfen. Mein Spezialgebiet sind z.B. piezoelektrische Materialien, die kein Blei enthalten. Denn bisher sind viele dieser Sensoren auf Blei-Basis. Und es ist wahrscheinlich, dass diese Blei-Sensoren irgendwann verboten werden, da Blei gefährlich für die Umwelt ist.
Das klingt jetzt alles sehr einfach – ist es aber wahrscheinlich nicht, oder?
Forscher und Entwickler suchen ständig nach neuen chemischen Strukturen, die diese Eigenschaften besitzen. Am besten solche, die billig sind und sich gut verarbeiten lassen. Ich habe hier nur zwei Anwendungsbeispiele genannt. Es gibt aber viel mehr. Und jedes Mal muss dann gekuckt werden, welches Material in welcher Form am besten geeignet ist. Ist es z.B. von Vorteil das Material in flüssiger Form einzusetzen, oder als Pulver in Keramik? Hier kommt mitunter Nanotechnologie zum Einsatz und wir müssen viel berechnen und testen.
Autor: Jean-Paul Bertemes
Infobox
Jens Kreisel ist ein international renommierter Forscher. Luxemburg kannte der gebürtige Dortmunder und ehemalige Handballer vorher durch das Tanken, auf dem Weg in den Urlaub. Dass er sich für Luxemburg entschieden hat liegt daran, dass ihm und seiner Familie hier die Mehrsprachigkeit und das multikulturelle Umfeld gefallen. Aber auch weil ihm hier als Forscher viel Unterstützung und Freiheiten gewährt werden. Jens Kreisel ist u.a. zuständig für die Fusion der beiden luxemburgischen Forschungszentren CRP Gabriel Lippmann und CRP Henri Tudor im Bereich Materialwissenschaft.