FNR, Steve Gerges
Autor: Kai Dürfeld (für scienceRELATIONS - Wissenschaftskommunikation), Co-Autor: Jean-Paul Bertemes (FNR)
Um die Pandemie hinter uns lassen zu können, kommt es vor allem auf eines an: Wir brauchen mehr Schutz gegen schwere Verläufe. Denn wenn wir sicherstellen, dass nicht zu viele Menschen gleichzeitig im Krankenhaus oder auf der Intensivstation landen, schützen wir unserer Gesundheitssysteme vor der Überlastung. Und dann können wir auch die Sicherheitsmaßnahmen herunterfahren.
Den Weg hinaus aus der Pandemie sollten bisher vor allem Impfstoffe ebnen. Denn sie senken das Risiko von schweren und tödlichen Verläufen. Aber mittlerweile stehen auch immer mehr Medikamente bereit, die im Kampf gegen die Pandemie eingesetzt werden. Den wichtigsten Unterschied zu den Impfstoffen fasst unsere Expertin Dr. Anna Chioti, Leiterin der Medikamentenabteilung im Gesundheitsministerium so zusammen:
Impfstoffe beugen vor. Medikamente heilen. Das heißt, Impfungen werden in der Regel gesunden Personen verabreicht. Sie sollen eine Krankheit möglichst verhindern. Therapeutische Medikamente werden hingegen dann verabreicht, wenn eine Krankheit bereits ausgebrochen ist. Sie sollen die Symptome und die Krankheit selbst bekämpfen.
Dr. Anna Chioti
Bisher kommen bereits eine ganze Reihe Medikamente und Therapien zum Einsatz. Viele davon vor allem dann, wenn die Patienten im Krankenhaus oder auf der Intensivstation landen. Doch ein durchschlagender Erfolg, mit einem bestimmten Medikament verlässlich schwere Verläufe zu verhindern, blieb bisher aus. Der Traum von der einen Pille, die alles ändert und im Alleingang die Pandemie besiegt, wird sich wohl nicht erfüllen. Mit Blick auf das Game Changing Potenzial der Medikamente sagt Anna Chioti:
Der Ausgang aus der Pandemie hängt von verschiedensten Faktoren ab. Medikamente sind einer davon. Sie können sicher dazu beitragen, sind aber nicht das Allheilmittel.
Dr. Anna Chioti
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Nicht jede Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus ruft bei den Betroffenen heftige Symptome hervor. Milde oder gar asymptotische Verläufe sind keine Seltenheit – vor allem, wenn man sich als sonst gesunder Mensch ansteckt. Doch etwa 14 Prozent der (noch nicht immunisierten) Infizierten entwickeln einen schweren Verlauf; müssen im Krankenhaus behandelt werden und bekommen Sauerstoff. Einen lebensbedrohlichen Verlauf entwickeln etwa 5 Prozent der Erkrankten. Sie landen auf der Intensivstation; werden künstlich beatmet und können letztendlich auch an Covid-19 sterben. Das Risiko für all die Komplikationen hängt einerseits von Vorerkrankungen ab. Doch auch das Alter spielt eine Rolle. Und natürlich der Impfstatus. Vollständig geimpfte Menschen bleiben mit hoher Wahrscheinlichkeit von schweren Folgen verschont. Auch bereits Genesene haben in der Folge einen guten Schutz vor schweren Verläufen. Durch die zunehmende Immunität innerhalb der Bevölkerung nimmt die Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe auf Ebene der öffentlichen Gesundheit ab. Doch nicht nur der Mensch nimmt Einfluss auf das Krankheitsgeschehen. Auch das Virus selbst. Die aktuell dominierende Variante Omikron scheint etwas weniger virulent zu sein. Ersten, noch nicht peer-reviewten Studien zufolge führt Omikron auch bei Ungeimpften zu weniger schweren Verläufen. Man kann dies auch gut beobachten, wenn man die Zahl der Hospitalisierungen in Luxemburg anschaut. Obwohl Luxemburg zurzeit so hohe Infektionszahlen aufweist wie noch nie in der Pandemie, sind die Intensivstationen nicht überlastet. Der Effekt wird dadurch verstärkt, dass Omikron im Vergleich zu Delta auf mehr Immunisierte trifft, was eben auch dazu beiträgt, dass es weniger schwere Verläufe gibt.
Was können Ärztinnen und Ärzte bisher tun, um die Prognose von Risikopatienten mit einer SARS-CoV-2 Infektion zu verbessern? Welche Medikamente und Therapien stehen ihnen zur Verfügung? Wie wirken diese? Und in welcher Phase der Erkrankung sind sie sinnvoll? Und welche stehen kurz vor der Zulassung? Wir haben recherchiert und die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst.
Der Artikel wurde peer-reviewed durch die Expertin Dr. Anna Chioti, Leiterin der Medikamentenabteilung im Gesundheitsministerium und vorher beim Luxembourg Institute of Health (LIH) als "Directrice des Opérations - Département de Santé Publique".
In a nutshell: Welche Arzneimittel gibt es gegen Covid-19?
Executive Summary
- Es gibt nicht das eine Medikament oder die eine Therapie gegen Covid-19, sondern jede Phase der Erkrankung erfordert eine andere Herangehensweise.
- Medikamente und Impfungen ergänzen sich. Versagt der Impfschutz und besteht das individuelle Risiko eines schweren Verlaufs, können Medikamente weiterhelfen.
- Medikamente und Therapien werden bereits seit Pandemiebeginn entwickelt und mittlerweile sind die ersten Präparate zugelassen.
- Rechtzeitig verabreicht, können einige antivirale Medikamente bei Hochrisikopatienten die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt beziehungsweise für einen schweren Verlauf verringern.
- Große Hoffnungen ruhen auf dem Medikament Paxlovid, das bald auch in Luxemburg verfügbar sein wird. In den klinischen Studien zeigt es einen guten Schutz vor schweren Verläufen.
- Herz-Kreislauf-Medikamente, Entzündungshemmer und Arzneimittel für die Lunge können helfen, die durch das Virus verursachten Schäden zu verringern und die überschießenden Reaktionen des eigenen Immunsystems in den Griff zu bekommen.
- Einige vielversprechende Medikamente haben sich aber auch als Irrweg erwiesen.
Wie ist der aktuelle Stand bei Medikamenten und Therapien gegen Covid-19?
Aktuell wird in über 600 Projekten nach Medikamenten oder Therapien gegen Covid-19 gesucht. Dabei handelt es sich einerseits um Neuentwicklungen. Andererseits prüfen die Forscher aber auch bekannte Medikamente auf ihre Wirkung bei einer Covid-19 Erkrankung. Bisher hat nur eine Hand voll Wirkstoffe eine Zulassung in der Europäischen Union erhalten. Dazu zählen neben den antiviralen Medikamenten Regdanvimab (zugelassen am 12.11.2021) und der Kombination aus Casirivimab und Imdevimab (zugelassen am 12.11.2021) auch der Entzündungshemmer Dexamethason. Das antivirale Medikament Paxlovid hat in den USA am 23.12.2021 die Notfallzulassung erhalten, und seit dem 29. Januar ist das Medikament auch von der Europäischen Kommission in der gesamten EU zugelassen.
Schon gewusst? Normalerweise dauert es zehn oder mehr Jahre, um ein Medikament von Grund auf zu entwickeln und durch das Zulassungsverfahren zu bekommen. Ähnlich wie schon bei den Impfstoffen, brach auch die Entwicklung von Covid-Medikamenten alle Rekorde. Möglich gemacht hat es auch hier die Mischung aus Dringlichkeit, bereitgestellten Mitteln und schneller Bearbeitung der Genehmigungsverfahren.
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Sowohl Impfstoffe als auch Medikamente gehören zu den Arzneimitteln. Sie sollen Krankheiten vorbeugen oder heilen, bestimmte Körperfunktionen in die gewünschte Richtung lenken oder sind für Diagnoseverfahren notwendig.
Reden wir von Impfungen, meinen wir fast immer die aktive Immunisierung. Bei dieser werden dem Immunsystem je nach Impfstoffart lebende, abgeschwächte oder tote Krankheitserreger, Teile oder Baupläne von diesen oder auch bestimmte Gifte präsentiert. Unsere Abwehr wird daraufhin aktiv. Antikörper werden produziert. T-Zellen werden aktiviert. Die eingedrungenen „Trainingsziele“ werden bekämpft. Und ein Immungedächtnis wird entwickelt. Aktive Impfstoffe trainieren also unseren Körper für den Ernstfall, ohne ihn wirklich krank zu machen. Aber: Sie sind in der Regel nutzlos, um eine ausgebrochene Infektion zu bekämpfen.
Hier kommt die passive Immunisierung ins Spiel. Die erfolgt dann, wenn ein Krankheitserreger bereits zugeschlagen hat. Das ist zum Beispiel beim Verdacht auf Tollwut der Fall. Denn eine Infektion mit diesem Erreger endet fast immer tödlich und ein Heilmittel gibt es nicht. Von allein kann das Immunsystem also nicht schnell genug Antikörper herstellen. Deshalb werden bei Verdacht größere Mengen Antikörper injiziert. Die können aus dem Blut von Menschen oder Tieren stammen oder im Labor hergestellt werden. Auch wenn es „passive Impfung“ heißt, bewegen wir uns bei dieser diese Notallmaßnahme schon im Bereich der Medikamente.
Von Medikamenten reden wir in aller Regel, wenn wir direkt gegen den Krankheitserreger vorgehen. Sie hindern diesen zum Beispiel daran, in Körperzellen einzudringen, greifen in dessen Vermehrungsprozess ein oder töten ihn ab. Manche Medikamente sollen die körpereigenen Prozesse beeinflussen, zum Beispiel das Immunsystem regulieren und Entzündungen drosseln. Andere sollen die Regeneration fördern und zum Beispiel dafür sorgen, dass mehr funktionstüchtiges und weniger vernarbtes Gewebe gebildet wird.
Allgemein unterscheidet man bei Medikamenten zwischen solchen, die das Virus selbst bekämpfen und solchen, die die Schäden durch das Virus reduzieren. Mehr dazu im letzten Kapitel des Artikels.
Welche Medikamente und Therapien werden zurzeit zur Behandlung eingesetzt?
Die Art und vor allem auch die Anzahl der eingesetzten Medikamente und Therapien hängt von der Phase und vom Schweregrad der Covid-19-Erkrankung ab.
Bei leichten Verläufen werden in der Regel die Symptome bekämpft – und das auch üblicherweise zu Hause. Gegen Fieber gibt es Fiebersenker, gegen Hals- und Rachenkratzen wird inhaliert und gegen Kopfschmerzen gibt es Schmerzmittel.
Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf können virostatische Medikamente in der Frühphase der Erkrankung nützlich sein. Diese Stoffe hemmen die Vermehrung der Viren und können so das Risiko eines schweren Verlaufs reduzieren. Dazu gehört Molnupiravir, das seit dem 14. Januar in Luxemburg verfügbar ist, und auch Paxlovid, das seit dem 29. Januar zugelassen ist. Für beide Medikamente gilt: Sie sollten innerhalb von fünf Tagen nach den ersten Symptomen eingenommen werden.
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In der EU ist das Medikament Molnupiravir aktuell noch nicht zugelassen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat aber am 19. November eine Empfehlung zur Verwendung von Molnupiravir für die Behandlung von COVID-19 abgegeben. Angesichts der steigenden Infektions- und Todesfälle durch COVID-19 in der EU sollen die nationalen Behörden damit unterstützt werden, über eine mögliche frühzeitige Anwendung des Arzneimittels vor der Zulassung entscheiden zu könnten. Beispielsweise in Notfallsituationen. Nachdem das Gesundheitsministerium eine Genehmigung für die vorübergehende Verwendung erteilt hatte, ist Molnupiravir seit dem 14. Januar in Luxemburg verfügbar.
Bei schweren Krankheitsverläufen führt kein Weg am Krankenhaus vorbei. Gerade zu Beginn der Erkrankung können antivirale Medikamente vorteilhaft sein. Hier kommen einerseits Antikörperpräparate zum Einsatz; etwa die Kombination aus Casirivimab und Imdevimab, die seit 12. November 2021 in der EU zugelassen ist. Auch der Antikörperwirkstoff Regdanvimab, der am gleichen Tag zugelassen wurde, fällt hierunter. Die Medikamente werden gespritzt oder über einen Tropf verabreicht.
Allerdings gibt es einige Einschränkungen. So sollten die Patienten bisher selbst noch keine Antikörper – zum Beispiel durch eine vollständige Impfung – gebildet haben. Außerdem sollte die Erkrankung nicht so schwer sein, dass die Gabe von Sauerstoff notwendig ist. Auch muss die Behandlung recht schnell verlaufen. Länger als eine Woche nach den ersten Symptomen sollte nicht gewartet werden.
Denn dann sind in der Regel nicht mehr die Viren das Problem, sondern das überschießende Immunsystem. Dagegen werden Entzündungshemmer eingesetzt. Das ist einerseits das Kortison-Präparat Dexamethason, das für die Behandlung beatmungspflichtiger Patienten zugelassen ist. Andererseits werden aber auch Medikamente wie Baricitinib oder Tofacitinib, die zwar noch nicht zur Behandlung von Covid-19 zugelassen sind, aber im Off-Lable-Use (siehe Infobox) angewandt werden.
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Ärztinnen und Ärzten dürfen grundsätzlich frei entscheiden, welche Therapie sie bei ihren Patienten für angebracht halten und ihm empfehlen. Im Rahmen dieser Therapiefreiheit können sie auch den zulassungsüberschreitenden Einsatz eines Medikaments – kurz Off-Lable-Use – in Betracht ziehen. Das heißt, sie verschreiben ein Medikament, das eigentlich für eine ganz andere Erkrankung zugelassen wurde. Das werden sie natürlich nur tun, wenn es handfeste wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, dass ein solches Medikament im Falle ihrer Patienten tatsächlich auch helfen könnte. Im Falle von Covid-19 gibt es einige Medikamente, die für einen solchen Einsatz infrage kommen.
Wie erfolgreich sind diese Medikamente und Therapien?
Zu den weiter oben genannten Medikamenten und Therapien gibt es bereits Studienergebnisse. Diese werden hier kurz vorgestellt.
Virostatische Medikamente
In einem Zwischenbericht der Phase-3-Studie konnte Molnupiravir bei leichten bis mittelschweren Fällen einer Covid-19-Erkrankung die Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthaltes halbieren, also um 50% senken. Auch die Wahrscheinlichkeit, an der Infektion zu sterben, sank gegenüber der Kontrollgruppe um 50%. Mittlerweile liegen jedoch aktualisierte Ergebnisse vor. Die Verringerung schwerer Fälle ist nun von 50% auf 30% gesunken.
Beim Zwischenbericht erhielten 385 Personen das Medikament und 377 ein Placebo. Während in der Medikamentengruppe 28 Patienten (7,3 %) innerhalb von 29 Tagen ins Krankenhaus eingeliefert wurden und niemand starb, waren es bei der Placebogruppe 53 (14,1 %) und 8 Todesfälle. An der Studie, auf der die weiter oben genannten Empfehlungen der EMA vom November 2021 basiert, nahmen keine geimpften Personen teil.
Die aktualisierten Ergebnisse basieren nun auf 1.408 Probanden und zeigen, dass Molnupiravir das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todesfalls bei COVID-19-Patienten, die ein höheres Risiko für eine schwere Erkrankung hatten, von 9,7 % in der Placebogruppe auf 6,8 % in der Medikamenten-Gruppe senkte. Daher ist die vom Unternehmen angekündigte Verringerung schwerer Fälle von 50 % auf 30 % gesunken. Die EMA wird diese Daten im Rahmen eines umfassenderen Zulassungsantrags bewerten.
Der Pharmakonzern Pfizer legte einen Zwischenbericht einer randomisierten Phase 2/3 Doppelblindstudie seines Medikaments Paxlovid vor. Dieses wurde Hochrisikopatienten in den ersten drei Tage nach Auftreten typischer Covid-19 Symptome verabreicht und verringerte die Krankenhauseinweisungen um 89 Prozent.
Von 389 Teilnehmern der Medikamentengruppe wurden im Beobachtungszeitraum von 28 Tagen 3 ins Krankenhaus eingewiesen (0,8 %). Niemand aus dieser Gruppe verstarb. Von den 385 Teilnehmern der Placebogruppe wurden 27 ins Krankenhaus eingewiesen (7 %). Hier gab es 7 Todesfälle. Ähnlich sahen die Zahlen aus, wenn das Mittel 5 Tage nach den ersten Krankheitssymptomen verabreicht wurde.
Der Pharmakonzern Pfizer hat die Daten einer randomisierten Phase 2/3 Doppelblindstudie seines Medikaments Paxlovid vorgestellt. Dieses wurde Hochrisikopatienten in den ersten drei Tage beziehungsweise 5 Tage nach Auftreten typischer Covid-19 Symptome verabreicht und verringerte die Krankenhauseinweisungen um 89 beziehungsweise 88 Prozent. Diese Daten hat die EMA für die Zulassung ausgewertet. Dabei kommt die Behörde zu dem Schluss, dass die Behandlung mit Paxlovid die Zahl der Krankenhausaufenthalte oder Todesfälle bei Patienten mit mindestens einer Grunderkrankung, die das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung birgt, signifikant verringert. Die Analyse wurde bei Patienten durchgeführt, die innerhalb von 5 Tagen nach Beginn der COVID-19-Symptome mit Paxlovid oder Placebo behandelt wurden und die keine Behandlung mit Antikörpern erhielten bzw. bei denen eine solche Behandlung nicht zu erwarten war.
Von 1.039 Teilnehmern der Medikamentengruppe wurden im Beobachtungszeitraum von 28 Tagen 8 ins Krankenhaus eingewiesen (0,8 %). Niemand aus dieser Gruppe verstarb. Von den 1.046 Teilnehmern der Placebogruppe wurden 66 ins Krankenhaus eingewiesen (6,3 %). Hier gab es 12 Todesfälle. Ähnlich sahen die Zahlen aus, wenn das Mittel 5 Tage nach den ersten Krankheitssymptomen verabreicht wurde. Damit bestätigen sich die Ergebnisse der Zwischenstudie. Die Wirksamkeit gegenüber Schweren Verläufen oder tödlichem Ausgang verringert sich um etwa 88 Prozent verglichen mit der Placebogruppe.
Antikörper
Die Kombination der beiden Medikamente Casirivimab und Imdevimab wurde in einer Phase 3 Doppelblindstudie mit verschieden hohen Dosen auf ihre Wirksamkeit geprüft. Insgesamt nahmen 4.567 Personen an der Studie teil. Bei jedem davon lag mindestens ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf vor. Jeder wies seit etwa 3 Tagen leichte bis mittlere Covid-19 Symptome aufwiesen und lag nicht bereits im Krankenhaus. Verglichen mit der Placebogruppe senkte die Therapie das Risiko eines Krankenhausaufenthaltes oder des Todes infolge der Infektion um etwa 70 %.
In der Studie, deren Ergebnisse die Europäische Arzneimittelbehörde EMA zur Entscheidung über die Zulassung heranzog, konnte Regdanvimab die Wahrscheinlichkeit für eine Krankenhauseinweisung, eine Sauerstofftherapie und den tödlichen Ausgang einer Covid-19-Infektion senken. Von den 446 behandelten Risikopatienten wurden 14 (3,1 %) innerhalb von 28 Tagen nach der Behandlung ins Krankenhaus eingewiesen, benötigten Sauerstoff oder starben. Von den 434 Patienten der Placebogruppe waren 48 betroffen (11,1 %).
Entzündungshemmer
Bei Patienten, die während eines schweren Verlaufs auf die Gabe von Sauerstoff angewiesen sind oder künstlich beatmet werden, liegt das Sterberisiko entsprechend hoch. Dieses konnte einer Studie zufolge durch die Gabe des Entzündungshemers Dexamethason verringert werden. Verglichen wurden 2.104 Patienten, die Dexamethason erhielten mit 4.321 Patienten, die eine sonst übliche Behandlung erhielten. Während das Sterberisiko bei den mit Dexamethason behandelten, künstlich beatmeten Patienten um 29 % sank, ging es bei denen im Sauerstoffgabe ohne künstliche Beatmung um 21,5 % zurück.
Der Wirkstoff Baricitinib wurde zum Teil mit dem antiviralen Medikament Remdesivir auf seine Eignung zur Behandlung von Covid-19 getestet. Dabei zeigte sich, dass vor allem die Kombination beider Wirkstoffe die Krankheitsdauer verkürzt. So sank diese in einer Studie von 8 auf 7 Tage bei Patienten, die keine Sauerstoffgabe benötigten und von 18 auf 10 Tage bei Patienten, die Sauerstoff benötigten. Die Sterberate innerhalb von 28 Tagen sank von 7,8 % auf 5,1 %. Eine neuere Studie untersuchte den Wirkstoff zwischen Juni 2020 und Januar 2021 an insgesamt 1.518 Probanden. Hier betrug die Sterberate innerhalb von 28 Tagen 8 % in der Medikamentengruppe und 13 % in der Placebogruppe. auf 5,1 Prozent.
Den Wirkstoff Tofacitinib testeten Wissenschaftler in Brasilien bei einer Placebo kontrollierten Studie an insgesamt 289 Patienten. Die Sterberate nach 28 Tagen lag bei 2,8 Prozent in der Medikamentengruppe und bei 5,5 Prozent in der Placebogruppe. Allerdings traten mit 14,1 Prozent mehr schwerwiegende unerwünschte Ereignisse in der Medikamentengruppe auf als in der Placebogruppe (12 Prozent). In der Medikamentengruppe waren das unter anderem eine Gefäßverstopfung in den Venen (Venenthrombose), ein Herzinfarkt (Myokardinfarkt) und eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis). In der Placebogruppe kam es unter anderem zu einem hämorrhagischer Schlaganfall und einem kardiogenen Schock.
Welche Medikamente und Therapien haben sich als Irrweg herausgezeichnet?
Chloroquin und Hydroxychloroquin: Im Mai 2020 sorgte das als Malariamedikament zugelassene Hydroxychloroquin für Schlagzeilen, als sich der damalige US-Präsident Donald Trump damit prophylaktisch gegen Covid-19 behandeln ließ. Kurz zuvor warnte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA davor, das Medikament außerhalb seiner eigentlichen Bestimmung einzusetzen; es sei „von der FDA nicht für die Prävention, Diagnose, Behandlung, Linderung oder Heilung von Covid-19 zugelassen.“ Zweifel an der Wirksamkeit von Hydroxychloroquin und dem Verwandten Chloroquin gegen Covid-19 gab es damals schon. Diese wurden mittlerweile in mehreren Untersuchungen bestätigt. Bei einer Auswertung von 28 Studien aus mehreren Ländern kam beispielsweise das Universitätsspital Basel kam zu dem Ergebnis, das Hydroxychloroquin weder die Sterblichkeit senkt noch die Wahrscheinlichkeit, dass man künstlich beatmet werden muss. Außerdem sind die, wenn auch eher milden, Nebenwirkungen häufiger als bei Placebos.
Ivermectin: Ein Medikament, mit dem normalerweise Parasiten bei Menschen und Tieren bekämpft werden, wurde ebenfalls zur Behandlung von Covid-19 beim Menschen in Betracht gezogen. Im Labor tötete es die in Zellkulturen vermehrten SARS-CoV-2 Viren schnell und erfolgreich ab. Die Wissenschaftler rieten daher, den Wirkstoff für weitere Untersuchungen in Betracht zu ziehen. Widerspruch aus der Wissenschaftsgemeinde regte sich recht schnell. Denn die verabreichte Dosis war so hoch, dass sie die zugelassene Dosis fast um das Neunfache überstieg. Trotzt intensiver Forschung scheint Ivermectin bei der Behandlung von Covid-19 eine Sackgasse zu sein. Im Februar 2021 bekräftigt der Hersteller Merck, dass es keine Belege für eine Wirksamkeit des Medikaments gegen Covid-19 gebe. Eine Auswertung verschiedenster Studien kam Mitte 2021 zum gleichen Ergebnis.
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Auch wenn Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse mit aller nötigen Vorsicht publizieren, haben manche Nachrichten wahre Sprengkraft. In Zeiten der Pandemie sind das vor allem Nachrichten zu Impfstoffen und Heilmitteln. Dann können auch vorsichtige Formulierungen schnell große Erwartungen wecken. Aus „wir empfehlen, den Wirkstoff für weitere Untersuchungen in Betracht zu ziehen“ wird dann schnell die Headline „Tötet Virus in 48 Stunden: Krätze-Medikament macht Hoffnung im Kampf gegen Corona“ oder „Ist dieses Mittel der Durchbruch gegen das Coronavirus?“ Das hat mitunter fatale Folgen, wie der Ivermectin-Run in Südamerika. Aus Angst vor Covid griffen die Menschen hier zu den Präparaten für ihre Tiere. Das führte nicht zur Linderung, sondern brachte unangenehme Begleiterscheinungen.
Welche Ansätze verfolgen die Forscher allgemein bei ihren Medikamenten und Therapien?
Welche Art von Medikamenten bei einer Covid-19 Erkrankung hilfreich sein können, hängt vor allem vom Stadium der Erkrankung ab.
Antivirale Medikamente und Therapien, die das Virus selbst bekämpfen
Solange das Virus noch damit beschäftigt ist, in den Körper einzudringen, die Zellen zu entern und sich dort zu vermehren, stehen antivirale Medikamente im Vordergrund. Diese haben das Virus selbst zum Ziel. Einige zielen darauf ab, den Erreger an der Pforte abzufangen. Andere sollen ihn daran hindern, die Körperzellen zu entern. Wieder andere greifen in die Vermehrung des Virus ein. Und dann fallen auch solche Medikamente in diese Kategorie, die die körpereigene Abwehr gegen das Virus stärken. Zurzeit gibt es etwa 270 Projekte zu antiviralen Medikamenten und Therapien.
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Die oberen Atemwege sind die Eintrittspforte für das Virus – und damit auch der erste Schauplatz für eine Verteidigung. Denn wenn sich ein Wirkstoff finden ließe, der die Viren gleich an der Tür zu unserem Körper unschädlich macht, könnte eine Infektion wirkungsvoll verhindert werden. Tatsächlich arbeiten mehrere Teams auf der Welt an solchen Wirkstoffen, die in die Nase gesprüht, inhaliert oder gelutscht werden könnten.
Hat es das Virus erst einmal tiefer in den Körper geschafft, ist immer noch nicht alles verloren. Denn um sich vermehren zu können, muss es erst in unsere Zellen eindringen. Das sollen spezielle Medikamente verhindern. Antikörper sind hier oft das Mittel der Wahl. Anders als bei einer Impfung werden sie aber nicht im Körper selbst, sondern im Labor hergestellt oder von genesenen Personen gewonnen. Das Prinzip der Antikörper-Medikamente ist als passive Immunisierung schon sehr lange bekannt.
Einmal in die Zellen eingedrungen, nutzt das Virus diese, um sich zu vermehren. Deshalb ist ein weiterer Ansatz der Medikamentenentwicklung, diese Vermehrung zu unterbinden. Hier gibt es bereits viel Erfahrung mit anderen Viren, sodass die Forscher bereits erprobte Wirkstoffe auf ihre Eignung gegen das SARS-CoV-2 Virus testen können.
Die vierte Gruppe antivirale Medikamente schließlich soll die Immunabwehr unterstützen. Hier liegen die Hoffnungen auf Interferonen. Die gibt es auch im Körper, wo sie die Immunantwort steuern. Als Medikament sollen sie dabei zielgenauer vorgehen und unerwünschte Immunreaktionen verhindern.
Medikamente, die Schäden durch das Virus reduzieren
Mit einer anderen Art von Medikamenten versuchen die Mediziner nicht, das Virus selbst zu bekämpfen. Stattdessen wollen sie die Schäden mildern, den es anrichtet. Das sind einerseits Herz-Kreislauf-Medikamente, die zum Beispiel die gefürchteten Thrombosen verhindern sollen. Auch dämpfende Immunmodulatoren fallen hierunter. Denn ist ein aktives Immunsystem zu Anfang einer SARS-CoV-2 Infektion noch hilfreich und gewünscht, kann es später über das Ziel hinausschießen. Dann greift es die eigenen Körperzellen an. Es kommt zu Entzündungen und dem berüchtigten Zytokinsturm. Setzt sich das Virus in der Lunge fest, könnten spezielle Medikamente das lebenswichtige Atmungsorgan stabilisieren und die Schäden in Grenzen halten. Außerdem wird an Medikamenten geforscht, mit denen Spätfolgen – auch als Long Covid bekannt – in den Griff zu bekommen sind.
Viele der Schäden, die Covid-19 hinterlässt, sind auch von anderen Infektionen bekannt. Deshalb testen einige Forschungsgruppen, ob etablierte Medikamente gegen andere Krankheiten auch gegen Covid-19 wirken. Das nennt sich Umwidmung und könnte wertvolle Zeit sparen. Natürlich werden auch neue Wirkstoffe erforscht. Aktuell gibt es über 360 Projekte, die nach Medikamenten und Therapien gegen die Schäden einer Covid-19 Infektion suchen.
Welche Rolle können Medikamente beim Ausgang aus der Pandemie spielen?
Die Pandemie wird dann vorbei sein, wenn das Virus kaum noch zu schweren Verläufen führt. Wenn also durch das Virus nicht mehr zu viele Menschen gleichzeitig so krank werden, dass sie die Intensivstationskapazitäten übermäßig auslasten und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems bedrohen.
Der relevanteste Wert beim Thema „Ausgang aus der Pandemie“ ist also die Anzahl der schweren Verläufe. Genauer gesagt, ist der relevante Wert die Anzahl an schweren Verläufen im Verhältnis zu den Krankenhaus- / Intensivstationskapazitäten eines Landes. Diese Kapazitäten sind derzeit die Achillesferse der freien Gesellschaft.
Wenn nun Medikamente sehr effizient schwere Verläufe verhindern, und zusätzlich nicht zu teuer und ausreichend vorhanden sind, können sie dazu beitragen, den Übergang von der Pandemie in die Endemie zu beschleunigen.
Im Gegensatz zu Impfungen handelt es sich bei den Medikamenten aber immer um eine Reaktion auf eine Infektion. Es muss rechtzeitig gehandelt werden und das Medikament muss genau zu dem Zeitpunkt verfügbar sein, wo es gebraucht wird. Ein Impfung im Gegensatz ist Prävention. Einmal vollständig geimpft, hat der Geimpfte einen anhaltenden Schutz vor schweren Verläufen und ist nicht darauf angewiesen, jederzeit Zugang zu Medikamenten zu haben.
Nichtsdestotrotz: Effiziente und einfach erhältliche Medikamente tragen dazu bei, die Pandemie abzumildern.
Fazit unserer Expertin
Im Kampf gegen die Entwicklung schwerer Verläufe der Krankheit sind Medikamente ein ergänzendes Instrument zur Impfung. Dennoch sind die derzeitigen Behandlungen nur begrenzt wirksam, und es wäre riskant, auf eine Behandlung allein als Ersatz für die Impfung zu setzen. Eine Impfung kann eher vorbeugen als heilen. Das Ziel von Impfungen ist es, zu vermeiden, dass man krank wird und ins Krankenhaus gehen muss. Wir können uns glücklich schätzen, dass uns Impfstoffe zur Verfügung stehen, und wir müssen sie nutzen.
Dr. Anna Chioti
Infobox
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