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Dass Paul Wilmes einmal als Wissenschaftler erfolgreich in Luxemburg arbeiten würde, hätte er sich zu Beginn seiner Karriere nicht träumen lassen. Das war Anfang des Jahrtausends und Luxemburg damals noch ein blinder Fleck auf der wissenschaftlichen Landkarte.
Heute leitet Wilmes als Associate Professor die Forschungsgruppe Eco-Systems-Biology am Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) der Uni Luxemburg. Mit Hilfe systembiologischer Methoden erforscht sein Team mikrobielle Gemeinschaften in bisher unerreichtem Detail.
Die Anfrage, ob er sich eine Rückkehr nach Luxemburg vorstellen könne, erreichte Wilmes 2008 mitten in der Antarktis. Er arbeitete damals an der University of California, Berkeley und war gerade auf Forschungsreise unterwegs. „Bis dahin hatte ich schlichtweg nicht über eine Rückkehr nach Luxemburg nachgedacht, es gab einfach keine Perspektive“, blickt Wilmes zurück. „Aber das Interesse war dann da. Es hat mich schon gereizt, hier was mit aufzubauen.“
Von der Kläranlage zum Patienten
Mit Unterstützung des ATTRACT-Programms des FNR wechselte Wilmes 2010 aus den USA zunächst ans Centre de Recherche Public - Gabriel Lippmann, ein Jahr später siedelte er ans LCSB um. In dem über ATTRACT geförderten Projekt entwickelte Wilmes unter anderem eine analytische Methode, mit der sich in bakteriellen Gemeinschaften sowie anderen biologischen Proben gleichzeitig das Erbgut, die Transkripte, die Proteine und die Metaboliten der Mikroben bestimmen lassen. „Das hat uns die vergangenen drei Jahre beschäftigt, mit Erfolg. Wir sind weltweit die einzigen, die das bisher geschafft haben.“
Entwickelt haben die Forscher das mittlerweile patentierte Verfahren an fettakkumulierenden Bakterien aus Kläranlagen. „Die Komplexität dieser bakteriellen Gemeinschaften ist mit etwa 500 verschiedenen Arten geringer als in vielen anderen Ökosystemen, sie eignen sich somit gut für die Methodenentwicklung“, so Wilmes.
Mittlerweile wenden die Forscher das Verfahren auch im Zusammenhang mit humanbiologischen Fragestellungen an. Sie untersuchen zum Beispiel die Zusammensetzung und Aktivität der bakteriellen Darmflora – im Fachjargon als Mikrobiota bekannt – bei Diabetes oder Krebspatienten. „Unser Ziel ist es, dieses Ökosystem in Zukunft genügend zu verstehen, um ungünstige Entwicklungen aufzuhalten zu können, also bei Erkrankungen etwa über eine veränderte Ernährung den Normalzustand wiederherzustellen,“ erläutert Wilmes.
Wie interagieren humane und bakterielle Zellen?
Dafür haben die Forscher auch ein Co-Kultur-System für humane und bakterielle Zellen etabliert – das so genannte HuMiX. Mit Hilfe von HuMiX wollen die Wissenschaftler etwa die Frage klären, wie humane Zellen durch die Metaboliten der Bakterien beeinflusst werden oder wie sich die Ernährung auf die Darmmikrobiota auswirkt. Gefördert wurden diese Projekte über das CORE Programm des FNR. Das INTERmobility Förderprogamm ermöglichte eine Zusammenarbeit mit Forschern der University of Arizona sowie der University of Michigan. Gemeinsam zeigten die Wissenschaftler, dass eine ballaststoffarme Ernährung die Zahl von solchen Bakterien im Darm ansteigen lässt, die die Schleimhaut abbauen und so vermutlich Entzündungsreaktionen begünstigen.
Mittlerweile wurde Paul Wilmes erfolgreich evaluiert und zum Associate Professor an der Uni Luxemburg befördert – und sieht keinen Grund, aus Luxemburg wieder wegzugehen. „Wenn ich jetzt zurückschaue auf die vergangenen fünf Jahre, kann ich schon zufrieden sein mit dem, was wir hier erreicht haben. Und ich bin zufrieden, mit meiner Entscheidung, hierher zurückzukommen.“
Autor: Hannes Schlender
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