Eine Kalorienreduktion um 30-40% kann mein Leben um bis zu 40% verlängern. Stimmt das?

Wie stimmen Sie?

a) Nein, dies geht nur im Tierversuch
b) Ja, dies geht auch beim Menschen
c) Eine weniger drastische Kalorienreduktion (10-20%) ist vorzuziehen

Leben und fit sein bis 120!? 

“Die 120 Jahre Diät – wie Sie Ihre vitalen Jahre verdoppeln”. Mit solchen Buchtiteln wird für eine kalorienreduzierte Diät geworben. Der Grund: Studien an Labortieren haben gezeigt, dass sie bei einer Kalorienreduktion um ca. 50% eine ebenso längere Lebenserwartung hatten, und dazu wesentlich munterer waren als ihre normal gefütterten Artgenossen. Natürlich muss die Nahrung trotzdem alle essentiellen Nährstoffe enthalten.

Der Grund für das längere Leben ist nicht völlig geklärt, scheint aber mit der Aktivierung bestimmter Proteine in Zusammenhang zu stehen, die mit der Stressreistenz der Zellen, dem Zucker-und Insulinhaushalt, und der Alterung der Zellen zu tun haben (sogenannte Sirtuine).

Funktioniert Kalorienreduktion am Menschen?

In der Praxis - leider nein. Ein Beispiel: Sie streben ein Lebensalter von 120 Jahren an. Zur Ausdehnung der Lebensspanne müssten Sie ihre Energiezufuhr durch die Nahrung um 40 % senken. Dies geht leider – mathematisch bestätigt – mit einem Gewichtsverlust von etwa 50% einher. Dies ist schlichtweg weder vorstellbar noch umsetzbar.

Außerdem: Das Risiko an Osteoporose, anderen Mangelerscheinungen, Depressionen, und eingeschränkter Libido steigt erheblich! Wissenschaftler witzeln: “Kalorienreduktion mag oder mag nicht Ihre Lebensspanne verlängern – es fühlt sich auf jeden Fall länger an!”

Keine Anwendung für den Menschen? Was wir von Okinawa lernen können.

Die Okinawa Inseln sind ein kleines, zu Japan gehörendes Archipel. Das besondere: Hier gab es weltweit bis vor kurzem die meisten 100 Jährigen! Warum,  dies haben viele Forscher zu ergründen gesucht. Ihre Funde: Viel Bewegung, eine Ernährung mit vielen Kohlenhydraten und wenig Fett. In der Tat haben Laborversuche bestätigt, dass Tiere mit komplexen Kohlenhydraten (wenig Zucker), und wenig Fetten, aber genug Eiweiß am längsten leben. Außerdem stammt von Okinwa das Motto: “Iss, bis Du 80% satt bist.” Eine 10-20%ige Kalorienreduktion ist für den Menschen vorstellbar – aber eben für viele von uns alles andere als leicht.

Ausweg zwischenzeitliches Fasten – oder Warten auf die Pharmapille ?

Ein weiterer Ansatz ist das Intervall-Fasten - etwa der Verzicht auf das Frühstück. Die verlängerte Nüchternheit (über Nacht und der Morgen) soll ähnlich positive Effekte haben wie eine Kalorienreduktion – selbst wenn später vermehrt Nahrung aufgenommen wird. Wer nichts von Fasten jedweder Art wissen möchte: Die Pharma-Industrie arbeitet mit Hochdruck an Tabletten, die die SIRT Proteine ähnlich wie Fasten beinflussen soll – lange Leben, ohne Verzicht – wer möcht‘ dies nicht!?

Die richtige Antwort lautet demnach sowohl a) als auch b): 30-40% Kalorienreduktion funktionieren nur im Tierversuch, beim Menschen sind eine Kalorienreduktion von 10-20% umsetzbar und bringen vermutlich gesundheitliche Vorteile.

Zur Person

Der Autor Torsten Bohn ist Ernährungsforscher am Luxembourg Institute of Health (LIH). Er forscht an der Bioverfügbarkeit von Mikronährstoffen und deren Einfluss auf die Gesundheit. Zudem unterrichtet er als Adjunct Associate Professor an der Universität Luxemburg und ist Chefredakteur des “International Journal for Vitamin and Nutrition Research”. Torsten Bohn, aufgewachsen in Troisdorf bei Bonn, kam nach den Stationen Frankfurt am Main, ETH Zürich und Ohio State University, im Jahr 2007 nach Luxemburg zum damaligen CRP-Gabriel Lippmann. Seit 2016 arbeitet er nun beim LIH und kann auch in seiner Freizeit auf sein Ernährungsknowhow zurückgreifen: Torsten Bohn ist leidenschaftlicher Triathlet und Läufer.

In den kommenden Wochen wird science.lu jeden Dienstag ein neues Quiz von Torsten Bohn veröffentlichen.

Autor: Torsten Bohn,
Redakteur: Jean-Paul Bertemes
Literatur: Roy Walford: How to double your vital years. Simon and Schuster, 1987.

Infobox

Torsten Bohns Ernährungsquiz

Eine Serie von 10 Folgen, jeweils Dienstags auf science.lu!

 

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