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Seit Jahren schon warnen Wissenschaftler und Naturforscher auf der ganzen Welt mehr oder weniger eindringlich vor den mannigfaltigen Bedrohungen, denen die biologische Vielfalt – vor allem durch menschlichen Einfluss – ausgesetzt ist. Die mittel- und langfristigen Folgen der abnehmenden Biodiversität zeigen sich bereits. Sie betreffen zum Teil ganz unmittelbar unser Leben. Warum ist die Vielfalt so wichtig für uns? Was tut Luxemburg, um sie zu messen und die Entwicklung zu beobachten?
Zum Einstieg in die Thematik befassen wir uns zunächst näher mit dem Begriff der biologischen Vielfalt. Man spricht auch von Biodiversität. Biodiversität gibt es auf verschiedenen Ebenen.
Verschiedene Ebenen der Biodiversität
Gehst du gern im Wald spazieren? Oder badest du lieber im See? Diese Umgebungen sind ganz unterschiedlich, aber beide nennt man Ökosysteme. Es handelt sich dabei um Gebiete mit bestimmten Umweltbedingungen (Biotope), die jeweils einer spezifischen Lebensgemeinschaft (Biozönose) einen Lebensraum bieten. Weltweit betrachtet gibt es eine Vielzahl von Ökosystemen: Man spricht von der Vielfalt der Ökosysteme.
Vielfalt lässt sich jedoch auch auf der Ebene der Arten feststellen. Vom Elefanten über das Gänseblümchen in deinem Garten bis zur Hefe im Bier: Unter den Begriff der Diversität der Arten oder auch Artenvielfaltfallen alle Lebewesen, auch die Flora und Mikroorganismen!
Nimmt man nun eine Art einmal genauer unter die Lupe, wird eine weitere Form der Diversität erkennbar. Bei einer Busfahrt ist es zum Beispiel offensichtlich: Wir Menschen sind alle unterschiedlich. Diese Unterschiede zwischen den Individuen einer Art (z. B. die Augenfarbe) sind das Ergebnis dessen, was man genetische Vielfalt oder auch intraspezifische Diversitätnennt. Wie ausgeprägt sie vorliegt, hängt von der Variabilität der Gene (der DNA-Sequenz, die ein Merkmal festlegt) zwischen den Individuen einer Art ab.
Warum ist die biologische Vielfalt wichtig?
Ein komplexes Gefüge – und hochempfindlich
Seit Dezember 2018 sind etliche Eisbären in die russischen Dörfer an der Barentssee eingefallen. Das ist ein ganz neues Phänomen, das anschaulich demonstriert, wie sich die globale Erwärmung auf die biologische Vielfalt und ihr empfindliches Gleichgewicht auswirkt. Das Jagdrevier der Eisbären hat sich verkleinert, weil das Eis in den Polargebieten rapide schmilzt. Die Bären haben daher große Probleme, ausreichend Beute zu finden, und wagen sich in die Dörfer vor, um dort nach Nahrung zu suchen.
Verschlechtern sich die Bedingungen in einem Lebensraum, oder wirken Faktoren von außen ein, wird das ganze System in Mitleidenschaft gezogen. Es reicht bereits aus, wenn nur ein Glied gestört ist: Schon kippt das Gleichgewicht. „In einem Ökosystem steht alles miteinander in Beziehung. Eine hohe Pflanzenvielfalt bedeutet in der Regel, dass auch ein vielfältiger Insektenbestand vorhanden ist. Wächst eine Pflanze plötzlich nicht mehr, verschwinden auch die Insekten, die sich auf diese spezialisiert hatten“, erklärt Dr. Laurent Schley, Biologe und stellvertretender Direktor der Naturverwaltung, den Zusammenhang.
Wie wichtig die biologische Vielfalt ist, zeigt sich auch im Zusammenspiel der Arten untereinander in einem Habitat. Den großen Räubern kommt im Ökosystem eine wichtige Rolle zu.„Mit der Rückkehr des Wolfes müssen die Pflanzenfresser ihr Verhalten anpassen und mehr Energie darauf verwenden, ihre Umgebung zu überwachen. Mehr noch als die Tatsache, dass der Wolf die Bestände aktiv reguliert, führt seine Präsenz dazu, dass sich die Pflanzenfresser natürlicher verhalten. Letztere müssen wachsamer sein. Das beansprucht Energie und dadurch verändert sich ihr Fressverhalten. In der Folge regeneriert sich der Wald besser und ganz natürlich, was sich sehr positiv auf die Artenvielfalt im Wald auswirkt“, so Herr Schley.
Eine Ressource von unschätzbarem Wert
„Seit Jahrhunderten ist bekannt, dass die Larve der Großen Wachsmotte ( Nachtfalter) () die Wachswaben der Honigbienen frisst. Daher ist sie uns nie nützlich erschienen. Aber nun hat sich herausgestellt, dass sie in der Lage ist, das für uns so problematische Polyethylen zu zersetzen, das sich überall ablagert, zum Beispiel auch in den Ozeanen“, erläutert Herr Mestdagh, Ingenieur im LIST.
Ohne biologische Vielfalt ist der Erhalt der natürlichen Ressourcen, die der Mensch nutzt, um Material herzustellen (z. B. Fasern), neue Medikamente zu entwickeln (z. B. Pflanzenmoleküle) oder um sich zu ernähren (z. B. Fauna und Flora), nicht denkbar. Sie ist ein unerschöpflicher Quell natürlicher Ressourcen – von manchmal ganz unerwartetem Nutzen, wie man am Beispiel der Wachsmottenlarve sieht!
Dabei gerät sogar häufig in Vergessenheit, was die Ökosysteme sonst noch für uns leisten, weil es für uns so selbstverständlich ist. „Die Pflanzen produzieren Sauerstoff, den wir zum Überleben brauchen, wie so viele andere Tierarten auch. Werden Wälder im großen Stil abgeholzt, kommt es zu einem bedenklichen Defizit“, warnt Herr Schley.
Vielfalt – der Schlüssel zum Gleichgewicht
„In einer Monokultur, z. B. in einem Maisfeld, ist die biologische Vielfalt stark herabgesetzt. Wenn dort ein Krankheitserreger oder Parasit den Mais befällt, breitet er sich schnell großflächig aus. Er hat dabei leichtes Spiel, weil das dürftige Ökosystem ihm nichts entgegenzusetzen hat. Gäbe es eine höhere Artenvielfalt, würde der Schädling ausgebremst. Er könnte dann die übrigen dort lebenden Arten nicht so leicht dominieren“, führt Herr Mestdagh aus.
Mit Resilienz bezeichnet man die Fähigkeit eines Ökosystems, eine Veränderung zu überstehen (z. B. die Erderwärmung). Das ist nur möglich, wenn der betreffende Lebensraum eine hohe biologische Vielfalt aufweist, denn dadurch erhöht sich die Stabilität und Anpassungsfähigkeit des Gebiets. Ist das nicht der Fall, verträgt das Ökosystem eine Veränderung häufig nicht.
Wie wird in Luxemburg die biologische Vielfalt gemessen und ihre Entwicklung verfolgt?
In der Europäischen Union ist der Zustand der Arten in einer Liste erfasst. Sie bildet die Grundlage für Maßnahmen zu deren Beobachtung und Schutz. Jedes Land ist gehalten, anhand dieser Liste ein Programm zur Beobachtung aufzulegen, z. B. von Arten, die sich im Rückgang befinden, oder von Indikatorarten eines Gebiets (deren Zustand anzeigt, wie gesund ein Lebensraum ist).
„Von Indikatorart sprechen wir, wenn eine Art oder eine Gruppe von Arten beobachtet wird, von der gut bekannt ist, wie sie im Ökosystem funktioniert. Man weiß, dass die jeweilige Art diese oder jene Bedingungen zum Überleben braucht. Sie lässt sich also als Indikator dafür hernehmen, wie es um den Lebensraum insgesamt bestellt ist, in dem sie lebt“, erläutert Herr Mestdagh.In Luxemburg werden in der Hauptsache folgende Gruppen von Arten beobachtet: Schmetterlinge, Vögel und Fledermäuse, die den Vorteil haben, in verschiedenen Lebensräumen beheimatet zu sein (z. B. im Wald und in der Stadt).
Über nationale Initiativen können auch andere Arten als die, die auf der von der Europäischen Union vorgegebenen Liste stehen, beobachtet werden. Das bietet sich beispielsweise an, wenn ein Städtebauprojekt in einem Gebiet geplant ist, das alle Bedingungen eines Lebensraums aufweist, der für seltene oder geschützte Arten günstig ist. Dann muss vor dem ersten Spatenstich die Biodiversität des Gebiets geprüft werden.
Eine Datenbank für das Naturerbe Luxemburgs
Das Nationalmuseum für Naturgeschichte digitalisiert seit den 1980er-Jahren die zur biologischen Vielfalt gesammelten Daten. Von Tag zu Tag wächst so unser Wissen über die Vielfalt des Lebens in Luxemburg – dank des verdienstvollen Einsatzes von Wissenschaftlern, Experten, Naturforschern und Umweltschützern, und auch der Bevölkerung. Über ein entsprechendes Datenportal wird das Naturerbe Luxemburgs digitalisiert. Es ist eine Informationsquelle für alle, die mit der Beobachtung der biologischen Vielfalt befasst sind und daran mitwirken.
Aktueller UN Bericht zur Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen und Lage in Luxembourg
Am 6. Mai dieses Jahres hat die “Intergovernemental science-policy Platform on Biodiversity and Ecosystems Services” der UN einen Bericht vorgestellt, welcher die aktuelle weltweite Lage der Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen zusammenfasst. Der Bericht bietet aber nicht nur eine Bestandsaufnahme, sondern schlägt auch konkrete politische Handlungsmaßnahmen vor, welche einen besseren Schutz der natürlichen Vielfalt und Ressourcen erlauben.
Luxemburgische Naturschutzorganisationen (Association des Biologistes Luxembourgeois (ABIOL), Mouvement Ecologique a.s.b.l., Musée national d’histoire naturelle, natur&ëmwelt a.s.b.l., Société des naturalistes luxembourgeois (SNL)) haben eine Stellungnahme zur Schlussfolgerung des UN Berichtes verfasst in welcher sie auch die Lage der Biodiversität in Luxembourg schildern und konkrete Maßnahmen für Luxemburg fordern. Hier kannst Du dir die Stellungnahme anschauen.
Autor : Constance Lausecker
Edition : Michelle Schaltz (FNR)
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Falls du mehr darüber erfahren möchtest, welche Säugetierarten es in Luxemburg gibt, oder dich für Naturkunde interessierst: Gerade ist das Buch „Säugetiere Luxemburgs“ erschienen, das Laurent Schley und Jan Herr, zwei Mitarbeiter der Naturverwaltung in Luxemburg, verfasst haben.