© Christian Wille

Ein Drittel aller Europäer lebt in Grenzregionen

Kaum zu glauben: 2.595 Kilometer Grenze gibt es in der Großregion. Auf den Karten zwar noch eingezeichnet, sind sie in den Köpfen der rund 11,5 Millionen Menschen, die dort leben, längst verschwunden. Tagtäglich überschreiten rund 220.000 Pendler allein zum Arbeiten die Grenzen dieser Region. Andere zieht es zum Einkaufen und Tanken oder aber auch zum Wohnen ins Nachbarland. 

All das prägt die Region im besonderen Maße. Sei es mit Blick auf die unterschiedlichen Beschäftigungsquoten und die Einkommenssituationen in dieser Region, den Verkehr, die Sprachenvielfalt, die kulturellen Unterschiede oder aber die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf vielen Gebieten. 

Forschung zum Grenzraum soll international stärker wahrgenommen werden

Für die Wissenschaft stellt die Großregion daher ein interdisziplinäres Forschungsfeld dar. Und für die politisch Verantwortlichen in diesem Lebensraum können die Erkenntnisse, die aus dieser Forschung gewonnen werden, als Entscheidungshilfe dienen. Dass sich die Forschung mit dem Leben in Grenzregionen auseinandersetzt, ist nicht ungewöhnlich. Einmalig ist jedoch die Art und Weise, wie es in der Großregion geschieht.

So hat die Universität der Großregion (UniGR), bestehend aus den Universitäten Lüttich, Luxemburg, Trier, Kaiserslautern, Lothringen und der des Saarlandes, im Jahr 2014 ein gemeinsames Netzwerk auf den Weg gebracht, das den Namen „UniGR.Center für Border Studies“ trägt und sich als multidisziplinäre Plattform der Grenzraumforschung sieht. Dem Netzwerk geht es unter anderem darum, die Projekte der beteiligten Universitäten im Bereich der Border Studies zu bündeln und gemeinsam Forschung zu betreiben. 

Grenzregion bietet breites Forschungsfeld für unterschiedlichste Disziplinen

Seit 2018 führt das Netzwerk ein gleichnamiges Interreg VA Großregion-Projekt durch. Ziel des Projekts ist es, das grenzüberschreitende Wissenschaftsnetzwerk strukturell weiterzuentwickeln und zu festigen. Aktuell sind 80 Forscher aus 16 wissenschaftlichen Disziplinen daran beteiligt. Wie Christian Wille, wissenschaftlicher Projektleiter, erklärt, geht es aber auch darum, die Großregion als Forschungsstandort nachhaltig in einem aufstrebenden Wissenschaftsfeld zu positionieren. „Das Projekt soll dazu beitragen, dass wir in der internationalen Grenzforschung stärker wahrgenommen werden“, so Wille.

Dazu gehört beispielsweise auch der Aufbau einer Infrastruktur für Forschungszwecke. „Wir wollen unter anderen eine Online-Datenbank mit wichtigen Fachtexten der Border Studies erstellen, bereiten Ressourcen auf und kommentieren sie, damit dann Wissenschaftler wie auch institutionelle Akteure mit ihnen arbeiten können“, sagt der Kulturwissenschaftler der Uni Luxemburg. 

Ein Drittel der Europäer lebt in Grenzregionen

Als Beispiel nennt Wille Entwicklungspläne der Raumordnung, die in den Teilregionen der Großregion nicht identisch seien. „Eine integrierte Raumentwicklung in der Großregion erfordert eine interregionale Abstimmung von raumordnerischem Handeln“, erklärt der wissenschaftliche Leiter. Und dafür stünden im digitalen Dokumentationszentrum des UniGR-Center for Border Studies Informationen und strategische Dokumente zur Konsultation bereit.

Für den Präsidenten des Europäischen Ausschusses der Regionen, Karl-Heinz Lambertz, trägt das UniGR-Center for Border Studies dazu bei, „Grenzen als Ressourcen für Bürger auf beiden Seiten zu erschließen“. Er sieht in den Grenzregionen „wahre Laboratorien der europäischen Integration“ und verweist auf die Bedeutung dieser Forschung. Schließlich lebe ein Drittel aller Europäer in Grenzregionen. 

Gemeinsamer Master-Studiengang Border Studies

Interessant ist das Netzwerk der Grenzforscher auch für Studierende. Im trinationalen und mehrsprachigen Master-Studiengang Border Studies, den vier Universitäten des UniGR-Verbunds seit 2017 gemeinsam anbieten, werden den Studierenden die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhänge in Grenzregionen und von Grenzbeziehungen vermittelt. In dem Masterprogramm besteht die Möglichkeit sich raumwissenschaftlich oder kultur-/sprachwissenschaftlich zu spezialisieren. Innovative Fernlerninstrumente, die derzeit im Interreg-Projekt des Netzwerks entwickelt werden, sollen das grenzüberschreitende Studieren erleichtern. 

Die Weiterentwicklung und Festigung des UniGR-Center for Border Studies wird durch die EU ermöglicht, die  das Netzwerk bis 2020 mit rund zwei Millionen Euro aus dem Programm Interreg VA Großregion fördert. Weitere 1,6 Millionen steuern die Universitäten der Großregion bei.   

Autor: Uwe Hentschel

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