Musée National d'Histoire Militaire Diekirch

Eltern, Soldaten und Kinder vor den Trümmern eines Hauses im Luxemburger Bahnhofsviertel

Alles beginnt mit einem Missverständnis. Zumindest sieht es für die Menschen vor Ort zunächst danach aus: Am frühen Abend des 1. August 1914 nimmt ein kleines Kontingent preußischer Soldaten den Bahnhof des Städtchen Troisvierges im Norden des Landes ein und fängt an, die zur belgischen Grenze führenden Eisenbahngleise zu demontieren. Gut eine Stunde später trifft ein weiteres Fahrzeug mit deutschen Soldaten am Bahnhof ein. Der Befehl zur Demontage der Gleise wird widerrufen, mit dem Hinweis, dass es sich bei dieser Anordnung um einen Fehler gehandelt habe. 

Premierminister Eyschen fordert daraufhin per Telegramm vom deutschen Außenminister in Berlin eine Entschuldigung für den Vorfall – nichts ahnend, dass nur wenige Stunden später, am Morgen des 2. August, deutsche Offiziere und Soldaten mit Fahrzeugen die Grenze in Wasserbillig passieren und Truppenkonvois in einem gepanzerten Zug von Trier aus auf die Hauptstadt zusteuern. Noch am gleichen Tag wird das Großherzogtum von den Deutschen besetzt. Die Neutralität Luxemburgs wird einfach missachtet. Wobei: Das mit der Neutralität ist so eine Sache. Denn der Widerstand gegen die Eindringlinge hält sich in Grenzen. Auch wenn davon im Nachhinein viele nichts mehr wissen (wollen).

Mehr als 350 historische Dokumente digital aufbereitet

„Der Erste Weltkrieg passt nicht in den linearen Diskurs und damit ins Bild vieler Luxemburger, weil sich das Verhalten nicht mit der Resistance im Zweiten Weltkrieg  deckt“, erklärt Denis Scuto, Geschichtsprofessor der Universität Luxemburg und Leiter der Forschungseinheit Contemporary History of Luxembourg  (C²DH) anlässlich der Eröffnung der virtuellen Ausstellung „Éischte Weltkrich: Remembering the Great War of Luxembourg“ . 

Die Ausstellung – zugänglich in drei Sprachen über diese Internetseite (Link: https://ww1.lu) - ist das Ergebnis eines zweijährigen Forschungsprojekts, das auf ein umfangreiches Datenmaterial zurückgreift. Dabei wurden gut 350 historische Quellen wie Bilder, Filme, Presseberichte, Bücher, persönliche Briefe, Tagebucheinträge und offizielle Schreiben digital aufbereitet und in vier Themenfeldern (Besatzung, Hunger, Trauer und Verlust) miteinander verknüpft.

Ausstellung räumt mit falschen Vorstellungen auf

„Wir wollen damit nicht nur den Spezialisten, sondern auch dem breiten Publikum einen Einblick geben“, sagt Historiker Scuto und verweist auf die extremen Unterschiede zwischen den beiden Weltkriegen und deren Erinnerungskultur. So stünden in ganz Luxemburg weniger als zehn Monumente, die an die Opfer des Ersten Weltkriegs erinnerten, aber ungefähr 500 für die Opfer des Zweiten Weltkriegs, erklärt der Forschungsleiter. Und es gebe Straßennamen, durch die suggeriert werde, dass Luxemburg bereits während des Ersten Weltkriegs an der Seite der Alliierten gestanden habe. Dass dies in der Gesamtheit aber nicht der Fall war, zeigt die Ausstellung.

„Historisch-kritische Forschung kann nicht so tun, als ob die Zeit von 1914 bis 1918 nicht zur luxemburgischen Geschichte gehört“, sagt Scuto. Zwar habe sich der Krieg nicht im Land, sondern jenseits der Grenzen abgespielt, „aber trotzdem war Luxemburg kein Wartezimmer“, betont der wissenschaftliche Leiter der Ausstellung. „Wir dürfen die Geschichte nicht nur schön erzählen, sondern müssen sie richtig erzählen.“

Demokratisierung von Geschichtsvermittlung

Dem schließt sich auch C²DH-Direktor Professor Andreas Fickers an. Fickers spricht von einem „interaktiven Entdeckungsprozess“, der zu einer „Demokratisierung von Geschichtsvermittlung“ beitrage. Zum einen ergebe sich die Möglichkeit, neue Formen der Geschichtserzählung zu präsentieren sagt er. Zum anderen werde dadurch auch die in Luxemburg zuletzt stark vernachlässigte Forschung über den Ersten Weltkrieg und dessen Bedeutung für die Entwicklung des 20. Jahrhunderts vorangetrieben. 

„Die Ausstellung wurde so konzipiert, dass der Nutzer je nach eigenem Kenntnisstand und persönlichen Interessen navigieren kann“, sagt die Koordinatorin des Projekts, Sandra Camarda. Des Weiteren sei auch ein pädagogisches Dossier für den Schulunterricht integriert, fügt sie hinzu. Ziel sei es, die aktive und kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des eigenen Landes zu fördern und dazu eine Vielzahl von Lehr- und Lernaktivitäten, digitalen Werkzeugen und Lösungen anzubieten.

Autor: Uwe Hentschel
Fotos: Musée National d'Histoire Militaire Diekirch (Quelle)

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Hintergrundinfos zur Ausstellung

Die Ausstellung wird vom C²DH, dem interdisziplinären Forschungszentrum der Universität Luxemburg, in Zusammenarbeit mit den wichtigsten luxemburgischen Kultureinrichtungen organisiert: der Association luxembourgeoise des Enseignants d’Histoire, dem Luxemburger Nationalarchiv, der Nationalbibliothek von Luxemburg, dem Dokumentationszentrum für menschliche Migration, dem Nationalzentrum für audiovisuelle Medien, dem Nationalmuseum für Geschichte und Kunst und dem Nationalmuseum für Militärgeschichte. Mehr Informationen auf der Internetseite der Universität Luxemburg.

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