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Im Diagramm gibt es zwei Kurven. Die eine Kurve steht für das luxemburgische Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf und die andere für das Wohlbefinden der im Großherzogtum lebenden Menschen. Beide Kurven starten im Jahr 2009 an derselben Stelle. Doch während das Bruttoinlandsprodukt in den darauffolgenden Jahren bis 2015 um 5,7 Prozent steigt, sinkt der Index für das Wohlbefinden im gleichen Zeitraum um 0,8 Prozent. Obwohl der Wohlstand wächst, nimmt die Lebensqualität ab. Wie kann das sein?
63 Indikatoren für Wohlbefinden analysiert
Antworten darauf liefert der „PIBien-être“-Report, den das luxemburgische Statistik-Institut Statec kürzlich veröffentlich hat. Im Report, der das Ergebnis einer zweijährigen Forschungsarbeit ist, wurde die Lebensqualität der in Luxemburg lebenden Menschen untersucht. Die Statistiker haben dazu auf Grundlage von nationalen und internationalen Erhebungen verschiedenster Quellen die Entwicklung im Zeitraum 2009 bis 2015 analysiert.
Dabei wurden neben dem BIP pro Kopf auch viele andere Einflussfaktoren berücksichtigt. Wie beispielsweise der Bildungsgrad, die Wohnsituation, die Lebenserwartung oder aber das persönliche Sicherheitsempfinden. Zu insgesamt 63 Indikatoren aus elf Bereichen wurden Daten zusammengetragen und analysiert.
Bereich Bildung von zwei gegenseitigen Trends geprägt
Mit Blick auf das Wachstum von Einkommen und Vermögen liegt Luxemburg demnach über dem europäischen Durchschnitt. Und auch bei der Work-Life-Balance und der Häufigkeit sozialer Kontakte konnten in dem Sechs-Jahres-Zeitraum Verbesserungen festgestellt werden.
Gleiches gilt für den Bereich Bildung, wobei dieser laut Report von zwei gegenseitigen Trends geprägt ist: Auf der einen Seite stieg der Anteil der Personen mit Hochschulabschluss, auf der anderen Seite aber gleichzeitig auch der Anteil derjenigen, die sich frühzeitig aus dem Bildungssystem verabschieden. Entsprechend schneidet Luxemburg bei den Hochschulabschlüssen besser als der europäische Durchschnitt ab, bei den Schulabbrüchen dafür schlechter.
Es gibt aber auch noch andere Gebiete, auf denen ein Negativtrend zu verzeichnen ist. In Puncto Lärmbelästigung beispielsweise rangiert Luxemburg im unteren Viertel westeuropäischer Staaten. Und auch der Indikator für Luftverschmutzung hat sich verschlechtert, wodurch die Lebensqualität ebenfalls beeinträchtigt wird.
Vertrauen in die öffentlichen Institutionen gesunken
Zudem verzeichnet die Analyse der statistischen Daten auch einen Rückgang bei den Einschätzungen zur persönlichen Sicherheit, Gesundheit und Wohnsituation. Spürbar rückläufig war zudem der Glaube an die politischen und öffentlichen Institutionen. Schenkten 2009 noch 75 Prozent der Luxemburger diesen Einrichtungen ihr Vertrauen, so waren es laut PIBien-être-Report 2015 nur noch 63 Prozent.
Unterm Strich aber kommen die Statistiker zu dem Ergebnis, dass sich die Entwicklung in Luxemburg größtenteils auf europäischen Niveau bewegt und dass das Großherzogtum darüber hinaus federführend bei der Entwicklung systematischer Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität ist.
Verfeinerung der Messmethoden erforderlich
Allerdings räumen die Autoren des Reports auch ein, dass die Datenlage bei einigen Indizien recht dünn gewesen sei und in einigen Bereichen die Messmethoden verfeinert werden müssten. Ein weiteres Problem sei zudem die Aktualität der statistischen Quellen.
Um die zeitliche Verzögerung zwischen Erhebung und Verbreitung der Daten zu verringern, hat Statec deshalb ein Vorhersagemodell entwickelt. Mit Hilfe der Daten aus Verbraucher- und Unternehmerbefragungen und mittels statistischer Berechnungen lassen sich damit auch Prognosen zum Wohlbefinden für die Jahre nach 2015 ableiten. Für die Statistiker ist das erfreulich, für den Rext der Bevölkerung aber eher weniger. Waren 2015 immerhin noch 42 Prozent der Luxemburger mit ihrem Leben zufrieden, so waren es 2016 gemäß Vorhersagemodell nur 40,5.
Autor: Uwe Hentschel
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