Exit strategy

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Der Rt-Wert liegt laut Angaben des Gesundheitsministeriums in Luxemburg zurzeit bei ungefähr 1.

Bei der Diskussion über die Lockerung der Maßnahmen im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie stehen viele Fragen im Raum. Wie wissen wir, ob wir auf dem richtigen Weg sind? Könnten wir vielleicht schneller zu einer gewissen Normalität zurückkehren? Oder müssen wir wieder restriktiver werden? Ist vielleicht sogar ein zweiter Lockdown irgendwann wieder nötig? Um auf solche Fragen Antworten zu finden, die Basis für weitreichende Entscheidungen sind, ist ein Messwert besonders wichtig: die Reproduktionszahl.

In diesem Artikel erklären wir, was die Reproduktionszahl genau ist, wie man sie misst und weshalb sie als Indikator gut geeignet ist, um Lockerungsmaβnahmen zu begleiten.

Keine Zeit? Am Ende des Artikels findest Du eine Zusammenfassung mit allem was Du wissen musst.

Was ist die Reproduktionszahl?

Die Reproduktionszahl ist eine Kennzahl aus der Epidemiologie, also der Wissenschaft von der Verbreitung von Krankheiten. Die Reproduktionszahl R ist ein Maß dafür, wie effizient sich eine Infektionskrankheit ausbreitet. Konkret gibt sie an, wie viele Menschen ein Infizierter im Laufe seiner Erkrankung ansteckt. Hat die Reproduktionszahl den Wert 1, steckt ein Infizierter im Schnitt genau einen anderen Menschen an, bevor er die Krankheit überstanden hat oder daran verstirbt. Hat die Reproduktionszahl den Wert 2, steckt ein Infizierter im Schnitt 2 Personen an. Usw. Die Reproduktionszahl hängt von den Infektionseigenschaften des Virus und den sozialen Interaktionen in der Bevölkerung ab. Es gibt verschiedene Ansätze zur Schätzung dieser Reproduktionszahl, die auch vom Status der Epidemie abhängen:

Basisreproduktionszahl R0, Nettoreproduktionszahl Rt und effektive Reproduktionszahl Reff

Wissenschaftler unterscheiden zwischen der Basisreproduktionszahl R0, der Nettoreproduktionszahl Rt, und der effektiven Reproduktionszahl Reff.

R0: Die Basisreproduktionszahl R0 gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt, wenn sonst noch keiner infiziert ist – also in anderen Worten gibt sie an, wie ansteckend das Virus zum „Zeitpunkt 0“ ist, bzw. zu Beginn einer Epidemie.

Bei der Berechnung von R0 wird davon ausgegangen, dass noch niemand gegen den Erreger immun ist und dass es auch noch keine Maßnahmen gibt, die vor Ansteckung schützen – etwa Impfungen oder Einschränkungen der sozialen Kontakte. R0 gibt an, ob ein Infektionserreger grundsätzlich das Potenzial in sich hat, eine Epidemie auszulösen. Zu Beginn einer Epidemie bezieht sich dies typischerweise auf die exponentielle Zunahme an infizierten Menschen.

Zu Beginn der COVID-19 Epidemie in Luxemburg lag dieser Wert im Großherzogtum zwischen 3,4 und 4,2. Da zum Beginn einer Epidemie nur wenige Daten zur Verfügung stehen, handelt es sich bei einem R0-Wert in der Regel um eine Abschätzung mit großen Unsicherheiten.

Rt: Die Nettoreproduktionszahl Rt ist die Reproduktionszahl zu einem bestimmten Zeitpunkt t.

Während einer Epidemie ändert sich die Dynamik, da einerseits möglicherweise Maßnahmen zur Reduzierung sozialer Interaktionen unternommen werden (z.B. Social Distancing oder Lockdown) und andererseits da auch die Zahl der Menschen, die bereits gegen das Virus immun sind, in der Bevölkerung stetig wächst. Damit ändert sich die Reproduktionszahl. Ein Infizierter steckt durch die genannten Effekte in der Regel im Schnitt weniger andere Menschen an.

Der Rt-Wert (auch Nettoreproduktionszahl genannt) beschreibt die Reproduktionszahl daher zu einem bestimmten Zeitpunkt der Epidemie. Ändern sich die Umstände im Laufe der Zeit, ändert sich auch wieder Rt. Ein genauer Wert ist hier immer eine Momentaufnahme, die für das Gesundheitssystem aber von entscheidender Bedeutung ist (siehe dazu Frage: Was bedeutet ein Anstieg von Rt für das Gesundheitssystem?).

Ein reiner Rt-Wert spiegelt die potenzielle Ausbreitung aufgrund der sozialen Interaktionen wieder. Er berücksichtig allerdings nicht die Immunisierungsrate in der Bevölkerung. Hierfür muss der Rt-Wert anschließend durch die Immunisierungsrate in der Bevölkerung skaliert werden. Das ergibt dann die effektive durchschnittliche Reproduktionszahl Reff. Diese besagt wie viele Personen im Durchschnitt von einer infizierten Person infiziert werden.

Zu Beginn eines Krankheitsausbruchs lässt sich anhand der Basisreproduktionszahl R0 also abschätzen, ob ein Erreger das Potenzial für eine Epidemie in sich birgt. Außerdem geht sie in die Berechnung verschiedener epidemiologischer Szenarien ein.

Der Blick der Öffentlichkeit ist hingegen auf die Nettoreproduktionszahl Rt oder die effektive Reproduktionszahl Reff gerichtet, da diese sich diese im Laufe der Zeit durch die oben beschriebenen Faktoren verändern und damit eine aktuelle Aussage über die weitere Ausbreitung und die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen ermöglichen. Im Rahmen von Exit-Strategien sind diese Werte also sehr wichtig, um Entscheidungen zu treffen.

Alle diese Schätzungen unterliegen einer gewissen Verzögerung: die gemeldeten R-Werte spiegeln den Status von vor 5 bis 10 Tagen wieder. Dies ist u.a. auf eine mehrtägige Inkubationszeit und verzögerte Testung zurückzuführen. Um diese Einschränkungen so weit wie möglich zu minimieren und einen genaueren „Nowcast“ bereitzustellen, ist es wichtig, bei den Berechnungen das Datum der Probenentnahme und nicht das Datum des Testergebnisses anzugeben.

Weshalb ist die Reproduktionszahl ein guter Indikator, um die Ausbreitung des Virus zu veranschaulichen und vorauszuberechnen?

Ein groβer Vorteil der Reproduktionszahl ist, dass es ein Indiz ist, der sich gut kommunizieren lässt und einfach darstellt, ob der Weg, auf dem wir uns befinden, in die richtige oder falsche Richtung geht.  

  • Ist die Reproduktionszahl gröβer als 1, steckt jeder Infizierter im Schnitt mehr als eine Person an – das Virus vermehrt sich, immer mehr Menschen werden krank. (Je höher der Wert, desto schneller die Ausbreitung)
  • Ist die Reproduktionszahl kleiner als 1, steckt jeder Infizierter im Schnitt weniger als eine Person an – die Virusverbreitung ebbt ab.
  • Hat die Reproduktionszahl den Wert 1, steckt ein Infizierter genau einen anderen Menschen an, bevor er die Krankheit überstanden hat oder daran verstirbt. Dieses Szenario hält den Ausbreitungsverlauf unter Kontrolle.

Wissenschaftler können also, wenn sie den Rt-Wert kennen, gut vorausberechnen, wie das Virus sich kurz- bis mittelfristig verbreitet. Und wie schnell also z.B. ein Kollaps des Gesundheitssystems eintreten könnte. Insofern ist dieser Wert auch für Entscheidungsträger ein wichtiger Indikator. Er hilft den Politikern dabei zu entscheiden, ob Lockerungen vorgenommen werden können, oder wieder rückgängig gemacht werden müssen. Er erlaubt auch, mit etwas Verzug, die Effekte von Maβnahmen zu ermitteln, nachdem sie eingeführt wurden.

Was bedeutet ein Anstieg von Rt für das Gesundheitssystem?

Dass bereits kleine Änderungen der Nettoreproduktionszahl Rt eine große Auswirkung auf nationale Gesundheitssysteme haben, hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Pressekonferenz am 15. April dargelegt. Rt lag in der Bundesrepublik zum damaligen Zeitpunkt bei 1. Würde der Wert auf 1,1 steigen „wären wir im Oktober wieder an der Leistungsgrenze unseres Gesundheitssystems mit den angenommenen Intensivbetten angelangt“, sagte Merkel. Ein Anstieg um ein weiteres Zehntel auf 1,2 würde diese Situation bereits im Juli eintreten lassen und ein Wert von 1,3 schon im Juni.

Wo liegt der Rt Wert in Luxemburg?

Der Rt-Wert liegt laut Angaben des Gesundheitsministeriums in Luxemburg zurzeit bei ungefähr 1. D.h. die Verbreitung des Virus scheint unter Kontrolle. Der Reff-Wert lag am 13. Mai 2020 in Luxemburg bei 0.778. Beide Werte werden auch jetzt auf der COVID-19 Internetseite des Gesundheitsministeriums veröffentlicht. Berechnet werden Sie von einer Gruppe Wissenschaftlern der Covid-19 Task Force.

Welche Kennzahlen gibt es noch? Bzw. Was ist der Vorteil vom Reproduktionswert vs Zahl an neuen Infizierten oder vs Verdopplungszeit?

Die Reproduktionszahl ist nicht die einzige Kennzahl, die den Verlauf einer Epidemie oder Pandemie anzeigt. Eine weitere, in den vergangenen Monaten häufig genutzte Kennzahl ist die Verdopplungszeit. Sie gibt die Zeit in Tagen an, in der sich die Zahl der Erkrankten verdoppelt. Vor allem in Zeiten einer exponentiellen Ausbreitung kann dieser Wert ein guter Anhaltspunkt für die Ausbreitung der Erkrankung sein. Allerdings ist auch ihre Berechnung mit Unsicherheiten behaftet, da nicht alle Neuinfektionen umgehend erkannt und erfasst werden.

Ein weiter Schwachpunkt bei der Verwendung der Verdopplungszeit liegt im Verlauf der Infektion selbst. Denn solange die Infektionen exponentiell verlaufen, ist dieser Wert aussagekräftig. Wenn jedoch die Anzahl an Neuinfektionen runter geht, dann wird die Verdopplungszeit immer größer und tendiert schließlich gegen Unendlich. Aussagen über die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen lassen sich dann kaum noch treffen.

Die Anzahl der Neuinfektionen pro Tag wird ebenfalls als Kennzahl herangezogen. Diese hängt von der Erkennungsrate ab. Aber auch die Dunkelziffer der nicht erkannten Infektionen spielt dabei eine Rolle. Eine Studie auf Island, wo breit angelegte Tests auch außerhalb von Verdachtsfällen durchführt werden, geht von etwa 50 Prozent symptomlosen Positivfällen aus. Eine solche Dunkelziffer beeinflusst nicht nur die Anzahl der täglichen Neuinfektionen, sondern auch die Verdopplungszeit.

Außerdem ist es problematisch an der Angabe der Neuinfektionen, dass kein Trend ersichtlich ist. Ein Trend wird allerdings sichtbar, wenn man die Wachstumsrate der Neuinfektionen kalkuliert – also wie viele Neuinfektionen es am Tag T im Vergleich zu Tag T-1 gibt. 

Wie hoch ist die Basisreproduktionszahl R0 des SARS-CoV-2-Erregers?

Das deutsche Robert Koch-Institut hat verschiedene Studien zur Basisreproduktionszahl R0 ausgewertet und schätzt diese auf einen Wert zwischen 2,4 und 3,3. Das bedeutet: Ein Infizierter steckt statistisch betrachtet zwischen 2,4 und 3,3, weitere Menschen an. Dabei haben die Experten extrem abweichende Schätzwerte nach oben nicht berücksichtigt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht in ihrem Joint Mission Report für China von einem R0 zwischen 2 und 2,5 aus. Eine Studie der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC geht von R0 zwischen 2,2 und 2,7 aus. Eine vergleichende Übersichtsarbeit verortet den Durchschnittswert bei 3,28, spricht aber von einer Verzerrung aufgrund unzureichender Datenlage. Die Schätzfehler sollten mit der Zeit abnehmen.

Wie hoch sind die Basisreproduktionszahlen anderer Viren?

Für Influenza-Viren, die Erreger der echten oder Virusgrippe, gehen Wissenschaftler von einer Basisreproduktionszahl R0 zwischen 0,9 und 2,1 aus.

Mit 3,5 bis 6 liegt R0 für das Pockenvirus um einiges höher. Als eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten in der Geschichte der Menschheit wurden die Pocken durch ein weltumspannendes Impfprogramm der WHO bekämpft und 1980 für ausgerottet erklärt.

Von einer sehr hohe Basisreproduktionszahl zwischen 12 und 18 gehen Epidemiologen bei den Masern aus. Auch diese Virusinfektion will die WHO durch globale Impfkampagnen ausrotten.

Wie wird die Reproduktionszahl berechnet?

Die Basisreproduktionszahl R0 hängt von drei Fragen ab: Wie lange kann ein Infizierter während des Krankheitsverlaufes andere Menschen anstecken; wie häufig hat er soziale Kontakte und wie wahrscheinlich ist dabei eine Ansteckung? Auch wenn die Fragen auf den ersten Blick einfach klingen, ist es alles andere als trivial, Antworten darauf zu finden.

Eine umfassende Kontaktverfolgung könnte helfen, herauszufinden, wie die Krankheit verbreitet wird. Das Verfahren beeinflusst aber auch das Ergebnis: Wenn infizierte Personen erkannt und unter Quarantäne gestellt werden, verzerrt dies die Aussagen über die natürliche Ausbreitung einer Infektion: Sie wird reduziert.

Eine weitere Möglichkeit zur Berechnung von R0 bieten mathematische Modelle. In diese fließen verschiedene Populationsdaten und Annahmen ein – beispielsweise die Zahl der Infizierten oder der Zeitpunkt, ab dem eine infizierte Person ansteckend ist. Für die Lösung der Differentialgleichungen und statistischen Simulationen verwenden Wissenschaftler Software wie MATHLAB, SAS oder R. Die Berechnungen laufen dabei auf Hochleistungsrechnern. Da sie aber auf Annahmen und Schätzungen basieren und auch unterschiedliche Modelle angewandt werden, weichen die Berechnungen verschiedener Forschergruppen voneinander ab. So ist beispielsweise der Zeitpunkt, ab dem eine mit SARS-CoV-2 infizierte Person selbst ansteckend ist, noch immer Gegenstand der Forschung.

Die Nettoreproduktionszahl Rt ist das Produkt aus der Basisreproduktionszahl R0 und dem Prozentsatz der Bevölkerung, der noch nicht geimpft, nach überstandener Infektion immun oder anderweitig geschützt ist, zum Beispiel durch „Social Distancing“. Es gibt unterschiedliche Methoden, die Nettoreproduktionszahl zu berechnen, aber es handelt sich immer um einen Mittelwert aus mehreren Tagen. Die Covid-19 Task Force erklärt ihre Berechnung des Rt-Werts für Luxemburg in einem Schreiben so: Der Rt-Wert ist das Verhältnis zwischen den Parametern Beta und Gamma im SIR-Differentialgleichungsmodell, dessen Zustand mittels eines Kalman-Filters geschätzt werden kann. Um die effektive Reproduktionszahl Reff zu erhalten wird der Rt-Wert durch die Immunisierungsrate in der Bevölkerung skaliert. Laut der Covid-19 Task Force kann Reff auch direkt aus der Anzahl der bestätigten Fälle geschätzt werden. Diese Schätzungen weisen typischerweise eine höhere Unsicherheit auf und reagieren empfindlicher auf Schwankungen in den Daten von Tag zu Tag. Details zu den Berechnungen für den luxemburgischen Reff findet man hier: https://github.com/ResearchLuxembourg/covid-19_reproductionNumber/blob/master/src/estimation_R_eff.ipynb

Von welchen Faktoren hängt die Reproduktionszahl ab?

Wie „ansteckend“ ein Erreger ist, hängt unter anderem davon ab, wo er sich im Körper vermehrt. Bei SARS-CoV-2 weisen Studien zum Beispiel darauf hin, dass sich das Virus viel stärker in den oberen Atemwegen vermehrt als die verwandten Erreger SARS-CoV-1 und MERS-CoV. Husten und Niesen kann das SARS-CoV-2-Virus deshalb besser verteilen und führt zu einer höheren Basisreproduktionszahl R0. Und auch die Langlebigkeit auf Oberflächen spielt eine Rolle. Denn je länger ein Virus außerhalb des Körpers überleben kann, umso eher lässt er sich durch eine Schmierinfektion übertragen. Das Robert Koch-Institut schließt diesen Übertragungsweg besonders im direkten Umfeld infizierter Personen für SARS-CoV-2 nicht aus.

Für die Ausbreitung spielen, wie oben beschrieben, „die Übertragungswahrscheinlichkeit bei vorhandenem Kontakt, die Zahl der Kontakte pro Zeiteinheit und die Dauer der Übertragung“ eine wichtige Rolle. Daraus lässt sich einerseits ableiten, dass R0 in gewissem Maße auch vom Kulturkreis abhängt, in dem der Erreger auftritt. So wirkt sich beispielsweise distanziert höfliches Nicken zur Begrüßung anders aus als Händeschütteln oder Küsse auf die Wange. Andererseits ergeben sich daraus bereits Ansatzpunkte für Maßnahmen, die in Ermangelung eines Impfstoffes die Ausbreitung der Krankheit entgegenwirken können. Das Robert Koch-Institut listet die folgenden auf: Regeln für Handhygiene, Beachten der Nies- und Hustenetikette (Niesen und Husten in die Armbeuge), physischer Abstand oder persönliche Schutzausrüstung können die Übertragungswahrscheinlichkeit senken. Social Distancing, Quarantäne von Verdachtsfällen oder Isolation von Erkrankten können die Zahl der Kontakte reduzieren und verkleinern damit R0.

Da die Nettoreproduktionszahl Rt aus der Basisreproduktionszahl R0 berechnet wird, gelten die hier genannten Faktoren auch für sie. Am Anfang der Epidemie stimmt er mit der Basisreproduktionszahl überein, unterscheidet sich danach aber im Verlauf der Epidemie. Der Rt-Wert reflektiert die Auswirkungen der Beschränkung, die von der Politik auferlegt wurden, sowie das Verhalten der Bürger auf die Ausbreitung der Epidemie. Im Gegensatz zur Basisreproduktionszahl, sollte er sich nicht verändern, so lange die Konditionen unverändert bleiben. Darüber hinaus hängt Rt auch davon ab, wie viele Menschen bereits immun gegen den Erreger sind. Bis heute existiert noch kein Impfstoff gegen das SARS-CoV-2 Virus. Obwohl mittlerweile eine anderslautende Theorie in frühem Stadium existiert, galt eine mögliche Grundimmunität bisher als ausgeschlossen. Grundimmunität bedeutet, dass es schon vor dem Ausbruch von Covid-19 und ohne Kontakt mit SARS-CoV-2 Menschen gab, die gegen das Virus immun waren. Auch ist es Stand heute (laut WHO) nicht erwiesen, dass Menschen die bereits infiziert waren und Antikörper aufweisen, vor einer zweiten Infektion geschützt sind.

Zudem ist das Wissen über den Anteil der Immunen in der Bevölkerung noch sehr dünn. Die Datenlage soll in Luxemburg durch die CON-VINCE-Studie verbessert werden. Das heißt, im Blut der Probanden wird nach Spuren einer überstandenen Infektion, den Antikörpern, gesucht. In den folgenden Wochen wird mit ersten Ergebnissen gerechnet. Mit den dabei erhaltenen repräsentativen Stichproben kann abgeschätzt werden, wie viele Menschen bereits an Covid-19 erkrankt waren. Somit kriegt man mehr Informationen über die Dunkelziffer. Auch mehr über die Immunität der Bevölkerung? Das weiß man bisher noch nicht…

Zusammenfassung: Was Du wissen musst

Der Reproduktionswert gibt an, wie viele Personen ein Infizierter im Verlauf seiner Krankheit ansteckt. R0 gibt diesen Wert an für den Zeitpunkt 0, also wenn erst eine Person infiziert ist, sonst noch keiner, und noch keine Schutzmaßnahmen bisher getroffen wurden. Diese Basisreproduktionszahl gibt also das 'Potential des Virus‘ an, eine Pandemie auszulösen. Über die Zeit verändert sich die Reproduktionszahl, man zieht nun die Nettoreproduktionszahl Rt heran.

 

In Exit-Strategien im Rahmen der Covid-19-Pandemie, spielt die Reproduktionszahl eine wichtige Rolle. Denn sie ist ein anschauliches Indiz, ob die Virusverbreitung unter Kontrolle ist oder nicht.

 

  • Ist Rt > 1 verbreitet sich das Virus.
  • Ist Rt < 1 ebbt die Verbreitung des Virus ab.

Zurzeit liegt Luxemburgs Rt-Wert bei ungefähr 1. Das Virus scheint unter Kontrolle. Werden nun Lockerungsmaßnahmen eingeführt, muss stets der Rt-Wert im Blick gehalten werden. Sollte er zu schnell steigen, müssen eventuell wieder restriktive Maßnahmen eingeführt werden. Ist er weit unter 1 können eventuell Lockerungen schneller vorgenommen werden. Er dient also, neben anderen Messwerten wie der Anzahl an Neuinfektionen, der Anzahl an verfügbaren Krankenhausbetten, der Anzahl an verfügbarem Krankenhauspersonal…, als Entscheidungsgrundlage für Entscheidungsträger.

Autor: Kai Dürfeld (scienceRELATIONS – Wissenschaftskommunikation), Jean-Paul Bertemes (FNR)
Editor: Michèle Weber

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