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Die Abgeordnetenkammer sucht Wissenschaftler zur Unterstützung der Parlamentarier bei Fragen zu komplexen Themen

Zu den schwierigen und auch verantwortungsvollen Aufgaben der parlamentarischen Arbeit von Abgeordneten gehört, dass sie oft über sehr komplexe Sachverhalte und Gesetzesvorlagen abstimmen müssen, zu denen ihnen aber mitunter das nötige Fachwissen fehlt. Auf dieses Problem reagiert die Abgeordnetenkammer nun mit der Einrichtung eines wissenschaftlichen Dienstes. Die Stellenausschreibungen dazu laufen zurzeit und noch bis Ende Januar.

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Stellenausschreibung

Bewerber sollten promoviert haben oder zumindest kurz vor dem Abschluss ihrer Dissertation stehen und über fundierte Kenntnisse in einem der Bereiche (Rechtswissenschaft, Naturwissenschaft, Wirtschaft und/oder Finanzen) verfügen. Zudem sollten sie fließend Französisch, deutsch und Luxemburgisch sprechen. Die Bewerbungsfrist der Stellenausschreibung endet am 29. Januar 2021.

Gesucht werden drei Experten beziehungsweise Expertinnen für die Bereiche Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft sowie Wirtschaft und/oder Finanzen, mit einem Doktorat als Abschluss. Diese sollen den Abgeordneten zukünftig bei Bedarf dabei helfen, wissenschaftliche Fakten zu komplexen Gesetzesentwürfen oder Beschlussvorlagen zu liefern. Auf Antrag der Fraktionen und Ausschüsse sollen die Mitglieder des neu geschaffenen wissenschaftlichen Dienstes Themen wissenschaftlich aufbereiten oder aber zusammentragen, was zu bestimmten politisch relevanten Aufgabenfeldern Stand der Wissenschaft ist.

Wissenschaftliche Expertise erleichtert die Kontrollfunktion der Parlamentarier

Derzeit laufe es meistens so ab, dass ein vorgelegter Gesetzentwurf von einem Mitarbeiter des zuständigen Ministeriums oder aber vom Verfasser selbst erläutert werde, sagt Laurent Scheeck, Generalsekretär der Abgeordnetenkammer. Was wiederum die Gefahr berge, dass nur auf die positiven Aspekte einer Vorlage aufmerksam gemacht werde. „Dass die Regierung nicht alle Nachteile offenbaren will, ist ja durchaus legitim“, sagt Scheeck. Gleichzeitig aber habe das Parlament gegenüber der Regierung eine Kontrollfunktion, der sie nun mit Hilfe des unabhängigen Expertengremiums besser nachkommen könne. Scheeck ist davon überzeugt, dass das auch insgesamt zu einer Qualitätsverbesserung der Gesetzesentwürfe führen werde.

Profitieren werde von diesem Austausch aber nicht nur die Politik, sondern auch der Wissenschaftsstandort Luxemburg, wie Marc Schiltz, Generalsekretär des Fonds National de la Recherche (FNR), erklärt. „Wir begrüßen es sehr, dass die Parlament so offen ist für diesen Weg“, sagt Schiltz und verweist auch auf den bereits bestehenden und vom FNR gemeinsam mit der Abgeordnetenkammer initiierten Austausch zwischen Forschung und Politik.

Politiker und Wissenschaftler arbeiten mit völlig unterschiedlichen Zeithorizonten

Bei diesem „Pairing Scheme“, das 2016 und 2019 stattfand, ging es darum, dass sich Politiker und Wissenschaftler kennenlernen und dabei auch ein Stück weit in die Arbeitswelt des jeweils anderen eintauchen (LINK zum Video). Schließlich arbeiten beide mit völlig unterschiedlichen Zeithorizonten. Politiker erwarten meist schnelle Antworten, Wissenschaften liefern lieber fundierte. Fazit dieses Austauschs war, dass sich sowohl Forscher als auch Parlamentarier eine institutionalisierte Zusammenarbeit wünschten. Und die wird nun in Form des wissenschaftlichen Dienstes geschaffen.

„Wir haben hier in Luxemburg in den letzten Jahren sehr viel in Forschung investiert, und für uns als FNR ist es wichtig, dass diese Forschung auch einen möglichst großen Nutzen für die Gesellschaft hat - und damit auch für das Parlament, als wichtige gesellschaftliche Institution“, sagt Schiltz. Die Politiker müssten zum Teil über sehr komplexe Zusammenhänge entscheiden. Und dazu könne die Wissenschaft sehr hilfreiche Fakten beisteuern.

Auch bei der Einrichtung des wissenschaftlichen Dienstes für die Parlamentarier wird die Abgeordnetenkammer durch den FNR unterstützt. So haben Vertreter des FNR und des Parlaments gemeinsam mehrere wissenschaftliche Dienste in anderen europäischen Ländern und auch den des EU-Parlaments besucht, sich dort mit den Wissenschaftsteams ausgetauscht, um zu sehen, wie ein entsprechendes Angebot für Luxemburg aussehen könnte. Darüber hinaus hilft der FNR bereits jetzt schon bei der Vermittlung von Wissenschaftlern für politische Sachverhalte.

Wissenschaftsteam recherchiert Fakten und kontaktiert Experten

„Mit Blick auf Themen wie den Klimawandel, Big Data, 5G, Mehrsprachigkeit oder aber den Arbeitsmarkt in der Großregion gibt es so viele politische Bereiche, in denen Wissenschaft eine wichtige Rolle spielt“, sagt Jean-Paul Bertemes, Wissenschaftskommunikator des FNR, der gemeinsam mit seinem Kollegen Didier Goossens das Pairing-Scheme betreut. „Wir als FNR unterstützen die Politik dabei, für die jeweiligen Themen die richtigen Forscher zu finden“, so Bertemes.

Letzteres gelte auch für den nun geplanten Wissenschaftsdienst der Abgeordnetenkammer, erklärt er. Ein Naturwissenschaftler könne ja nicht zu allem eine Expertise abgeben, was in irgendeiner Form mit Naturwissenschaft zu tun habe, sagt Bertemes. „Vielmehr geht es bei diesem Angebot darum, dass das Team die jeweiligen Experten für das spezielle Thema kontaktiert und die Fakten für die Abgeordneten zusammenstellt, aber auch selbständig die Fachliteratur durchforstet und recherchiert.“

Zusammenarbeit mit Wissenschaftsdiensten anderer Länder

Des Weiteren werde auch eine Zusammenarbeit mit ähnlich strukturierten Wissenschaftsdiensten im Ausland angestrebt. „Klimawandel oder aber Covid-19 sind zum Beispiel Aufgabenfelder von internationaler Bedeutung, die von Diensten anderer Länder bereits umfangreich bearbeitet werden“, sagt der Wissenschaftskommunikator des FNR. „In einem solchen Fall kann es deshalb genügen, zu der bereits existierenden Datenlage die für Luxemburg relevanten Informationen zu ergänzen.“

Darüber hinaus will der FNR aber auch Forscher dabei unterstützen, mit dem wissenschaftlichen Dienst zusammenzuarbeiten, beispielsweise durch Weiterbildungen zum Thema Policy Briefs. „Das Verfassen von Policy Briefs ist sozusagen eine spezielle Form der Wissenschaftskommunikation, in der man ganz neutral die wissenschaftlichen Fakten zu einem Thema präsentiert, auf eine Art und Weise, die für Politiker verständlich und relevant ist“, erklärt Bertemes. Dies gehöre nicht zum Alltag eines Forschers, weshalb der FNR hier Unterstützung anbieten wolle.

Kein wissenschaftlicher Lobbyismus, sondern Wissenstransfer

Für Scheeck und Schiltz ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass man dabei die Grenzen der Zuständigkeiten nicht überschreiten werde. „Bei dieser Zusammenarbeit ist es wichtig, dass Wissenschaftler keine politischen Entscheidungen treffen und Politiker keinen Einfluss auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Expertise-Berichte nehmen“, sagt Schiltz. Wichtig sei es, dass dieser Dienst neutral sei und durch Kompetenz Vertrauen bei den Politikern schafft.

Gerade die Covid-19-Pandemie zeige, wie wichtig eine fundierte wissenschaftliche Expertise als Grundlage politischer Entscheidungen sei, meint dazu Scheeck und betont, dass es dabei in keiner Weise um ein wissenschaftliche Einflussnahme auf politische Entscheidungen gehe. „Das Angebot soll letztlich nur als zusätzliche Informationsquelle dienen“, sagt Scheeck. Die Entscheidung liege nach wie vor allein bei den Abgeordneten.  Es gehe um eine konstruktive Zusammenarbeit, bei der die Rollen und Zuständigkeiten ganz klar definiert seien.

Autor: Uwe Hentschel

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