Covid-19 Delta

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Anm. der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 12. Juli 2021 ergänzt, mit Informationen zum Impfschutz des Einzeldosis-Impfstoffs von Johnson & Johnson (Janssen) gegen die Delta-Variante.

Die Delta-Variante wurde zuerst in Indien identifiziert und anfangs „indische Variante“ genannt. Auf dem Subkontinent sorgte sie für eine starke Infektionswelle. Nun ist sie auch in Europa auf dem Vormarsch. Im Gegensatz zu Indien, sind wir hier in Europa allerdings mit den Impfprogrammen weiter fortgeschritten. Was erwartet uns nun? Was wissen wir über diese Variante bisher? Und was noch nicht?

Hier kurz und knapp die wichtigsten Punkte:

  • Schätzungen gehen davon aus, dass die Delta-Variante 40-80% ansteckender ist als die Alpha-Variante B.1.1.7. (ehemals „britische Variante“), die ja schon ansteckender war als die Ursprungsvariante.
  • Demnach ist die Basis-Reproduktionszahl R0 der Delta-Variante auch höher als bei der Ursprungsvariante und der Alpha-Variante – und also steigt der Anteil an Menschen, die immunisiert sein müssen, um das Ziel der Herdenimmunität zu erreichen.
  • Der Impfschutz gegen die Delta-Variante ist leicht höher als bei der Alpha-Variante, wenn es um den Schutz vor schweren Verläufen geht.
  • Der Impfschutz gegen die Delta-Variante (im Vergleich zur Alpha-Variante) ist leicht reduziert bei (milderen) symptomatischen Verläufen nach der 2. Dosis, und stark reduziert nach der 1. Dosis. Es sind also vor allem die, die erst einmal geimpft wurden, die im Falle von Delta weniger Schutz gegen (milde) symptomatische Verläufe haben.
  • Es gibt erste Hinweise darauf, dass der Impfschutz gegen die Delta-Variante (im Vergleich zur Alpha-Variante) bei dem Einzeldosis-Impfstoff von Johnson & Johnson (Janssen) leicht reduziert ist.
  • Es gibt erste Hinweise darauf, dass sich die Symptome bei einer Infektion mit der Delta-Variante von denen mit anderen Varianten unterscheiden. Betroffene gaben vor allem Kopf- und Halsschmerzen sowie eine laufende Nase an. Die bisher typischen Störungen von Geruchs- und Geschmackssinn waren hingegen weniger weit verbreitet.
  • In den letzten Wochen hat sich die Delta-Variante rasant in Luxemburg verbreitet und macht nun ca. 60% der Fälle in Luxemburg aus. Schätzungen gehen davon aus, dass der Anteil in Europa in den nächsten Wochen auf bis zu 90% steigen wird.
  • Es kann sein, dass die Delta-Variante tendenziell zu mehr Krankenhausaufenthalten und schweren Verläufen führt. Das ist jedoch noch nicht ausreichend geklärt. Dem steht jedoch die fortschreitende Zahl an Impfungen gegenüber, die die Anzahl an schweren Verläufen und Krankenhausaufenthalten reduzieren. Auch die Tatsache, dass zurzeit vor allem jüngere Menschen nicht geimpft sind und sich tendenziell öfter infizieren (und ja tendenziell weniger anfällig für schwere Verläufe sind) reduziert das Verhältnis der schweren Verläufe gegenüber den Infektionszahlen. Es kann also sein, dass der Impakt der Delta-Variante auf die Krankenhausaufenthalte, wegen der fortschreitenden Zahl an Impfungen und Menschen, die genesen sind, gar nicht so stark ausfällt. Aber sicher lässt sich das zurzeit nicht sagen.

Was wir bisher wissen

Wie viel ansteckender ist die Delta-Variante?

Nach eine ersten Analyse von mehr als 1,7 Millionen SARS-CoV-2 Gensequenzen schätzen Wissenschaftler, dass die Delta-Variante etwa 40 bis 60 Prozent ansteckender als die Alpha-Variante ist. Das liegt in dem Bereich, den auch die Modelle der Luxemburger COVID-19 Task Force errechnet haben. Die Expertengruppe aus den verschiedenen Bereichen der luxemburgischen Forschungslandschaft gehen von einer 40 – 50 Prozent höheren Ansteckungsrate gegenüber der Alpha-Variante aus. Für die Scientific Pandemic Influenza Group on Modelling (SPI-M), eine Expertengruppe des britischen Gesundheitsministeriums, liegt diese Zahl noch höher – nämlich bis zu 80 Prozent. Auch Laboruntersuchungen gehen davon aus, dass Delta deutlich ansteckender ist als Alpha.

Für vulnerable Personen, so werden Risikogruppen wie Ältere oder Immungeschwächte im Fachjargon genannt, ist das Risiko einer Infektion mit Delta besonders hoch. Davon geht das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).

Virus-Variante Basisreproduktionszahl R0
Ursprungsvirus 1,9 – 2,6
Alpha-Variante (B.1.1.7 – erstmals in Großbritannien nachgewiesen) 3 – 4
Delta-Variante (B.1.671 – erstmals in Indien nachgewiesen) 5 – 6

Demzufolge steigt der Anteil an Menschen, die immunisiert sein müssen, um das Ziel der Herdenimmunität zu erreichen.

Infobox

Basisreproduktionszahl

Geimpft oder ungeimpft. Lockdown oder Lockerung. Maskenträger oder Maskenmuffel. Eine ganze Menge Dinge haben Einfluss darauf, wie hoch die Gefahr der Ansteckung mit einem Erreger ist. Um trotzdem die Virulenz, also die Ansteckungsfähigkeit von Viren und deren verschiedenen Varianten miteinander vergleichen zu können, nutzen Wissenschaftler die Basisreproduktionszahl R0. Die Idee dahinter: Wenn kein einziger Mensch immun gegen das Virus wäre, wie viele würde ein Erkrankter dann im Durchschnitt infizieren? Dank mathematischer Modelle lässt sich R0 abschätzen und hilft vor allem bei neu auftretenden Erregern zu erkennen, ob diese das Potenzial für eine Epidemie (starker, regional begrenzter Ausbruch) oder sogar für eine Pandemie (starker, länderübergreifender Ausbruch) haben.

Schützt die Impfung vor schweren Verläufen?

Die Impfungen scheinen bereits ab der ersten Dosis vor schweren Verläufen ähnlich gut zu schützen, wie bei der Alpha-Variante (siehe Tabelle 1). Zu dem Ergebnis kam eine Untersuchung, die bisher als Preprint, also noch ohne Begutachtung durch unabhängige Experten, veröffentlicht wurde. Anders scheint es sich bei leichten Verläufen zu verhalten. Da tritt der Impfschutz einer anderen, ebenfalls als Preprint veröffentlichten Studie zu Folge wohl erst nach der zweiten Impfung ein und ist dann auch um ein wenig niedriger als gegen die Alpha Variante (siehe Tabelle 2). In beiden Studien untersuchten die Wissenschaftler die Impfstoffe von Biontech / Pfizer und AstraZeneca.

Tabelle 1

Tabelle 2

Bei Zwei-Dosen-Impfstoffen schützt eine teilweise Immunisierung nach nur einer Dosis also weniger gut vor einer Ansteckung mit der Delta-Variante. Ein vollständiger Impfschutz ist deshalb wichtig, um die Variante einzudämmen.

Für den Einzeldosis-Impfstoff von Johnson & Johnson (Janssen) gibt es erste Hinweise (Stand 12. Juli 2021), dass der Schutz gegen die Delta-Variante etwas schwächer als gegen die Alpha-Variante ist. Diese Hinweise basieren auf einer Analyse des Serums (Bestandteil des Bluts, der Antikörper enthält) von acht Geimpften aus der Zulassungsstudie. Hier der Link zu der Pre-Print-Studie mit den Ergebnissen, die noch nicht von unabhängigen Wissenschaftlern begutachtet wurde und ausserdem noch durch zusätzliche Analysen aus der Praxis ergänzt werden müssen.

Übrigens: Dass in Ländern wie England oder Israel die Infektionszahlen trotz umfangreicher Impfprogramme wieder steigen, ist nicht hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Impfungen etwas weniger effektiv schützen vor Infektionen mit mildem Verlauf. Es ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Variante ansteckender ist. Sie infiziert mehr Menschen. Vor allem unter den Nicht-Geimpften kann sie sich schnell verbreiten. Sie verbreitet sich jedoch auch – aber weniger stark – unter Menschen die bereits geimpft sind (und hier besonders unter denen, die erst einmal geimpft wurden) und dann nur einen milden Verlauf durchmachen.

Wann ist der Impfschutz komplett?

Ein Pieks und das Virus kann mich mal gern haben? So einfach ist es leider nicht. Denn bis der maximale Impfschutz aufgebaut ist, braucht unser Körper Zeit, und zwar:

  • beim Biontech / Pfizer Impfstoff 7 Tage nach der zweiten Impfung, um 95 Prozent Wirksamkeit zu erreichen.
  • beim Moderna Impfstoff 14 Tage nach der zweiten Impfung, um 95 Prozent Wirksamkeit zu erreichen.
  • beim AstraZeneca-Impfstoff 15 Tage nach der zweiten Impfung, um 80 Prozent Wirksamkeit zu erreichen.
  • beim Johnson & Johnson 28 Tage nach der ersten (und einzigen) Impfung, um 66,9 Prozent Wirksamkeit zu erreichen.

Unterscheiden sich die Symptome von denen bei anderen Varianten?

Es gibt tatsächlich erste Hinweise darauf, dass sich die Symptome bei einer Infektion mit der Delta-Variante von denen mit anderen Varianten unterscheiden. „Eher wie eine schwere Erkältung“, erklärte der Leiter der britischen Zoe Covid Symptom Study Tim Spector gegenüber der BBC. In der Untersuchung, die etwa viereinhalb Millionen Menschen nach den Symptomen ihrer Covid-19 Erkrankung befragt, traten vor allem Kopf- und Halsschmerzen sowie eine laufende Nase in den Vordergrund. Die bisher typischen Störungen von Geruchs- und Geschmackssinn waren hingegen weniger weit verbreitet.

Wie stark verbreitet ist die Variante in Luxemburg?

Bei insgesamt sinkenden Infektionszahlen gingen bis zur Kalenderwoche 23 (7. bis 13. Juni) die meisten Ansteckungen in Luxemburg auf das Konto der erstmals in Großbritannien entdeckten Alpha-Variante. Das änderte sich in der darauffolgenden Woche. Seit KW 24 ist Delta die vorherrschende Variante, nachdem ihr Anteil sich zuvor Woche um Woche beinahe verdoppelt hat.

Anteil der verschiedenen Varianten an den Infektionen in Luxemburg

Wie geht es mit Delta in Europa weiter?

Nach mathematischen Modellen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) könnten Anfang August etwa 70 Prozent aller Covid-19 Fälle von der Delta Variante verursacht werden. Einen Monat später soll diese dann mit rund 90 Prozent die anderen Varianten so gut wie verdrängt haben.

Wie ist die Situation gerade in Großbritannien?

Zum ersten Mal wurde die Delta-Variante am 22. Februar 2021 in Großbritannien nachgewiesen. Seitdem verdrängt sie die dort bisher dominante „britische“ Alpha-Variante Zusehens. Nach 55 neuen Fällen Ende April stieg die Zahl der in Großbritannien mit Delta infizierten Menschen auf 132. Weitere anderthalb Monate später, am 11. Juni 2021, verursachte Delta nach Aussagen des britischen Gesundheitsministers Matt Hancock 91 Prozent aller Neuinfektionen. Nach einer Zeit relativ geringer Neuinfektionen zwischen Anfang März und Anfang Juni mit teilweise nur rund 2.000 Fällen pro Tag steigen die Zahlen seither stetig an und lagen am 3. Juli 2021 bereits bei weit über 24.000. Als Reaktion auf die schnelle Ausbreitung der Delta-Variante hat Premierminister Boris Johnson bereits im 14 Juni die für den 19. Juni geplanten Lockerungen der Covid-Einschränkungen um vier Wochen verschoben.

Wie in Portugal?

Nachdem Portugal Anfang 2021 noch massiv mit dem Virus zu kämpfen hatte und über 16.000 Neuinfektionen pro Tag verzeichnete, gingen diese im Februar merklich zurück und blieb bis Mitte Juni im dreistelligen Bereich. Der Anteil der Delta-Variante an den Infektionen nahm indes stetig zu. Als Folge wurde Lissabon kurzzeitig abgeriegelt. Ende Juni stufte Deutschland das Reiseziel Portugal als Virusvariantengebiet ein. Das bedeutet: Wer aus dem Urlaub zurückkommt, muss für 14 Tage in Quarantäne. Anfang Juli kam es dann zu drastischeren Schritten seitens der portugiesischen Regierung. Für etwa 40 Städte, darunter die Hauptstadt Lissabon und Hafenstadt Porto, gilt seither wieder eine nächtliche Ausgangssperre. Die Infektionszahlen liegen aktuell wieder über 2.300 pro Tag.

Wie war die Situation in Indien?

Die Infektionszahlen auf dem indischen Subkontinent mit seinen rund 1,3 Milliarden Einwohnern erreichten im Herbst 2020 ihren Höhepunkt mit etwa 100.000 Fällen pro Tag. Dann kam es zu einem Abflachen des Infektionsgeschehens, sodass sich das Land Anfang 2021 bereits auf gutem Wege aus der Krise wähnte. Mitte April kam es aber zu einem sprunghaften Anstieg des Infektionsgeschehens. An drei aufeinanderfolgenden Tagen wurden jeweils mehr als 300.000 neue Fälle registriert. Delta, zum ersten Mal hier in Indien gefunden, wurde im Mai zur vorherrschenden Variante und kurz darauf von der Weltgesundheitsorganisation WHO zur besorgniserregenden Variante erklärt. Seit Juni gehen die Fallzahlen in Indien wieder zurück. Manche Experten vermuten, dass das Virus durch seine schnelle Verbreitung selbst dafür gesorgt haben könnte. Nachdem sich Berechnungen zufolge eine Milliarde Inder bereits mit dem SARS-CoV-2 Virus infiziert haben, könnte es diesem schwerer fallen, einen geeigneten Wirt zu finden.

Was wir noch nicht wissen

Führt Delta zu mehr schwereren Verläufen und Krankenhausaufenthalten?

Eine erste Studie aus Schottland deutet daraufhin, dass Infektionen mit der Delta-Variante zu doppelt so vielen Krankenhauseinweisungen führen wie bei der Alpha-Variante. Ähnliche Zahlen nennt der RKI-Präsidenten Lothar Wieler für Deutschland wobei er aber auch auf die noch dünne Datenlage verweist. Es müssen also erst noch weitere Untersuchungen folgen, um diese Frage endgültig zu beantworten.

Dieser Tendenz steht jedoch die fortschreitende Zahl an Impfungen gegenüber, die die Anzahl an schweren Verläufen und Krankenhausaufenthalten reduzieren. Auch die Tatsache, dass zurzeit vor allem jüngere Menschen nicht geimpft sind und sich tendenziell öfter infizieren (und ja tendenziell weniger anfällig für schwere Verläufe sind) reduziert das Verhältnis der schweren Verläufe gegenüber den Infektionszahlen. Es kann also sein, dass der Impakt der Delta-Variante auf die Krankenhausaufenthalte, wegen der fortschreitenden Zahl an Impfungen und Menschen, die genesen sind, gar nicht so stark ausfällt. Aber sicher lässt sich das zurzeit nicht sagen.

Wirken Medikamente weniger gut gegen Delta?

Jeder über spricht Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2 Virus. Doch die bisher wichtigste Waffe soll nicht die einzige bleiben. Auch an Medikamenten zur Behandlung einer bereits ausgebrochenen Covid-19 Erkrankung wird intensiv geforscht. Aktuell befinden sich mindestens 331 Wirkstoffkandidaten in der Erprobung; 94 in präklinischen Untersuchungen und 237 in klinischen Studien. Inwieweit diese auch gegen Delta wirksam sind, muss sich allerdings erst noch herausstellen. Erste Erkenntnisse in diese Richtung stammen beispielsweise von einem Präparat mit Antikörpern, dass sich aktuell in der Phase II Studie befindet und gegen die Variante wirksam zu sein scheint.

Autoren: Kai Dürfeld (scienceRELATIONS – Wissenschaftskommunikation), Jean-Paul Bertemes (FNR)

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Quellen

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