© European Geosciences Union (EGU) / Pfluegl
„Man kann sich die Erde wie einen elastischen Gummiball vorstellen“, sagt Toni van Dam. „Wenn man an einem bestimmten Punkt Druck ausübt, verformt dieser sich leicht.“ Zum Beispiel verursacht ein Hochdrucksystem, wie es jeder aus den Wettervorhersagen kennt, eine temporäre Delle im Boden. „Sobald das Hochdrucksystem weitergezogen ist, wird diese Delle wieder ausgeglichen“, erklärt Prof. van Dam ihre Forschung.
„Wenn man die Form der Erde studiert, zum Beispiel die Plattentektonik, und dabei diese Fluktuationen ignoriert, werden die Berechnungen fehlerhaft", sagt Tonie van Dam. Die Professorin der Universität Luxemburg hat den theoretischen Hintergrund entwickelt, um dieses Phänomen zu modellieren und zu zeigen, dass die Schwankungen signifikant genug sind, um Forschungsdaten zu verzerren.
Wichtige Erkenntnisse über die schrumpfende Eismasse in Grönland
In den vergangenen Jahren untersuchte Tonie Van Dam die Deformationen der Erdkruste und leitete daraus Erkenntnisse über die schrumpfende Eismasse in Grönland infolge des Klimawandels ab. Kürzlich hat sie zu einem viel beachteten wissenschaftlichen Artikel beigetragen, in dem die Forscher davon ausgehen, dass Südwestgrönland in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zum Anstieg des Meeresspiegels leisten wird.
Bereits 2017 wurde sie für ihr Projekt „Absolute Gravity and Surface Displacements in Greenland“ mit dem Grand Prix 2017 in Geowissenschaften durch das Institut Grand-Ducal ausgezeichnet. Nun wurde ihr von der European Geosciences Union (EGU) die Vening Meinesz Medaille 2019 verliehen. Der Preis würdigt ihre herausragende Forschung auf dem Gebiet der Geodäsie, der Wissenschaft des genauen Messens und Verstehens der Form, Orientierung und Schwerkraft der Erde.
Weltweit führend in der Modellierung geodätischer Beobachtungen
Tonie van Dam hat auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet, die es ermöglicht, das temporäre Heben und Absenken der Erdoberfläche zu modellieren. Diese Auf- und Abbewegungen werden durch Umverteilung der Masse auf der Erdoberfläche verursacht, beispielsweise durch Änderungen des Luftdrucks oder des globalen Wasserkreislaufs oder durch das Schmelzen von Grönlandeis, wodurch die Erdoberfläche sich um bis zu 10 Zentimeter anheben oder absenken kann. In ihrer jüngsten Forschung verwendet die Forscherin GPS-Daten und weltraumgestützte Schwerkraftmessungen, um Änderungen der Eis- und Wassermasse infolge des Klimawandels zu modellieren.
„Professor van Dam ist weltweit führend in der Modellierung geodätischer Beobachtungen. Sie ist eine Pionierin bei der Quantifizierung von hydrologischen und atmosphärischen Belastungseffekten und hat ihre Bedeutung in mehreren geodätischen Beobachtungssystemen wie GPS, dem Global Positioning System, unter Beweis gestellt“, begründet die Europäische Union für Geowissenschaften ihre Entscheidung. Ihre Arbeit aus 2001, in der sie erstmalig ihre Beobachtungen beschrieb, sei zu einem „Klassiker in der Geodäsie“ geworden.
Autorin von mehr als 120 nationalen und internationalen Publikationen
Nach ihrer Promotion an der University of Colorado und ihrer Arbeit als forschende Geophysikerin am National Geodetic Survey in den Vereinigten Staaten sowie dem Europäischen Zentrum für Geodynamik und Seismologie kam Tonie Van Dam 2006 an die Universität Luxemburg. 2017 wurde sie Vizepräsidentin für Doktorandenausbildung, internationale Beziehungen und Gender. Seit 2018 ist sie verantwortlich für strategische Projekte und Kursleiterin des neuen Interdisziplinären Weltraum-Masterprogramms an der Universität Luxemburg.
Die Forscherin war Mitglied des Direktoriums des Internationalen Erdrotations- und Referenzsystemdienstes und Vorsitzende des Global Geophysical Fluids Center. Sie diente als Sekretärin des Geodäsie-Bereichs der American Geophysical Union und war Präsidentin der Geodäsie-Abteilung der Europäischen Union für Geowissenschaften.
Van Dam ist außerdem Autorin von mehr als 120 nationalen und internationalen Publikationen. Ihre diversen wissenschaftlichen Aktivitäten wurden durch verschiedene Einrichtungen unterstützt, zum Beispiel durch die Europäische Kommission, den FNR sowie die ESA Science & Technology.
Editor: Uwe Hentschel