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Christine Bastian ist in dieser Frage sehr gespalten: Auf der einen Seite hat die Mitarbeiterin des Wasserwirtschaftsamts noch immer die Bilder der extremen Hochwasserereignisse von 2016 und 2018 vor Auge und auch den Schaden, der dabei angerichtet wurde. Doch es gibt eben auch noch die wissenschaftliche und lösungsorientierte Seite. Und von der ist der Blick auf das Wetter ein ganz anderer.
Vorhersage extremer Starkregen- und Hochwasserereignisse verbessern
„Wenn wir die Prozesse, die zu den Überschwemmungen geführt haben, besser verstehen wollen, sind weitere Starkregenereignisse durchaus wünschenswert“, erklärt Bastian. Wobei das nicht generell gelte, sondern nur für die kommenden drei Jahre. So lange nämlich dauert das Forschungsprojekt, das am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) in Kooperation mit dem Wasserwirtschaftsamt und der Post gestartet wurde. Ziel dieses Projekts ist es, die Vorhersage extremer Starkregen- und Hochwasserereignisse zu verbessern.
Das Besondere der beiden Ereignisse vom 22. Juli 2016 und 31. Mai 2018 sind nicht nur die jeweils heftigen Niederschläge von bis zu 50 Millimeter pro Stunde, sondern auch das Gebiet. In beiden Fällen konzentrierte sich der Starkregen auf den mittleren Osten des Landes, auf das Gebiet der Weißen Ernz und der Schwarzen Ernz in der Region der Fiels und des Müllerthals. Das Einzugsgebiet der Weißen Ernz soll nun im Rahmen des Forschungsprojekts und mit Hilfe von Messstationen untersucht werden.
Messstationen erfassen auch das Alter des Wassers
Errichtet wurden diese Stationen entlang der Weißen Ernz. „Wir haben vier Messstationen für den Niederschlag, vier Messstationen im Wasser, um die Fließgeschwindigkeit zu erfassen, und zudem noch zwei Stationen, mit denen die Feuchtigkeit im Boden gemessen wird“, erklärt LIST-Forscherin Audrey Douinot, die das Projekt federführend betreut. Mit Hilfe von zusätzlichen Analysen von Wasserstoff- und Sauerstoffisotopen der Wassermoleküle wird zudem auch noch das Alter des Wassers bestimmt.
Letzteres sei deshalb wichtig, weil man bislang immer davon ausgegangen sei, dass es sich bei Hochwasser vor allem um junges, also kürzlich geregnetes Niederschlagswasser handle, sagt Douinot. Inzwischen aber hätten Untersuchungen gezeigt, dass auch altes Wasser, das bereits Wochen, Monate oder Jahre im Boden gewesen sei, in den Flutwellen lande und damit zum Hochwasser beitrage. „Vereinfacht dargestellt, wird es durch das in den Boden dringende Niederschlagswasser herausgedrückt“, erklärt die Forscherin. Die Beschaffenheit des Bodens und die Vorgänge darin spielten also bei der Entstehung des Hochwassers, aber auch bei den damit verbundenen Erosionen eine wichtige Rolle, so Douinot.
Netzwerk aus Niedrigenergiegeräten ermöglicht Übertragung aktueller Daten
Während bei herkömmlichen Niederschlägen das Wasser in den Bächen und Flüssen vergleichsweise langsam steigt und sich Hochwasser deshalb mit einer gewissen Vorlaufzeit ankündigt, haben Starkregenereignisse das Problem, dass sie sehr intensiv und mitunter auch sehr lokal sind. Und genau das macht es so schwer, diese Ereignisse vorherzusagen.
So könne es passieren, dass ein extremer, lokaler Niederschlag aufgrund des Standortes der Niederschlagsmessstationen nicht ausreichend, zu spät oder unter Umständen gar nicht erfasst werde, erklärt die LIST-Forscherin. Drahtlose Sensornetzwerke seien deshalb ein guter Ansatz zur Verbesserung der hydrometeorologischen Vorhersage, sagt sie. „Nur haben diese Systeme bei der Verwendung herkömmlicher Technologien wie Wifi oder Mobilfunk den Nachteil, dass die Verbindung aufgrund der Topographie abbrechen kann und der Energieverbrauch auch sehr hoch ist.“
Auch die Post ist am Forschungsprojekt beteiligt
Douinot und ihre Kollegen setzen deshalb in ihrem Projekt auf ein Low Power Wide Area Network (LPWAN), also auf ein Netzwerk bestehend aus Niedrigenergiegeräten. Und hier kommt der Projektpartner Post ins Spiel, der sich an der Entwicklung und Verwendung der LPWAN-fähigen Sensoren und der Messgeräte beteiligt. Zudem ist das System so ausgelegt, dass die Messabstände bei Bedarf von fünf auf eine Minute reduziert werden können. Wenn also Niederschlag fällt, wird die Messfrequenz automatisch höher.
Autor: Uwe Hentschel