Im Labor die Marktwirtschaft verstehen - der Ökonom Tibor Neugebauer im Interview
Herr Professor Neugebauer, Sie sind experimenteller Ökonom. Wie kann man in der Wirtschaft Experimente betreiben?
Ich betreibe Grundlagenforschung und führe hierzu Marktexperimente im Laboratorium durch. Dabei geht es darum, Theorien der Ökonomie im Labor zu testen, die man mit »Realweltdaten« nicht behandeln kann.
Im Rahmen des Intermobility Programms haben Sie in Laboren an der Universität von Kalifornien und der Universität in Castellón, Spanien, gearbeitet. In solchen Laboren stehen bestimmt keine Reagenzgläser. Wie muss man sich die Experimente vorstellen?
In solchen Laboren sitzen die Studienteilnehmer an miteinander verbundenen Computerterminals und müssen ökonomische Entscheidungen treffen. Etwa zwanzig Studenten bekommen dabei die Aufgabe, mit einander wie auf dem Aktienmarkt zu handeln. So schaffen wir es, das Verhalten von Menschen in ökonomischen Märkten abzubilden. Mit statistischen Mitteln können wir dann herausfinden, wie die Entscheidungen der Probanden in die Richtung der einen oder der anderen Theorie weisen.
Das klingt sehr nach Verhaltensexperimenten aus der Psychologie…
Auch Psychologen machen finanzmarktrelevante Experimente und auf Kongressen treffe ich auch Kollegen aus der Psychologie. Tatsächlich wurde der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften im Jahr 2002 an einen ökonomischen und einen psychologischen Experimentalisten vergeben - das zeigt die großen Überschneidungen.
Also handelt es sich im Prinzip um die gleichen Experimente?
Nicht ganz. Denn in der Psychologie bekommen die Teilnehmer für die Versuche eine Vergütung, die eine Pauschale ist. In unseren Experimenten ist das anders: Hier ist die Vergütung abhängig von der Leistung im Laboratorium. Die Teilnehmer erhalten so einen Anreiz, in ihrem besten ökonomischen Interesse zu handeln.
Sind die Ergebnisse, die Sie mit solchen Experimenten in kleinen Gruppen erhalten, denn aussagekräftig für den gesamten, realen Markt?
Das kann man nicht pauschal beantworten. Wichtig ist aber: wenn es eine genaue Umsetzung des realen Marktes wäre, wäre es gar nicht mehr so spannend – denn diese Daten sind ja ohnehin verfügbar. Wir können genau festlegen, unter welchen Bedingungen gehandelt wird. Das ist in bestehenden Märkten nicht der Fall. Man weiß dort nie, wer über welche Informationen verfügt, ob Insider am Markt sind oder aus welchen Gründen die Menschen handeln. Im Laboratorium kann man das alles systematisch untersuchen.
Können Sie ein Beispiel geben, was sie mit solchen Experimenten herausgefunden haben?
Wir konnten etwa zeigen, dass Menschen, die am optimistischsten über die zukünftige Kursentwicklung sind, am Markt als Käufer auftreten und die Pessimisten als Verkäufer auftreten. Das klingt zwar intuitiv, ist aber eine grundlegende Frage, die in der Realwelt nicht nachweisbar ist und nur in Experimenten gezeigt werden kann.
Während des »Intermobility«-Jahres haben Sie eine große Menge an Veröffentlichungen geschrieben; das Jahr scheint sehr produktiv gewesen zu sein. Wie bewerten Sie es insgesamt?
Ich konnte mich in der Tat wieder ganz auf die Forschung konzentrieren: etwas, das bei den Aufgaben eines Professors oft zu kurz kommt. Es war eine Zeit wie gerade nach dem Doktorandenstudium. Während der Freisemester konnte ich wieder alle Energie in die Forschung investieren, was auch nachträglich meine Einstellung verjüngt hat!
Autor: Tim Haarmann
Infobox
Der experimentelle Ökonom Tibor Neugebauer ist Professor an der »School of Finance« der Universität Luxemburg. Bevor er im Jahr 2008 an die Universität Luxemburg ging, forschte der Wissenschaftler an den Universitäten in York, Kiel, Hannover, Alicante und Valencia. Im Rahmen des »Intermobility« Programms des Fonds National de la Recherche (FNR) verbrachte Tibor Neugebauer ein Forschungsfreijahr in Santa Barbara (Kalifornien) und Castellon (Spanien).