Sojabohnen-Samen

Alyssa Collins

(links) gebeizte und (rechts) unbehandelte Sojabohnen-Samen

Die Erhebung genauer Daten zum Pestizideinsatz ist wichtig, weil dies Landwirten, Forschern und Behörden hilft, die landwirtschaftliche Produktion zu steigern und die Umwelt vor den nachteiligen Auswirkungen von Pestiziden zu schützen. Während wir in den meisten Ländern zuverlässige Daten haben über Pestizide, die auf Felder gesprüht werden, wissen wir relativ wenig über Pestizide, die in Saatgutbeizungen enthalten sind. Und wenn Landwirte nicht wissen, welche Pestizide in der Saatgutbeizung enthalten sind, besteht die Möglichkeit eines übermäßigen Einsatzes von Pestiziden.

Die Verwendung von gebeiztem Saatgut hat in den letzten Jahrzehnten rapide zugenommen, und die große Mehrheit der Mais-, Weizen-, Sojabohnen- und Baumwollfelder wird heutzutage mit gebeiztem Saatgut bepflanzt. In vielen Ländern führt der Mangel an Informationen über die Verwendung von pestizid-haltigem Saatgut dazu, dass ein erheblicher Teil des Pestizideinsatzes nicht in vorhandenen Datensätzen zum Pestizideinsatz erfasst wird, wie z. B. Eurostats Daten zum Pestizidverkauf oder Daten vom US-Landwirtschaftsministeriums zum Einsatz landwirtschaftlicher Chemikalien. Dies gilt insbesondere für Wirkstoffe, die hauptsächlich als Beizmittel eingesetzt werden.

Ich habe dieses Thema mit anderen Forschern in einem Artikel untersucht, der vor kurzem in BioScience veröffentlicht wurde: „Sowing Uncertainty: What We Do and Don’t Know about the Planting of Pesticide-Treated Seed“. Wir wollten ergründen, warum vorhandene Datensätze zum Pestizideinsatz relativ wenig über Beizmittel aussagen. Unsere Hypothese: Umfragen wurden entworfen, bevor die Verwendung von gebeiztem Saatgut verbreitet war, und Landwirte wissen oft mehr über Pestizide, die sie auf ihren Feldern anwenden, als über Pestizide, die sie als Bestandteil von gebeiztem Saatgut kaufen.

Der Einsatz von Beizmitteln wird nicht von gängigen Datanbanken erfasst

Wir haben Bauernumfragen des US-Landwirtschaftsministeriums analysiert, bei denen wir feststellten, dass in den USA nur 84 Prozent der Baumwoll-, 65 Prozent der Mais-, 62 Prozent der Sojabohnen-, 57 Prozent der Winterweizen- und 43 Prozent von Frühjahrsweizenbauern den Namen des Beizmittelprodukts angeben konnten, mit denen ihr Saatgut behandelt worden war. Im Gegensatz dazu kannten sich die Landwirte gut mit den Pestiziden aus, die direkt auf ihre Felder angewendet wurden: 98 Prozent der Landwirte konnten in diesem Fall die Namen der von ihnen verwendeten Pestizidprodukte angeben.

Lückenhafte Berichterstattung über Pestizide in Beizmitteln ist nicht auf Landwirte in USA beschränkt. Im Vereinigten Königreich ist Fera von der Regierung beauftragt, regelmäßig eine umfassende Erhebungen zum Pestizideinsatz, einschließlich Beizmitteln, durchzuführen, in der Daten nach Wirkstoffen für 13 Ackerkulturen veröffentlicht werden. Im Vereinigten Königreich wurde im Jahr 2018 gebeiztes Saatgut auf 96% der Hektar Weizen und 89% der Hektar Sommergerste angewendet, aber die Landwirte konnten das genaue Beizmittelprodukt auf 12% bzw. 22% dieser Hektar nicht angeben. Die Nichtangabe des jeweiligen Beizmittels bedeutet nicht zwingend, dass die Landwirte diese letztendlich nicht wissen, da die Landwirte die Informationen zum gebeizten Saatgut möglicherweise nicht an derselben Stelle wie die über Blattanwendungen lagern und sie daher bei der Beantwortung einer Umfrage möglicherweise nicht zur Hand sind.

Was sind mögliche Gründe für die lückenhafte Berichterstattung über Pestiziden in Beizmitteln?

Auf beiden Seiten des Atlantiks gibt es mehrere mögliche Gründe für die niedrige Antwortquote bei einzelnen Fragen zu Beizmitteln. Welcher auch der Grund, lückenhaftes „verfügbares“ Wissen über das verwendete gebeizte Saatgut ist nicht überraschend, da die Landwirte das Saatgut häufig nicht selbst behandeln, sondern vorgebeiztes Saatgut von Lieferanten kaufen. Die Landwirte sind daher weniger an der Entscheidung über die Kombination der im Beizmittel enthaltenen Wirkstoffe beteiligt als an der Entscheidung, welche Pestizide direkt auf ihren Feldern angewendet werden sollen.

Das Fehlen von Daten zu Pestiziden, die als Beizmittel eingesetzt werden, liegt auch an der Tatsache, dass Fragen zu Beizmitteln häufig nicht Teil staatlicher Datenerhebungen zum Pestizideinsatz sind. Beispielsweise liefert Eurostat Daten zur Menge der in EU-Mitgliedstaaten verkauften Pestizide, separate Informationen zu Beizmitteln sind jedoch nicht enthalten. In ähnlicher Weise sammelt die Bundesregierung Deutschland Daten über die auf dem Inland- und Exportmarkt verkauften Pestizide und die darin enthaltenen Wirkstoffe. Pestizide, die als Beizmittel eingesetzt werden, werden jedoch nicht gemeldet. Während die französische Regierung Daten über den Anteil der mit gebeiztem Saatgut bepflanzten Hektar nach Anbaukulturen sammelt (z.B. mehr als 92 Prozent der Hektar Weizen, Gerste, Mais, Zuckerrüben und Leinsamen im Jahr 2017), werden Informationen über die Wirkstoffe in den Beizmitteln nicht gesammelt. Die oben erwähnten britischen Umfragen zum Pestizideinsatz bilden die nennenswerte Ausnahme.

Wie ist die Lage in Luxembourg?

Seit der Anbausaison 2012-13 veröffentlicht die luxemburgische Regierung jährliche Daten zum Pestizideinsatz nach Wirkstoffen aufgeteilt für 10 Anbaukulturen, obwohl Beizmittel nicht separat aufgeführt und bei importiertem gebeiztem Saatgut nicht berücksichtigt werden.

Erstmals jedoch im Jahr 2019 und im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Reduzierung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sammelte die Regierung Daten von Saatgutvertreibern zu den Wirkstoffen, die im gebeizten Saatgut enthalten sind, das sie importierten und auf den Inland- und Exportmärkten verkaufen. Im Gegensatz zu Erhebungen von Landwirten ist es nicht möglich, die Informationen zur Saatgutbehandlung mit bestimmten Einsatzgebieten und lokalen Umweltergebnissen zu verknüpfen. Die Administration des services techniques de l'agriculture (ASTA) bestätigte, dass Saatgut häufig aus Deutschland, Frankreich und Belgien importiert wird, dass viele verschiedene Wirkstoffkombinationen in dem gebeizten Saatgut enthalten sind und dass Standard-Beizungen je nach Herkuntsland sehr unterschiedlich sein kann. Da die EU die Anwendung von Neonikotinoiden verboten hat, eine Klasse von Insektiziden, die häufig als Beizmittel eingesetzt werden, enthalten die Saatgutbeizungen in Luxembourg hauptsächlich Fungizide, die das Saatgut und die Jungpflanze vor Pilzen schützen.

Eine Frage der Definition: Was ist ein Pestizid?

In anderen Ländern werden Pestizide in Beizmitteln nicht von staatlichen Datenerhebungen erfasst, weil nach dem Auftragen des Pestizids das gebeizte Saatgut nicht mehr als Pestizid betrachtet wird. In den USA hat eine EPA-Verordnung (53 FR 15977) von 1988 mit Pestiziden behandelte Artikel, wie z.B. Farben mit Fungizidzusatz, von der staatlichen Definition eines Pestizids und damit auch von den Registrierungs- und Kennzeichnungsanforderungen für Pestizide ausgenommen. In ähnlicher Weise wird in der EU, obwohl die Beizing von Saatgut mit Pestiziden als Verwendung von Pflanzenschutzmitteln angesehen wird, die Aussaat von gebeiztem Saatgut nicht als solche Verwendung angesehen (EG Nr. 1107/2009).

Eine Konsequenz dieses Ausschlusses von Saatgutbehandlungen von der Definition von Pestiziden betrifft den Export von behandeltem Saatgut. Artikel 49 der Verordnung EG-Nr. 1107/2009 ermöglicht den freien Handel mit behandeltem Saatgut in der gesamten EU, so dass es zulässig ist, behandeltes Saatgut zu pflanzen, das aus anderen EU-Ländern eingeführt wurde, auch wenn der in der Behandlung enthaltene Wirkstoff nicht speziell für die Verwendung in dem Land registriert ist, in dem das Saatgut gepflanzt wird.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Abwägen von Nutzen und Kosten des Pestizideinsatzes beginnt mit genauen und vollständigen Daten. Während sich die Auftragungsmethoden vom Feldsprühen auf Saatgutbeschichtungen verlagert haben, hat die Datenerhebung nicht Schritt gehalten, sodass Daten zum Pestizideinsatz eine immer größere Lücke aufweisen. Und Umfragen, bei denen Landwirte nach Pestiziden in ihrem gebeiztem Saatgut befragt werden, liefern weniger zuverlässige Ergebnisse, da die Landwirte häufig nicht über die genauen Pestizidprodukte informiert sind, mit denen ihr Saatgut behandelt wurde. Mit der Umfrage an Saatgutvertreibern im Jahr 2019 ist Luxemburg eines der ersten Länder nach dem Vereinigten Königreich, das systematisch Informationen über Pestizide sammelt, die als Saatgutbehandlung eingesetzt werden. Für viele andere Länder und für die EU insgesamt erschwert der Mangel an öffentlichen Daten zu Pestiziden, die als Saatgutbehandlung eingesetzt werden, die Bewertung des Pestizideinsatzes und ihre Regulierung.

Autor: Claudia Hitaj (LIST)
Editor: Michèle Weber (FNR)

Claudia Hitaj

Dr. Claudia Hitaj ist R&T Associate am Luxembourg Institute of Science & Technology. Zuvor war sie Wirtschaftswissenschaftlerin am Economic Research Service des US-Landwirtschaftsministeriums. Ihre Forschung umfasst Themen der Energie-, Umwelt- und Agrarökonomie.

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