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Schon während der Schwangerschaft werden Mütter meist engmaschig betreut und untersucht: Entwickelt sich das Baby altersgerecht? Ist es mit genug Eisen versorgt? Sind die Herztöne regelmäßig? Sobald das Neugeborene auf der Welt ist, stehen dann im Krankenhaus auch gleich die ersten kinderärztlichen Untersuchungen an, die möglichst früh sicherstellen sollen, dass ein Säugling gesund ist – oder ob er möglicherweise an einer Behinderung oder Krankheit leidet, um von Anfang an die bestmögliche Versorgung gewährleisten zu können.
Die Abteilung für medizinische Biologie des Laboratoire national de santé (LNS) unter der Leitung von Patricia Borde ist auf die Vorbeugung von Krankheiten spezialisiert, sowohl neo- als auch pränatal, sowie auf die Behandlung von Krankheiten durch spezielle Untersuchungen. Schon seit 1968 wird bei allen in Luxemburg geborenen Kindern ein systematisches Neugeborenen-Screening durchgeführt. Dieses Programm ist eine Maßnahme des öffentlichen Gesundheitswesens und umfasst derzeit die Untersuchung von Blutproben auf fünf Krankheiten. Im Zusammenhang mit dem Neugeborenen-Screening kann auch die frühzeitige Diagnostik von Stoffwechselerkrankungen erfolgen. Darüber hinaus führt die Abteilung seit 2007 bei allen schwangeren Frauen in Luxemburg ein pränatales Screening zur Erkennung von Chromosomenanomalien des Fötus durch.
Patricia Borde, nach welchen Krankheiten wird beim Neugeborenen-Screening gesucht und warum?
Derzeit werden in Luxemburg fünf Krankheiten systematisch bei der Geburt untersucht: Phenylketonurie, kongenitale Hypothyreose, angeborene Nebennierenhyperplasie, MCAD-Mangel und Mukoviszidose. Die Hauptanforderungen für die Auswahl dieser Krankheiten, basieren auf den Wilson- und Jungner-Kriterien, die 1968 von der WHO veröffentlicht wurden. Diese besagen, dass die Krankheit ein signifikantes Gesundheitsproblem darstellen muss und dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden können, wenn sie in einem frühen Stadium erkannt wird. Im Folgenden gebe ich Ihnen einen kleinen Überblick über diese Krankheiten, ihre Folgen und wie man sie behandeln kann:
Die Phenylketonurie, die seit 1968 in Luxemburg erforscht wird, ist eine Krankheit, die auf einen Defekt in der Umwandlung von Phenylalanin, einem essentiellen Bestandteil unserer täglichen Nahrung, in Tyrosin zurückzuführen ist. Durch eine spezifische Untersuchung kann ein abnormaler Anstieg von Phenylalanin im Blut des kranken Babys festgestellt werden, der eine gesunde Entwicklung des Gehirns verhindert. Ohne Behandlung entwickeln die Kinder schwere und irreversible neurologische Störungen, einschließlich geistiger Behinderungen. Eine früh begonnene und lebenslang eingehaltene phenylalaninarme Diät ermöglicht betroffenen Kindern eine normale Entwicklung und ein altersgerechtes Wachstum.
Die angeborene Hypothyreose wird seit 1970 untersucht. Neugeborene, die an dieser Krankheit leiden, haben eine unzureichende Produktion eines von der Schilddrüse gebildeten Hormons, Thyroxin, das für die reibungslose Entwicklung des kindlichen Gehirns unerlässlich ist. Wenn zu wenig Thyroxin vorhanden ist, produziert die Hypophyse einen Überschuss an TSH (Thyreostimulin). Dieser Wert wird bei der Vorsorgeuntersuchung gemessen. Die tägliche Einnahme von oral verabreichtem Thyroxin ermöglicht dem Kind eine normale Entwicklung.
Seit 2006 wird auch auf eine kongenitale Nebennierenhyperplasie getestet. Dies ist eine genetische Krankheit, die eine abnorme Produktion von Hormonen verursacht, die von den Nebennieren abgesondert werden, was zu schwerer Dehydrierung und Problemen bei der Entwicklung der Genitalien führt. Beim Screening wird die Konzentration des Hormons 17-OH Progesteron im Blut gemessen. Die Behandlung besteht in der täglichen und lebenslang weitergeführten oralen Verabreichung der fehlenden Hormone. Hierdurch werden eine altersgerechte Entwicklung und ein normaler Wachstumsprozess des Kindes sichergestellt.
Der MCAD (Medium-Chain-Acyl-CoA-Deshydrogenase-Mangel) steht seit 2009 auf unserer Liste. Bei von dieser Krankheit betroffenen Kindern ist der Stoffwechsel von Fetten gestört, und diese können nicht als Energiequelle genutzt werden. Bei erhöhtem Energiebedarf (Fasten, Infektionen, Fieber, Durchfall, Operationen etc.) kann es bei betroffenen Kindern zu schweren Hypoglykämie-Attacken (abnormer Abfall des Blutzuckerspiegels) kommen. Während der Vorsorgeuntersuchung wird die Konzentration von Acylcarnitinen (Fettsäuretransportern) bestimmt, die sich im Blut des kranken Babys anreichern. Bei diesen Kindern sollten vor allem Fastenperioden vermieden und eine ausreichende Glukosezufuhr in Phasen erhöhten Energiebedarfs lebenslang sichergestellt werden.
Seit 2018 befassen wir uns auch mit Mukoviszidose, einer genetischen Erkrankung, die eine übermäßige Zähflüssigkeit der Sekrete verursacht, mit Folgen für die Funktionsfähigkeit verschiedener Organe wie der Lunge und der Bauchspeicheldrüse. Mukoviszidose ist verantwortlich für Ernährungsstörungen und fortschreitende Lungenschäden, was die Krankheit so schwerwiegend macht. Die klinische Diagnose erfolgt oft spät, was für die Patienten sehr nachteilig ist. Zum Nachweis dieser Erkrankung beim Neugeborenen wird ein Screening-Test auf Trypsin durchgeführt, einer Peptidase des Bauchspeichelsaftes, die an der Proteinverdauung beteiligt ist. Die Auswertung der Testergebnisse erfordert möglicherweise eine molekularbiologische Untersuchung des Mukoviszidose-Gens. Eine frühzeitige Behandlung von Betroffenen kann die Frequenz der Symptomatiken reduzieren und eine bessere Lebensqualität gewährleisten.
Was passiert beim Neugeborenen-Screening?
Es handelt sich um eine einfache Blutprobe, die normalerweise aus der Ferse des Babys entnommen wird. Mit dem Einverständnis der Eltern wird dem Neugeborenen durch geschulte Fachkräfte (Hebammen, Krankenschwestern, Kinderärzte usw.) und nach einem strengen, vom Gesundheitsministerium festgelegten Protokoll Blut entnommen. Diese Probe wird an das medizinisch-biologische Labor des LNS geschickt und auf die fünf genannten Krankheiten getestet. Die Suche nach Mutationen im Mukoviszidose-Gen wird, sollte der Trypsin-Wert erhöht sein, vom National Center of Genetics (NCG) des LNS durchgeführt.
Was sind die Konsequenzen, wenn die Proben positiv für eine der Krankheiten sind?
Im Falle eines positiven Testergebnisses werden die Eltern vom Arzt der Entbindungsklinik, in der das Kind geboren wurde, kontaktiert. Anschließend wird eine zweite Probe zur Bestätigung entnommen. Eltern sollten nicht in Panik geraten, da das Ergebnis des zweiten Tests normal ausfallen kann. Die ersten Resultate können mit der Unreife des Stoffwechsels beim Neugeborenen zusammenhängen. Solange auf die Ergebnisse gewartet wird, kann der behandelnde Arzt möglicherweise bereits ein Therapieprogramm aufstellen. Nach Bestätigung des Testergebnisses wird das endgültige Diagnoseprotokoll und eine adäquate Versorgung für das Kind und seine Familie in die Wege geleitet. Im Falle von Mukoviszidose kann das Luxemburger Mukoviszidosezentrum (CLMM) im Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL) sich direkt mit den Eltern in Verbindung setzen und einen Termin vereinbaren.
Warum ist das Neugeborenen-Screening sinnvoll?
Das Neugeborenen-Screening ist eine Initiative des öffentlichen Gesundheitswesens, die darauf abzielt, alle Neugeborenen auf bestimmte seltene, aber schwerwiegende Krankheiten zu untersuchen, von denen die meisten genetischen Ursprungs sind. Ziel ist es, bereits vor dem Auftreten von Symptomen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die negativen Folgen dieser Krankheiten für die Gesundheit der Kinder zu vermeiden oder zu begrenzen.
Neben dem "biologischen" Screening wird in den ersten Lebensstunden auch das Gehör des Neugeborenen getestet sowie, etwas später, sein Sehvermögen. Im weiteren Verlauf werden die Kinder außerdem auf schwere angeborene Herzfehler bei der Geburt untersucht. Ziel all dieser Untersuchungen ist es, die Auswirkungen dieser Krankheiten/Anomalien auf die Entwicklung des Babys bestmöglich zu minimieren.
Editor: Uwe Hentschel
Video, Bild: LNS
Infobox
Die Abteilung für medizinische Biologie analysiert Proben für die Akteure des luxemburgischen Gesundheitssystems (Gesundheitsministerium, Krankenhauslabore und Allergologen, Fachärzte für Stoffwechselerkrankungen, usw.) sowie für Gefängnisse, sozialpädagogische Zentren und Vereine, die sich um Drogenabhängige kümmern.
Medizinische Toxikologie:
- Zur Überwachung der Belastung der Patienten durch süchtig machende und toxische Substanzen (Drogen, Medikamente, Schwermetalle)
- Zur Überwachung von Substitutionsbehandlungen, Entzug
- Zur Beurteilung der therapeutischen Dosierung bei Patienten unter bestimmten Behandlungen (z. B. Antiepileptika)
- Im Falle einer akuten Vergiftung, um die Substanz zu identifizieren, die der Patient eingenommen hat.
Spezialisierte Biochemie-Hormonologie
- Katecholamine im Urin, Porphyrine
- Vitamine
- Aminosäuren, organische Säuren, Acylcarnitine
- Lithiasis, etc.
- Phenylketonurie - 1/13.500 Neugeborene
- Kongenitale Hypothyreose - 1/3.500 Neugeborene
- Kongenitale Nebennierenhyperplasie - 1/14.000 Neugeborene
- MCAD-Mangel - 1/10.000 Neugeborene
- Mukoviszidose - 1/3.500 Neugeborene